Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. 5 StR 78/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12084

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:250417B5STR78.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 78/17

vom
25. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen
vorsätzlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführerin
am 25. April
2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 8.
November
2016 mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die [X.] zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.

3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich ihre auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Das [X.] hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übri-gen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen des [X.]s hat die Angeklagte zwei Kör-perverletzungen (Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe) und zwei versuchte [X.] (Fälle II.3
a)
und 3
b)
der Urteilsgründe) begangen.

1
2
-
3
-
Zur Schuldfähigkeit der Angeklagten hat das [X.] ausgeführt, dass sie an einer chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophre-nie leide und bei ihr daneben ein polyvalenter Substanzmittelmissbrauch beste-he. In den drei Fällen II.1, II.2 und II.3
a)

der bei ihr zum Tatzeitpunkt aufgrund einer floriden psychotischen Symptomatik mit subjektivem [X.] nicht ausschließbar ausgeschlossen,

b)
sei ihre Einsichts-o-

II.

Die Unterbringung der Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die [X.] nach § 63 StGB setzt zunächst voraus, dass die Schuldfähigkeit bei der Begehung der [X.] zumindest erheblich vermindert war und die Tatbegehung des [X.] auf diesem Zu-stand beruht. Diese Voraussetzung wird im angefochtenen Urteil für die Anlass-taten II.1, II.2 und II.3
a)
nicht rechtsfehlerfrei belegt.

Insoweit lassen die Ausführungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten besorgen, dass das [X.] die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststel-lung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit sei §
21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach §
63 StGB gegeben. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur
Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist

sofern nicht seine [X.] erheblich eingeschränkt war

voll schuldfähig, womit auch die 3
4
5
6
-
4
-
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kommt (st.
Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 2. Februar 1966

2
StR 529/65,
[X.]St
21, 27, 28, und vom 6.
März 1986

4 [X.]/86,
[X.]St 34, 22, 26
f.; Beschluss vom 20. November 2012

1 [X.], [X.], 246, 247 mwN).

2. Soweit das [X.] im Fall II.3
b)
der Urteilsgründe zu der Über-zeugung gelangt ist, dass die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten bei der Bege-hung dieser [X.] aufgehoben gewesen sei, kann sich die Maßregelan-ordnung nach § 63 StGB auf keine tragfähige Gefährlichkeitsprognose stützen.

Für eine negative Gefährlichkeitsprognose muss die Gesamtwürdigung von der Persönlichkeit des [X.], seines [X.] und der von ihm begange-nen [X.] ergeben, dass aufgrund seines Zustands mit einer Wahr-scheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, wie sie die zum 1.
August 2016 in [X.] getretene Neufassung des §
63 Satz
1 StGB nunmehr konkretisiert, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. [X.], Urteile vom 17. August 1977

2
StR 300/77, [X.]St 27, 246, 248 f., und vom 17. November 1999

2 StR 453/99, [X.]R StGB § 63 Gefährlich-keit
27; Beschluss vom 8. Januar 2014

5 [X.], NJW 2014, 565).

Das [X.] hat die Gefahr einer Begehung weiterer Gewaltstrafta-ten durch die Angeklagte maßgeblich mit den drei im Sinne des §
63 Satz 1 StGB erheblichen [X.] II.1, II.2 und II.3
a)
begründet (UA S.
31 f., 36), die in Alltagssituationen im öffentlichen Raum gegenüber arglosen Opfern be-gangen wurden und in den Fällen II.1 und 2 bei den dort älteren und gebrechli-chen Geschädigten auch zu nicht unerheblichen Verletzungen führten. Bei die-sen [X.] ist indes

wie dargelegt

nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden, dass sie aufgrund eines Zustands zumindest verminderter Schuldfä-higkeit begangen worden sind. Auf diesem Fehler beruht die Unterbringungs-7
8
9
-
5
-
anordnung. Die [X.] der versuchten Körperverletzung im Fall II.3
b)
hat schon das [X.] nicht für seine Gefährlichkeitsprognose herangezogen.

3. Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf. Insoweit war die Revision zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

Der Umstand, dass allein die Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entge-gen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. September 2012

4 StR 348/12, NStZ
2013, 424; vom 20. November 2012

1 [X.], aaO, und vom 5.
August 2014

3
StR 271/14, [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch
1), weil die Unterbringung nach § 63 StGB und der auf § 20 StGB gestützte Frei-spruch gleichermaßen von der Bewertung der Schuldfähigkeit abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht.

[X.]
Dölp

Berger
Mosbacher

10
11
Ri[X.] Prof. Dr. König
ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.

[X.]

Meta

5 StR 78/17

25.04.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. 5 StR 78/17 (REWIS RS 2017, 12084)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12084

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 504/12

5 StR 602/13

4 StR 348/12

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