Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. 5 StR 165/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5528

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 22. Juni 2011
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 22. Juni 2011
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 21. Dezember 2010 gemäß §
349 Abs.
4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben; davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zum
äußeren
Tathergang und zum Tatvorgeschehen, die aufrecht erhalten bleiben; insoweit wird die Revision gemäß §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels,
an eine andere als Jugendschwurgericht zuständige Ju-gendkammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei [X.] und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und [X.] getroffen:

a) Der Angeklagte wurde am Abend des 29. Juni 2010 von dem später geschädigten Zeugen

[X.]

unter Verwendung eines Mobiltelefons der

S.

einer gemeinsamen Bekannten

fünfmal beleidigend und bedro-1
2
3
-
3
-

hend angerufen. Der Angeklagte nahm die Bedrohungen ernst und verließ die elterliche Wohnung, um Hilfe bei seinem Bruder zu
suchen. Er traf auf [X.]

, der von der in unmittelbarer Nachbarschaft wohnenden Zeugin

S.

kam. Nach einer aggressiv geführten, hinsichtlich der Einzelheiten nicht auf-klärbaren Unterhaltung ([X.]) kam es zu einer Schlägerei zwischen dem Angeklagten und [X.]

, der schließlich obsiegte. Der Angeklagte ging in die elterliche Wohnung zurück, zog eine Jogginghose und feste Turnschuhe an und steckte ein kleines Klappmesser mit einer Klingenlänge von 5,5 cm ein. Er ver-ließ die Wohnung, um [X.]

erneut aufzusuchen und diesem die Urheber-schaft der
Anrufe nachzuweisen. Der Angeklagte traf auf ihn, als er gerade

S.

telefonisch von der für ihn erfolgreichen Auseinandersetzung berichte-gten erregt auf, die Anrufliste seines Handys zu zeigen. Damit wollte er den Nachweis erbringen, dass dieser bei ihm angerufen hatte. Der Geschädigte folgte dieser Aufforderung in dem Wissen, dass sein Handy keine Anrufe ausweisen würde, da er dazu das Handy der Zeugin S.

benutzt hatte. Der Angeklagte war daraufhin enttäuscht und [X.], dass es ihm nicht gelungen war, dem Geschädigten die Anrufe [X.]. Er forderte den Geschädigten auf, mit ihm zu der Zeugin

S.

zu kommen, um die Geschehnisse aufzuklären. Der Geschädigte lehnte dies ab. Dem Angeklagten wurde nunmehr klar, dass es ihm nicht gelingen würde, den Nachweis zu erbringen, dass und warum der Geschädigte bei ihm angerufen hatte. [X.] griff er mit seiner Hand in die Hosentasche, zog sein Messer hervor und öffnete dieses mit dem Klappmechanismus. Der Geschädigte, der gerade sein Handy einsteckte, bemerkte dies nicht. Der Angeklagte hielt das Messer in der rechten Hand, trat rechts an dem
Geschädigten vorbei und stach diesem das Messer mit einer Schwungbewegung über die Schulter gezielt viermal in den oberen, linken Rücken. In der Rückwärtsbewegung stach er ein wei

b) Das [X.] hat die Einlassung des Angeklagten, er habe in Not-wehr gehandelt, um einem Messerangriff des

[X.]

zuvorzukommen ([X.]), beweiswürdigend widerlegt. Es hat bedingten Tötungsvorsatz des [X.]
-
4
-

klagten aufgrund der Empfindlichkeit der getroffenen Körperregion und der [X.] angenommen ([X.]) und auf Folgendes abgestellt:

n-ge von 5,5 cm viermal in den oberen Rücken und einmal in den Bauch des [X.]. Der Angeklagte hat glaubhaft angegeben, dass er auch diese [X.] anvisiert hat, da er aufgrund der Körperhaltung des Geschädigten keine Chance sah, in dessen Beine zu stechen, was er Stichen in den Rücken

2. Der so begründete Tötungsvorsatz hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Das [X.] hat maßgeblich neben dem konkreten Einsatz des verhältnismäßig kleinen Messers Vorstellungen des Angeklagten während der Stichabgabe zu seinen Lasten herangezogen, die dieser ausschließlich zum Zweck seiner Verteidigung, zur Begründung der Notwehrlage angegeben hat. Nachdem das [X.] diese Einlassung gänzlich widerlegt hat, durfte es nicht mehr vom Vorliegen eines Geständnisses hinsichtlich einer beabsichtigten Beibringung erheblicher Verletzungen ausgehen und dieses zum Nachteil des Angeklagten verwenden (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 4. und 24. Mai 2011

5 StR 65/11 und 161/11; vgl. auch [X.], Beschluss vom 9.
Oktober 1998

2
StR 442/98).

3. Die Sache bedarf neuer Aufklärung und Bewertung mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tathergang und zum Tatvorgeschehen, die [X.] bleiben können. Diese umfassen
auch
den Ausschluss von Not-wehr.

Der Senat weist für den Fall einer erneut notwendig werdenden mittelba-ren Heranziehung der Voraussetzungen der Vorschrift des §
213 Alternative
1 StGB darauf hin, dass maßgebend nicht ist, ob sich die Tat als Spontantat dar-5
6
7
8
-
5
-

stellt. Es kommt vielmehr darauf an, ob die in den Beleidigungen, den [X.] und dem weiteren Verhalten des [X.] liegende Kränkung einen noch anhaltenden Zorn des Angeklagten hervorgerufen und den Angeklagten zu [X.] hingerissen hat (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 30. Oktober 1990

5 [X.], [X.]R StGB § 213 Alternative
1 Hingerissen 1,
und vom 28.
September
2010

5
StR 358/10). Schon die bisherige Erwägung des Land-gerichts, dass das bei der Vernehmung des [X.] in der Hauptverhandlung provokant zur Schau getragene Selbstbewusstsein die Kammer nachvollziehen lasse, dass sich durch dessen Auftreten gegenüber dem Angeklagten dessen Wut und Frustration weiter gesteigert und schließlich in den Messerstichen ent-laden hätte
([X.]), deutet auf einen solchen Zusammenhang hin. Dieser steht in einem Spannungsverhältnis
zur festgestellten

zudem
gar nicht maß-geblichen

bjektiven Entschärfung der [X.]

(UA S. 47).

Basdorf Raum Brause

Schneider Bellay

Meta

5 StR 165/11

22.06.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. 5 StR 165/11 (REWIS RS 2011, 5528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5528

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 165/11 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Belastende Verwertung einer widerlegten Einlassung; Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags


1 StR 270/19 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an die Inhaltsanalyse einer wesentlichen Belastungsaussage


321 Ks 6/20 (Landgericht Köln)


1 StR 611/17 (Bundesgerichtshof)

Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


2 Ks 30 Js 324/20-17/20 (Landgericht Münster)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 165/11

5 StR 65/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.