Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2016, Az. 1 StR 99/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8965

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:300616B1STR99.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 99/16

vom
30. Juni
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. auf dessen Antrag

am 30.
Juni 2016 gemäß §
349 Abs.

2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juli 2015 im Strafausspruch aufge-hoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang
der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in
zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Drei Monate hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensver-zögerung für vollstreckt erklärt und die Anrechnung in [X.] erlittener Unter-suchungshaft im Maßstab
1:1 ausgesprochen. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den Gründen der Antrags-schrift des [X.] als erfolglos. Ergänzend bemerkt der Senat:
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a) Soweit die Revision die Ablehnung der Beweisanträge, die in Kasach-stan ansässigen Zeugen K.

und S.

im Wege der Rechtshilfe mit-tels Videokonferenz zu vernehmen, als fehlerhaft rügt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf.
Ein Rechtsfehler ist bereits deswegen auszuschließen, weil beide [X.] eine audiovisuelle Vernehmung abgelehnt haben. Der Zeuge K.

hat ausdrücklich erklärt, an einer audiovisuellen Vernehmung nicht teilzuneh-men.
Hinsichtlich des Zeugen S.

kommt das [X.] rechtsfehlerfrei
zu dem Ergebnis, dass dieser für eine audiovisuelle Vernehmung durch ein [X.] Gericht nicht zur Verfügung stand;
er hatte
nämlich
erklärt,
allenfalls einer Vernehmung durch ein kasachisches Gericht zuzustimmen. Der Zeuge S.

hat mit
Schreiben vom 19. Juni 2015 ß-en Gericht der [X.] unter [X.] seines Rechtsanwaltes bereit sei, als Zeuge auszusagen. Das [X.] durfte aus dieser Erklärung ohne weiteres schließen, dass jede andere Form der Vernehmung für den Zeugen nicht in Betracht kam.
b) Auch die Rüge, der Beweisantrag auf Vernehmung der Dolmetscherin Sa.

als Zeugin über den Inhalt ihrer Telefonate mit dem Zeugen K.

sei fehlerhaft abgelehnt worden, bleibt ohne Erfolg.
Es lag bereits kein ordnungsgemäßer Beweisantrag vor. Vielmehr [X.] es sich bei dem Antrag vom 21. Mai 2015 um einen Beweisermittlungsan-trag, dessen Ablehnung hier nur mit einer zulässigen Aufklärungsrüge bean-standet werden kann.
Zutreffend hat der [X.] ausgeführt, dass ein
Beweisan-trag hätte darlegen müssen, welche tatsächlichen Umstände die Kammer zur 3
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Prüfung drängen mussten, dass das Telefonat zwischen der Dolmetscherin und dem Zeugen K.

vom 14. April 2015 einen völlig anderen Inhalt hatte als
schriftlich niedergelegt. Dies
gilt
umso mehr,
als die vereidigte Dolmetscherin in ihrer dienstlichen Stellungnahme die Behauptungen des Angeklagten, die [X.] zwischen ihr und dem Zeugen K.

hätten einen anderen Inhalt

2.
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
Das [X.] hat für beide Fälle der Steuerhinterziehung in den [X.] 2003 und 2004 den Strafrahmen für besonders schwere Fälle Steuerschadens von mehr als 150.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2003 und von mehr als 660.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2004 [X.].
Die [X.] hat dabei aber übersehen, dass sich § 370 Abs. 3 Satz
2 Nr. [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert hatte
(Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung
der Richtlinie 2006/24/[X.], [X.]
I 2007, 3198). Für vor dem 1. Januar 2008 begangene Taten bedarf es zusätzlich zum großen Ausmaß

noch eines Handelns aus grobem Eigen-nutz.
Angesichts der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die [X.] und 2004 am 2. Mai 2006 bei
dem zuständigen Fi-nanzamt, kommt die Anwendbarkeit von § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. [X.] aF in Betracht, falls
die Taten bis zum 31. Dezember 2007 beendet wurden (§ 2 Abs.
1, 2 StGB). Ob dies der Fall war, kann nicht beurteilt werden, da das 9
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[X.] keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der [X.] getroffen hat.
a) Bei Veranlagungssteuern

wie hier der Einkommensteuer

ist der durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung verursachte Erfolg der Steuerverkürzung eingetreten und die Straftat damit vollendet, wenn auf Grund der unrichtigen Erklärung die Steuer zu niedrig festgesetzt und dies dem Steu-erpflichtigen bekannt gegeben worden ist. In diesem Zeitpunkt ist die Tat zu-gleich beendet ([X.], Beschlüsse vom 25. April 2001

5 [X.], [X.], 309, 310 und vom 7. Februar 1984

3 StR 413/83, [X.], 142; [X.] in [X.]/[X.]/Randt, Steuerstrafrecht,
8. Aufl., § 376 Rz. 26).
b) Sollte die Tat vor dem 1. Januar 2008 beendet worden sein, wird das Gericht zu prüfen haben, ob der Angeklagte grob eigennützig gehandelt hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter sein Verhalten von dem Streben nach Vorteil in besonders anstößigem Maße hat leiten lassen. Dabei muss das Gewinnstre-ben des [X.] das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (vgl. [X.], Urteile vom 1. August 1984

2 StR 220/84, [X.]St 33, 35
[nicht abgedruckt]; vom 20. November 1990

1 StR 548/90, wistra 1991, 106; vom 23. Januar 1991

3 [X.], [X.]R [X.] § 370 Abs.
3 Nr. 1 Eigennutz
4 und vom 24. Juli 1985

3 [X.], wistra 1985, 228). Erforderlich ist eine vom Tatgericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände, namentlich der vom Täter gezogenen Vorteile, der Art,
Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung und des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. Diese Umstände müssen im Zusammenhang gesehen und daraufhin überprüft werden, ob sie den Schluss auf groben Eigennutz des [X.] rechtfertigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. Juni 1990

3 StR 471/89, [X.]R [X.] § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 3 und vom 13. Juni 2013

1 [X.], [X.]R
[X.] § 370 Abs.
3 Nr.
1 Eigennutz 5).

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c) Sollte die [X.] groben Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. [X.] aF nicht feststellen können, kann
ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in Betracht kommen (vgl. [X.], Urteil
vom 21. August 2012

1 [X.], wistra
2013, 28, 30; Beschluss vom 22.
September 2008

1 [X.], [X.], 159; [X.] in [X.], [X.], 13.
Aufl., § 370 Rn. 277).
d) Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht be-troffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie [X.] um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht entgegenstehen.
3. Die Aufhebung des
Urteils durch das Revisionsgericht im Straf-ausspruch
lässt die angeordnete
Kompensation für die eingetretene rechts-staatswidrige Verfahrensverzögerung unberührt
([X.], Urteil vom 27. August 2009

3 [X.], [X.]St 54, 135; Beschlüsse vom 16. März 2016

1 [X.] und vom 22. Januar 2013

1 [X.], [X.]St 58, 115).
Etwaige weitere Verzögerungen wird das neue Tatgericht gegebenenfalls ergänzend zu berücksichtigen haben.
Raum

Cirener

Mosbacher

Fischer

Bär
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17

Meta

1 StR 99/16

30.06.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2016, Az. 1 StR 99/16 (REWIS RS 2016, 8965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8965

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 99/16

1 StR 226/13

1 StR 257/12

1 StR 402/15

1 StR 234/12

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