Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2011, Az. X R 44/09

10. Senat | REWIS RS 2011, 8357

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Gegenstand

Verhältnis zwischen Sachaufklärung, Reduzierung des Beweismaßes und Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast - Aufhebung der Vorentscheidung wegen Fehlens ausreichender Feststellungen - Übernahme der Kosten für private Reisen des Arbeitnehmers als (Lohn-)Aufwand beim Arbeitgeber - Zweifel an Rechtmäßigkeit der Pauschbeträge für Übernachtungskosten


Leitsatz

1. Vor einer Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast ist vorrangig regelmäßig der entscheidungserhebliche Sachverhalt aufzuklären oder, soweit dies nicht gelingt, eine Reduzierung des Beweismaßes unter Berücksichtigung von Mitwirkungspflichtverletzungen vorzunehmen .

2. Die Grundsätze über eine Reduzierung des Beweismaßes gelten auch für die Feststellung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Streitjahren 1999 bis 2003 als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er wurde im Jahr 2001 mit seiner seinerzeitigen --mittlerweile von ihm geschiedenen-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt; für die übrigen Streitjahre wurden auf seinen Antrag getrennte Veranlagungen durchgeführt. Gegenstand des Unternehmens des [X.] ist der Im- und Export sowie die Vermittlung von Industrieprodukten. Seine Kunden sind [X.] die Formulierung des Finanzgerichts ([X.] "im Wesentlichen" in [X.] ansässig.

2

Im Rahmen einer Außenprüfung nahm der Prüfer "aus formellen Gründen und wegen fehlender Nachweise" eine Kürzung des in den ursprünglichen Steuerbescheiden zunächst gewährten [X.] für Reisekosten in dem folgenden Umfang vor:

3

Jahr 

vom Kläger zunächst abgezogene Reisekosten 

vom Prüfer vorgenommene Kürzung 

Kürzung in Prozent   

1999 

29.575 DM 

6.000 DM  

20 %

2000   

24.473 DM 

6.000 DM 

25 %

2001    

44.572 DM

22.000 DM

49 %

2002  

12.008 €  

6.000 €    

50 %

2003     

6.895 €    

6.000 €

 87 %

4

Nach Darstellung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --[X.]--) hätten sich in den Belegordnern des [X.] nur Bahnfahrkarten und Flugtickets befunden; Reisekostenabrechnungen und Hotelrechnungen seien nur "sporadisch" vorhanden gewesen. Das [X.] hat keine Feststellungen zur Art der vom Kläger geltend gemachten Reisekosten, zu denjenigen Aufwendungen, auf die sich die vom Prüfer vorgenommenen Kürzungen beziehen, und zu den vom Kläger zum Nachweis des [X.] vorgelegten Unterlagen getroffen.

5

Das [X.] folgte dem Prüfer und versagte in den angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1999 bis 2003 vom 13. Juni 2006 den Betriebsausgabenabzug für Reisekosten in der oben dargestellten Höhe. [X.] stützte es die [X.] auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]), da die ursprünglichen Steuerbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.

6

Die Klage hatte in diesem Punkt Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 99). Das [X.] führte aus, zwar hätte das [X.] den Betriebsausgabenabzug materiell-rechtlich versagen dürfen, da weder die Aufzeichnungen noch die Erläuterungen des [X.] geeignet seien, die betriebliche Veranlassung der Reisekosten nachzuweisen oder auch nur glaubhaft zu machen. Allerdings könne umgekehrt aus dem Vorbringen des [X.] auch nicht auf eine fehlende betriebliche Veranlassung geschlossen werden. Da das [X.] auch bei unzureichender Mitwirkung des Steuerpflichtigen die objektive Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] trage, müssten die Sachverhaltsunklarheiten zu Lasten des [X.] gehen. Zwar genüge es für eine Änderung von Steuerbescheiden, wenn nachträglich [X.] bekannt würden, die den sicheren Schluss auf eine bisher nicht bekannte Haupttatsache zuließen. Bloße Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten reichten hingegen nicht aus.

7

Mit seiner Revision rügt das [X.], das [X.] habe in Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Reduzierung des [X.] vorgenommen, obwohl es festgestellt habe, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. In derartigen Fällen sei das [X.] auch im Hinblick auf die Feststellung, ob eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache vorliege, auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" reduziert. Die Besteuerungsgrundlagen seien in der Höhe anzusetzen, die der Wirklichkeit am Nächsten komme.

8

Der im Jahr 2001 nicht als Betriebsausgabe anerkannte Betrag von 22.000 DM betreffe mehrwöchige Türkeireisen eines [X.] Mitarbeiters des [X.], dem Übernachtungskosten in erheblicher Höhe pauschal erstattet worden seien. Eine betriebliche Veranlassung dieser Reisen sei nicht erkennbar, zumal der Kläger keinerlei Geschäfte mit Unternehmen in der Türkei tätige.

9

Das [X.] beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und Reisekosten in Höhe von 6.000 DM (Streitjahre 1999 und 2000), 22.000 DM (Streitjahr 2001) bzw. 6.000 € (Streitjahre 2002 und 2003), jeweils unter gegenläufiger Berücksichtigung eines entsprechend erhöhten [X.], nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das [X.] habe weder die fehlende betriebliche Veranlassung noch das Fehlen hinreichender Aufzeichnungen nachweisen können. Er habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt, sondern sämtliche vorhandenen Unterlagen vorgelegt. Einzelbelege über Hotelübernachtungen könne er nicht vorlegen, weil diese sich im Gewahrsam seines Mitarbeiters befinden würden. Aufgrund der von ihm gewählten Abrechnungspraxis nach den von der Finanzverwaltung veröffentlichten Pauschbeträgen für Übernachtungskosten bei Auslandsreisen komme es auf die Vorlage von [X.] aber ohnehin nicht an.

Im Übrigen gehe es im Streitfall nicht um Reisekosten des [X.], sondern um diejenigen seiner Arbeitnehmer. Selbst wenn das [X.] hier private Zuwendungen an Arbeitnehmer annehmen wolle, müsse der Betriebsausgabenabzug im Ergebnis bestehen bleiben, weil dann abziehbarer Lohnaufwand --in Gestalt eines [X.] vorliege. Indes sei nicht ersichtlich, aus welchen außerbetrieblichen Gründen der Kläger seinen Mitarbeitern private Reisen finanzieren sollte. Auslandsaufenthalte seien nicht immer konkreten Geschäften zuzuordnen, sondern könnten auch der Geschäftsanbahnung dienen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. [X.]s fehlt an jeglichen Feststellungen des [X.], die Grundlage für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Frage sein könnten, ob dem [X.] "Tatsachen" nachträglich bekannt geworden sind.

Das [X.] hat weder unmittelbar in seiner [X.]ntscheidung noch mittelbar durch Bezugnahme auf geeignete Unterlagen Feststellungen zu den vom Kläger geltend gemachten Reisekosten (Ziel und Dauer der Reise, Höhe der jeweils entstandenen Aufwendungen, Reiseteilnehmer), zu Art und Umfang der vom Kläger zum Nachweis der betrieblichen Veranlassung sowie der Höhe der entstandenen Aufwendungen vorgelegten Unterlagen, und zu denjenigen Aufwendungen, für die das [X.] den Betriebsausgabenabzug versagen will, getroffen.

Hierin liegt ein materiell-rechtlicher Mangel des angefochtenen Urteils, der schon für sich genommen --und auch ohne ausdrückliche Rüge durch die [X.] zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 10. Juni 2008 [X.], [X.], 313, [X.], 937, unter II.2. vor a).

2. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] hinsichtlich des Maßstabs, den es seiner Überzeugungsbildung zugrunde legt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), zu beachten haben, dass die Anwendung der Regeln der Feststellungslast nicht etwa das vorrangige Instrument richterlicher [X.]ntscheidungsfindung ist, sondern es sich dabei regelmäßig lediglich um eine "ultima ratio" handelt (vgl. hierzu und zum Folgenden grundlegend Senatsurteil vom 15. Februar 1989 [X.], [X.], 38, [X.] 1989, 462; seither ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 21. Dezember 2004 [X.], [X.] 2005, 994, unter [X.], und vom 9. Juni 2005 [X.]/03, [X.] 2005, 1765, unter 1.b).

Vorrangig sind in jedem Fall eigene Bemühungen des [X.] zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Dabei sind die Beteiligten mit heranzuziehen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 [X.]O). Das ist nach Aktenlage vollständig unterblieben.

Bleiben die gerichtlichen Versuche zur Sachaufklärung erfolglos, weil ein Beteiligter, der über eine besondere Beweisnähe verfügt, die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 3 [X.]O) verweigert, hat das [X.] vor einer Anwendung der Regeln über die Feststellungslast zu erwägen, ob das im konkreten [X.]inzelfall für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende [X.] gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren ist. Das [X.] kann sich dann auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" verringern ([X.] vom 7. Mai 2004 [X.]/02, [X.] 2004, 1367, unter 1.d).

Die dargestellten Grundsätze über eine Reduzierung des [X.]es gelten für sämtliche vom [X.] vorzunehmenden Tatsachenfeststellungen, insbesondere auch für die Feststellung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllt sind ([X.] vom 22. November 2006 [X.], [X.] 2007, 395, unter II.1.).

Dem steht der vom [X.] angeführte Grundsatz, dass [X.] nur herangezogen werden dürfen, wenn sie einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen, und bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten hierfür nicht ausreichen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 [X.], [X.], 221, [X.] 1995, 192, unter 1.), nicht entgegen. Denn in einer prozessualen Konstellation, in der das Regelbeweismaß nach Ausschöpfung der Sachaufklärungsbemühungen des [X.] infolge fehlender Mitwirkung des beweisnahen Beteiligten reduziert ist, kann das Vorliegen einer "Tatsache" i.S. des § 173 [X.] auch dann prozessordnungsgemäß "festgestellt" werden, wenn zwar keine förmliche und volle Überzeugungsbildung möglich ist, aber mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer konkreten Tatsache geschlossen werden kann. Dadurch werden Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten nicht etwa selbst zur Tatsache; sie können aber --in der gesteigerten Form der "größtmöglichen Wahrscheinlichkeit"-- in den dargestellten prozessualen Ausnahmekonstellationen den Schluss auf das tatsächliche Vorliegen oder Nichtvorliegen konkreter Tatsachen ermöglichen (im [X.]rgebnis ebenso für die Feststellung der Voraussetzungen des § 173 [X.] in Fällen eines reduzierten [X.]es BFH-Urteil in [X.] 2005, 1765, unter 2.).

3. Für die nunmehr vom [X.] durchzuführende Sachaufklärung weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- auf die folgenden Punkte hin:

a) [X.]s erscheint sachdienlich, zunächst den Kläger zur Abgabe von [X.]rläuterungen zu den von ihm geltend gemachten Reisekosten aufzufordern (siehe oben 1.: Ziel und Dauer der Reise, Höhe der jeweils entstandenen Aufwendungen, Reiseteilnehmer). Sodann wird das [X.] darzulegen haben, welche --konkret bezeichneten-- Aufwendungen es vom Betriebsausgabenabzug ausschließen möchte und welche hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen ihm insoweit nachträglich bekannt geworden sind. [X.]. wird das [X.] erläutern müssen, weshalb es den Anteil der von ihm nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassenen Reisekosten im Verlauf der Streitjahre so stark erhöht hat (von 20 % im ersten Streitjahr 1999 bis auf 87 % im letzten Streitjahr 2003). Anschließend hat der Kläger Gelegenheit, die betriebliche Veranlassung und die Höhe der vom [X.] beanstandeten Aufwendungen --in erster Linie durch Vorlage geeigneter Unterlagen, ggf. auch durch Benennung anderer [X.] nachzuweisen.

b) Soweit der Kläger behauptet, es gehe vorliegend nicht um Reisekosten des Betriebsinhabers selbst, sondern um Dienstreisen von Arbeitnehmern, ist dem entgegenzuhalten, dass in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Streitjahre in ganz erheblichem Umfang Aufwendungen für "Reisekosten Unternehmer" bzw. "Reisekosten [X.]" verzeichnet sind.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Bedeutung des --im Ausgangspunkt durchaus zutreffenden-- rechtlichen Vorbringens des [X.], wonach auch eine [X.]rstattung solcher Reisekosten, die auf Seiten der Arbeitnehmer privat veranlasst sein mögen, aus Sicht des Betriebsinhabers als Betriebsausgabe ([X.]) abziehbar sei.

Hinzu kommt, dass der vom Kläger in den Streitjahren erklärte [X.] im Wesentlichen aus dem an [X.] gezahlten Gehalt bestand (für 2001: 105.122 [X.] [X.]hegattengehalt bei 168.048 [X.] [X.]; für 2002: 50.435 € [X.]hegattengehalt bei 75.796 € [X.]). Nach den für das [X.] vorliegenden Buchungsvermerken entfällt zumindest ein erheblicher Teil der geltend gemachten Reisekosten auf Reisen, die [X.] entweder allein oder gemeinsam mit dem Kläger unternommen hat. Da die Tätigkeit der [X.] ausweislich des mit ihr abgeschlossenen Arbeitsvertrags in der Bürokorrespondenz und der Leitung des Büros am Firmensitz des [X.] bestand, wird der Kläger erläutern müssen, zu welchem betrieblichen Zweck seine Bürokraft zeitlich ausgedehnte Reisen nach [X.] unternommen hat, zumal das [X.] unwidersprochen vorgetragen hat, [X.] habe ihre Heimat [X.] wie der Kläger-- in [X.]. Jedenfalls gilt der vom Kläger angeführte Rechtssatz, auch die Übernahme der Kosten für private Reisen des Arbeitnehmers stelle beim Arbeitgeber (Lohn-)Aufwand dar, nicht, wenn es sich bei dem Arbeitnehmer um den [X.]hegatten des Betriebsinhabers handelt und keine klare und eindeutige Vereinbarung über die Zahlung privater Reisekosten als Gehaltsbestandteil besteht. Im Übrigen hat der Kläger die Reisekosten seiner Arbeitnehmer weder als [X.] behandelt noch hierfür Lohnsteuer abgeführt.

c) Ferner wird der Kläger die betriebliche Veranlassung der Reisen in die [X.] und in die [X.] näher darlegen müssen. Denn ausweislich der dem Jahresabschluss beigefügten Debitorenlisten handelte es sich bei den Kunden des [X.] nicht nur "im Wesentlichen" (so das [X.]), sondern ausschließlich um in [X.] ansässige Unternehmen.

Hinsichtlich der Reisen in die [X.] wird das [X.] in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass der Kläger dort ein Schwarzgeldkonto und ein Golddepot unterhalten hat. Die betriebliche Veranlassung von Reisen in die [X.] bedürfte daher näherer Darlegungen des [X.].

Hinsichtlich der --nach dem Vorbringen des [X.] zeitlich sehr ausgedehnten-- Reisen in die [X.] beruft sich der Kläger zwar auf den Versuch der [X.]rschließung neuer Märkte. Das [X.] wird aber berücksichtigen müssen, dass es nicht der Lebenserfahrung entspricht, wenn ein Unternehmer oder ein Arbeitnehmer mehrwöchige Reisen zur [X.]rschließung neuer Märkte unternimmt, ohne dass dabei auch nur rudimentäre Unterlagen über die zur Markterschließung getroffenen konkreten Maßnahmen angefallen sind. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung steigen die Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen und an die Wiedergabe der aus ihnen abgeleiteten Folgerungen in dem Maße, in dem das [X.] seiner [X.]ntscheidung einen vom Üblichen abweichenden Sachverhalt oder Geschehensablauf zugrunde legen will (BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 [X.]/82, BFH[X.] 154, 7, [X.] 1988, 944, unter B.2.c, und vom 21. September 2005 [X.], BFH[X.] 211, 530, [X.] 2006, 269, unter II.2.b).

d) Darüber hinaus macht der Kläger geltend, er habe für die Übernachtungskosten keinen [X.]inzelnachweis geführt, sondern zulässigerweise die von der Finanzverwaltung veröffentlichten [X.] (für das Streitjahr 2001 z.B. Schreiben des [X.] --[X.]-- vom 12. Dezember 2000, [X.], 1574) in Anspruch genommen.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese [X.] nicht anzusetzen sind, wenn sie im [X.]inzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden ([X.] vom 11. Mai 1990 VI R 140/86, BFH[X.] 160, 546, [X.] 1990, 777, unter 2.c, und vom 9. Mai 2005 [X.], [X.] 2005, 1550). Soweit daher der Kläger und [X.] während ihrer [X.]-Reisen sowie der [X.] Arbeitnehmer während seiner ausgedehnten [X.]-Reisen Übernachtungsmöglichkeiten in Anspruch genommen haben sollten, die nicht mit denjenigen vergleichbar sind, die in die Bemessung der [X.] eingegangen sind, kommt ein Ansatz der [X.] nicht in Betracht. Zur Feststellung der tatsächlichen Höhe der Übernachtungskosten wird wiederum der Kläger heranzuziehen sein; dieser hat im Revisionsverfahren erklärt, "die [X.]inzelbelege über Hotelübernachtungen etc." befänden sich noch im Gewahrsam seines Mitarbeiters. Aufgrund der vorgenommenen Kostenerstattung dürfte der Kläger einen Anspruch gegen den Mitarbeiter auf Herausgabe der Belege haben.

Im Übrigen ist die Rechtsgrundlage für die Festlegung der [X.] für Übernachtungskosten durchaus zweifelhaft: Im [X.]-Schreiben in [X.], 1574 wird insoweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 [X.]StG herangezogen. Allerdings ermächtigt Satz 4 der genannten Vorschrift das [X.] lediglich zur Festlegung von [X.]n für Verpflegungsmehraufwand, nicht hingegen für Übernachtungskosten.

Auch ist zweifelhaft, ob die [X.] auf die --unter dem Gesichtspunkt des "steuerlichen Massenverfahrens" dem Grunde nach [X.] allgemeine Typisierungsbefugnis der Finanzverwaltung gestützt werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb gerade ein Nachweis der Kosten von im Ausland durchgeführten Hotelübernachtungen für die Steuerpflichtigen wesentlich schwieriger zu erbringen ist als der Nachweis sonstiger --in- oder ausländischer-- Betriebsausgaben, für die die Finanzverwaltung aber keine Pauschalierungen vorsieht.

[X.]ntsprechend lässt die Finanzverwaltung ab 2009 einen Abzug von Übernachtungskosten beim Betriebsinhaber ausschließlich im Falle des [X.]inzelnachweises zu und wendet die [X.] nur noch auf [X.]rstattungen durch den Arbeitgeber an (vgl. [X.]-Schreiben vom 17. Dezember 2008, [X.], 1077).

Meta

X R 44/09

23.03.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 7. November 2008, Az: 1 K 2012/07 E, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 4 Abs 4 EStG 2002, § 4 Abs 4 EStG 1997, § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG 1997, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2011, Az. X R 44/09 (REWIS RS 2011, 8357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8357

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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