Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 244/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 968

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 19. Januar 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 22. März 2018 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.], der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei bestimmten Temperaturen reduziert. Nach der Behauptung des [X.] verfügt das Fahrzeug über eine [X.] ([X.]) und unterschiedliche Modi bei der Dosierung des einzuspritzenden "AdBlue".

3

Der Kläger hat zuletzt den Ersatz des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Vortrag des [X.] zu der Verwendung einer [X.] in seinem Fahrzeug stelle sich als Behauptung ins Blaue hinein dar. Im Fall der Aktivierung einer solchen Funktionalität könne ebenso wie hinsichtlich des Thermofensters zugunsten des [X.] unterstellt werden, dass die Funktionen als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren seien. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des [X.] durch die Beklagte im Sinne des § 826 BGB sei indessen nicht feststellbar. Weder bestünden Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Arbeitsweise der vom Kläger angeführten Funktionen, noch habe dieser sonstige greifbare Anhaltspunkte für ein besonders verwerfliches Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen aufgezeigt. Ebenso scheide ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 [X.] aus. Die Vorschriften der [X.] schützten nicht das Interesse des individuellen [X.], nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung des Thermofensters aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 244/22

06.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 19. Januar 2022, Az: I-3 U 137/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 244/22 (REWIS RS 2024, 968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 968

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