Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 147/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8727

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 26. Juli 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu 1 in Höhe von 26.368,78 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die [X.] zu 2 und zu 3 zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 8. Oktober 2013 von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten [X.] CDI, der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" abhängig von der Außentemperatur gesteuert.

3

Der Kläger hat, gestützt auf seine deliktische Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs, zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Deliktszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1) sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) und der teilweisen Erledigung des [X.] zu 1 wegen weiterer Nutzung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 3) begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge mit Ausnahme der geltend gemachten Deliktszinsen weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stünden keine deliktischen Schadensersatzansprüche zu. Hinsichtlich des [X.] habe er auch bei unterstellter Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB nicht schlüssig dargelegt. Er könne sich auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 [X.] berufen. Es könne offenbleiben, ob die Beklagte durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen §§ 6, 27 [X.] verstoßen habe. Bei den Bestimmungen der [X.] handele es sich nicht um Gesetze, die einen Käufer vor dem Erwerb eines nicht der Typgenehmigung entsprechenden Fahrzeugs schützen sollten.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] in der maßgeblichen Fassung (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.], [X.], 2194 Rn. 9 ff.) aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die Berufungsentscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

  

Götz     

  

Rensen

  

Wille     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 147/21

13.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 26. Juli 2021, Az: 5 U 5/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 147/21 (REWIS RS 2023, 8727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 303/20

III ZR 267/20

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