Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2012, Az. 1 StR 566/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6952

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rückgewinnungshilfe: Anwendung in Altfällen


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Mai 2011 aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall des von der Angeklagten [X.]     erlangten [X.] in Höhe von 589.601,42 € und des von der Angeklagten Ka.   erlangten [X.] in Höhe von 1.292.668,75 € erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Diese Feststellungen entfallen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

3. Jede Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte [X.]   , eine Apothekerin, wegen Betruges in zwölf Fällen zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, die Angeklagte [X.], Ehefrau eines Arztes, wegen Betruges in 15 Fällen und Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu fünf Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die Angeklagten Vermögensvorteile in Höhe von 589.601,42 € bzw. 1.292.668,75 € erlangt haben und nur deswegen nicht auf Verfall erkannt werde, weil Ansprüche Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.

2

Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Diese haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. [X.] nach § 111i Abs. 2 StPO, der sich darauf bezieht, dass die Angeklagten aus den im Zeitraum zwischen Februar 2004 und April 2005 mittäterschaftlich und unter Verwendung gefälschter Rezepte zum Nachteil der gesetzlichen [X.]ankenkassen begangenen Betrugstaten Vermögensvorteile erlangt haben, kann keinen Bestand haben. Für vor dem 1. Januar 2007 beendete Taten hat ein Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO zu unterbleiben. Einer Anwendung der am 1. Januar 2007 in [X.] getretenen Regelung des § 111i Abs. 2 StPO auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen ([X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11 Rn. 115; [X.], Beschluss vom 12. August 2010 - 4 StR 293/10; [X.], Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 [X.], [X.], 295 mwN).

4

2. Darüber hinaus hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler - auch nicht bei der Strafzumessung - zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat zu der in der Revision der Angeklagten [X.]   erhobenen [X.] eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO):

5

Mit dieser [X.] wird geltend gemacht, das [X.] habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, weil es eine die Einlassung der Angeklagten [X.]   bestätigende [X.] nicht verlesen habe und eine dahingehende „Sachaufklärung … auch nicht in anderer Weise stattgefunden“ habe.

6

Diese [X.] hat keinen Erfolg. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge, weil die Revision ihre Behauptung, der Inhalt der Liste sei nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht worden, selbst wieder in Frage gestellt hat ([X.]). Die [X.] ist jedenfalls unbegründet. Ausweislich der Urteilsgründe haben die auf Antrag der Angeklagten [X.]   vom [X.] in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen [X.].   und [X.]     unter Vorhalt der für sie ausgestellten Rezepte angegeben, die ihnen zu den daraus ersichtlichen Patientennummern verschriebenen Medikamente nicht erhalten zu haben ([X.]). Da das [X.] von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugt war, durfte es von der Unrichtigkeit der [X.] aus dem Datenbanksystem der Apotheke der Angeklagten [X.]   ausgehen und musste sich deshalb nicht zu einer förmlichen Verlesung der, wie die Revision selbst vorträgt ([X.]), in der Hauptverhandlung „erörterten“ [X.] gedrängt sehen. Aus dem von der Revision ins Feld geführten Vermerk des [X.]mmervorsitzenden über ein im Zusammenhang mit der Zeugenladung geführtes Telefonat mit den Zeugen ([X.] f.) ergeben sich keine Anhaltspunkte für Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der in den Urteilsgründen dokumentierten Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung.

7

3. Der nur geringe Teilerfolg der Revisionen rechtfertigt es nicht, die Angeklagten nach § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.

Nack     

Hebenstreit     

     Graf

Jäger     

Ri[X.] Prof. Dr. Sander ist
urlaubsabwesend und deshalb
an der Unterschrift gehindert.

Nack

Meta

1 StR 566/11

25.04.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Görlitz, 20. Mai 2011, Az: 8 KLs 340 Js 11423/08

§ 111i Abs 2 StPO, § 2 Abs 3 StGB, § 2 Abs 5 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2012, Az. 1 StR 566/11 (REWIS RS 2012, 6952)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6952

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 566/11 (Bundesgerichtshof)


4 StR 571/10 (Bundesgerichtshof)

Befangenheitsablehnung der Strafkammermitglieder: Besorgnis der Voreingenommenheit bei Äußerungen zu einer gescheiterten Verständigung über Strafobergrenzen im …


4 StR 571/10 (Bundesgerichtshof)


1 StR 31/17 (Bundesgerichtshof)

Verfall: Voraussetzungen des Erlangens eines Vermögensvorteils


5 StR 258/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Feststellung über die Nichtanordnung des Verfalls wegen entgegenstehender Verletztenansprüche; Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 2/16

5 StR 71/15

5 StR 71/15

Zitiert

1 StR 45/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.