Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.04.2011, Az. III B 62/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 7256

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Gegenstand

Darlegung einer Divergenz - Aufklärungsrüge - Rügeverlust - Schlafender Richter


Leitsatz

1. NV: Neben der genauen Bezeichnung der Divergenzentscheidung ist im Einzelnen darzutun, dass das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt .

2. NV: Stellt der fachkundig vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG keinen Beweisantrag, verliert er mit der rügelosen Verhandlung zur Sache das Recht, eine unzureichende Sachaufklärung zu rügen .

3. NV: Hat der Beschwerdeführer keine sicheren Anzeichen für ein Schlafen des Richters vorgetragen und hat er auch keinen Anlass gesehen, den Vorsitzenden auf die eingeschränkte Beteiligung des nach seiner Behauptung schlafenden Richters aufmerksam zu machen, ist der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig gerügt .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit ihre Darlegung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügt, liegen jedenfalls nicht vor.

2

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat nicht schlüssig vorgetragen, dass eine Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 [X.]O).

3

Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde, die sich auf die Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung des [X.] oder eines anderen Finanzgerichts ([X.]) stützt, muss der Beschwerdeführer neben der genauen Bezeichnung der Divergenzentscheidung dartun, dass das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Eine schlüssige Rüge setzt weiter die Darlegung voraus, dass die Entscheidungen zu gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalten ergangen sind (z.B. [X.]-Beschluss vom 22. Juli 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 1846).

4

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Nach ihr schließt sich das [X.] vielmehr "im Grundsatz" der ständigen [X.]-Rechtsprechung an, wonach mehrere Betriebe eines Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Einheit bilden, sofern sie sachlich, insbesondere organisatorisch, wirtschaftlich oder finanziell zusammenhängen. Zwar stellt der Kläger die Aussage des [X.], bei einer natürlichen Person führe die Konzentration der wesentlichen Verwaltungsaufgaben in einem Betrieb [X.] wie die Bildung einer vertikalen [X.] grundsätzlich zu einer wirtschaftlichen Verflechtung, der ständigen Rechtsprechung des [X.] gegenüber, wonach ein finanzieller oder organisatorischer Zusammenhang, der allein auf der Identität des Unternehmers beruht, nicht genügt (Urteile vom 16. Dezember 1964 I 375/62, [X.] 1965, 224; vom 25. April 1989 VIII R 294/84, [X.]/NV 1990, 261). Während der Kläger aber einerseits meint, im Streitfall beruhe die Konzentration der Verwaltungsaufgaben allein auf seiner Person, d.h. auf der Identität des Inhabers, räumt er mit seiner Beschwerde andererseits ein, dass er Kosten zwischen seinen Betrieben verrechnet hat.

5

Im [X.] macht er damit geltend, das [X.] habe den Streitfall falsch entschieden, insbesondere die Verwaltungsverträge unzutreffend gewürdigt. Dies vermag eine Divergenz jedoch nicht zu begründen, zumal sich das [X.] für seine Entscheidung u.a. auf das Senatsurteil vom 1. Februar 2001 [X.], [X.] ([X.]/NV 2001, 899) beruft, nach dem die Annahme eines selbständigen Gewerbebetriebes eine vollkommene Eigenständigkeit erfordert.

6

2. Die Revision ist nicht aufgrund eines [X.] zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

7

a) Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), zu denen auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) gehört, geht das [X.] schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren; ein Verzichtswille ist hierfür nicht erforderlich. Anders kann dies bei einem fachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten nur dann sein, wenn er auf Grund des Verhaltens des [X.] die Rüge für entbehrlich halten durfte (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2003 [X.]/02, [X.]/NV 2003, 810).

8

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.], in der er durch Steuerberater vertreten war, weder das Übergehen von Beweisanträgen noch die Verletzung einer von Amts wegen --auch ohne entsprechenden Beweisantrag-- gebotenen Sachaufklärung gerügt. Er hat auch keinen Sachverhalt geschildert, auf Grund dessen er eine solche Rüge für entbehrlich hätte halten können (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 8. März 2010 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 1288).

9

b) Schließlich greift auch nicht die Rüge, das [X.] sei nicht vorschriftsmäßig i.S. von § 119 Nr. 1 [X.]O besetzt gewesen.

Ein Gericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn ein [X.] während der mündlichen Verhandlung schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht folgt. Aus dem Vortrag, einer der [X.] habe unmittelbar nach Verhandlungsbeginn den Kopf mit Hand und Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt, die Augen geschlossen, den Kopf leicht in Richtung Fenster gewandt, habe über den gesamten Verlauf der mündlichen Verhandlung regungslos in dieser Position verharrt und sich in keiner erkennbaren Weise an der mündlichen Verhandlung beteiligt, kann nicht mit Sicherheit geschlossen werden, der [X.] habe geschlafen oder sei in anderer Weise "abwesend" gewesen (z.B. [X.]-Beschluss vom 16. Juni 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1659, m.w.N.). Das Schließen der Augen kann auch Zeichen besonderer Konzentration sein (vgl. [X.]-Beschluss vom 17. Mai 1999 [X.], [X.]/NV 1999, 1491), aus der der [X.] beim Hereintragen von Postkisten unter nach dem Vortrag des [X.] erheblicher Geräuschentwicklung aufschreckte, während er sich im Übrigen dem Wesentlichen widmete und dem laut [X.] von den übrigen in der mündlichen Verhandlung anwesenden Personen mit Erheiterung aufgenommenen Magenknurren des Steuerberaters keine Beachtung schenkte. Im Übrigen haben die [X.] keinen Anlass gesehen, den Vorsitzenden auf eine von Beginn der Verhandlung an eingeschränkte Beteiligung des [X.]s an der Verhandlung aufmerksam zu machen. Die Vertreter des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --[X.]--) haben ausweislich der Stellungnahme des [X.] nicht bemerkt, dass einer der [X.] geschlafen habe.

Meta

III B 62/10

27.04.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. März 2010, Az: 13 K 324/06, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.04.2011, Az. III B 62/10 (REWIS RS 2011, 7256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7256

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B 8 SO 66/21 B

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