Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.06.2013, Az. 9 C 5/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 5138

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Tatbestand

1

Der Kläger, ein eingetragener gemeinnütziger Verein, führte an öffentlichen Schulen Maßnahmen zur beruflichen Orientierung der Schüler durch. Die Maßnahmen setzten sich aus den Modulen Interessenserkundung, Berufsfelderkundung, Kompetenzfeststellung und Bewerbungstraining zusammen. Sie sind eingebunden in weitere, von den Schulen selbst vorgenommene Maßnahmen, mit denen die Schüler in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf zu einer fundierten Berufswahl befähigt werden sollen.

2

Der Beklagte lehnte den Antrag des [X.] auf Erteilung einer - für die Befreiung von der Umsatzsteuer notwendigen - Bescheinigung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Durchführung der Berufsorientierung ab. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Erteilung der Bescheinigung verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung auf die Berufung des Beklagten geändert und die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Voraussetzung für die Erteilung einer Bescheinigung sei nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG u.a., dass die Leistungen der privaten Einrichtung "auf einen Beruf vorbereiten". Von "Berufsvorbereitung" könne nur bei Leistungen gesprochen werden, die der Vermittlung spezieller, für die Ausübung bestimmter Berufe notwendiger Kenntnisse und Fertigkeiten dienten. Bei den vom Kläger durchgeführten Maßnahmen der Berufsorientierung handle es sich hingegen um Hilfen zur - der "Berufsvorbereitung" zeitlich vorgelagerten - Berufswahl. Der Zweck des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG gebiete ebenfalls keine Ausweitung der steuerlichen Begünstigung auf die Berufswahlvorbereitung. Mit der Steuerbefreiung solle neben der Förderung der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung die steuerliche Gleichbehandlung der privaten und der nach § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegenden öffentlichen Schulen herbeigeführt werden. Dieser Zweck greife hier nicht, weil Hilfen zur beruflichen Orientierung nicht zum "klassischen" Bestandteil der Schulausbildung gehörten, sondern von den Schulen in Kooperation mit anderen Trägern erbracht würden. Gegen eine erweiternde Auslegung spreche außerdem die Zweistufigkeit des Verfahrens, nämlich die Entscheidung der zuständigen Landesbehörde über die vorliegend in Rede stehende Erteilung der Bescheinigung einer ordnungsgemäßen Aus- und Fortbildung auf der ersten Stufe und die nachfolgende, der Finanzverwaltung obliegende Entscheidung über die Umsatzsteuerbefreiung selbst auf der zweiten Stufe. Mit dieser Zweistufigkeit solle das spezifische Fachwissen der zuständigen Landesbehörde nutzbar gemacht werden, die im Unterschied zur Finanzverwaltung über die für eine Beurteilung der "Ordnungsgemäßheit" der Aus- und Fortbildung notwendigen Informationen und Kenntnisse verfüge. Diese Verfahrensgestaltung sei nur sinnvoll, soweit für einen bestimmten Beruf ein Ausbildungskanon vorhanden sei, mit dem die von der privaten Einrichtung erbrachte Leistung verglichen werden könne. Daran fehle es bei Maßnahmen, die lediglich der Vorbereitung der Berufswahl dienten. Auch Unionsrecht zwinge nicht zur Erteilung der begehrten Bescheinigung. Dabei könne offenbleiben, ob Maßnahmen privater Einrichtungen zur Vorbereitung der Berufswahl als solche oder als eng mit dem Schulunterricht verbundene Dienstleistungen nach der [X.] von der Umsatzsteuer befreit werden müssten. Denn eine diesem unionsrechtlichen Anspruch Rechnung tragende richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG komme nicht in Betracht, weil sie weder mit dem Wortlaut der Vorschrift ("Berufsvorbereitung") noch mit Sinn und Zweck der [X.] vereinbar wäre.

3

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision u.a. vor: Es bestehe ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung, weil Maßnahmen zur Vorbereitung der Berufswahl nach dem [X.] Schulgesetz zu den Aufgaben der Schule gehörten. Außerdem unterfielen sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dem Begriff des "Schulunterrichts" i.S.d. [X.] und seien daher von der Umsatzsteuer zu befreien.

4

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 5. Oktober 2011 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2010 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

5

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und stellt den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des [X.] stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

Gemäß § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und [X.] dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen [X.]eruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Das [X.] hat angenommen, für die der beruflichen Orientierung der Schüler bzw. deren Vorbereitung auf die [X.]erufswahl dienenden Leistungen des [X.] könne eine [X.]escheinigung nicht erteilt werden. Dem Tatbestandsmerkmal "Vorbereitung auf einen [X.]eruf" unterfielen nur solche Leistungen privater Einrichtungen, die einen [X.]ezug zu einem bestimmten [X.]eruf aufweisen. Das trifft nicht zu. Vielmehr ist § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG nach Sinn und Zweck der Vorschrift (1.) und unter [X.]erücksichtigung des unionsrechtlichen Effektivitätsprinzips (2.) erweiternd dahin auszulegen, dass auch Leistungen privater Einrichtungen erfasst sind, die der "beruflichen Orientierung" bzw. der "Vorbereitung auf die Wahl eines [X.]erufs" dienen (Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 3. Dezember 1976 - [X.] 7 C 73.75 - [X.] 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3).

9

1. Die [X.]efreiung der schulischen und beruflichen Ausbildung durch Privatschulen und andere vergleichbare [X.]ildungseinrichtungen von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) UStG bezweckt - neben der Förderung solcher Leistungen - deren steuerliche Gleichbehandlung mit den nach § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegenden öffentlich-rechtlichen [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2003 - [X.]/02 - [X.]E 204, 355 <359> m.w.N.; vgl. auch [X.], Urteil vom 4. Mai 2006 - [X.] 10 C 10.05 - [X.] 401.2 § 4 UStG Nr. 2 Rn. 17 und [X.]eschluss vom 31. Juli 2008 - [X.] 9 [X.] 80.07 - [X.] 401.2 § 4 UStG Nr. 5 Rn. 9 zu § 4 Nr. 20 [X.]uchst. a) UStG). Dieses Ziel umsatzsteuerlicher Gleichbehandlung der in gleicher Weise von öffentlich-rechtlichen und von privaten [X.] erbrachten Leistungen wird verfehlt, wenn die [X.]escheinigung nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG nur für Leistungen erteilt wird, die der Vorbereitung auf einen bestimmten [X.]eruf dienen. Die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nehmen jedenfalls in der Phase des Übergangs der Schüler von der Schule in den [X.]eruf mittlerweile Aufgaben wahr, die über den "klassischen" Schulunterricht hinausgehen. Nach § 5 Abs. 2 SchulG [X.] sollen die Schulen in gemeinsamer Verantwortung mit den dort bezeichneten Trägern Hilfen zur beruflichen Orientierung geben. Die berufliche Orientierung von Schülern gehört zu den Aufgaben der Schule (vgl. [X.] 14/1572 S. 79). Die Veranstaltungen der [X.]erufsorientierung in der Schule sind demgemäß [X.]estandteil des Schulunterrichts; die Schule ermöglicht die Durchführung von Gruppenveranstaltungen, individuellen [X.]eratungsgesprächen sowie Eignungsuntersuchungen auch während der Unterrichtszeit im Einvernehmen mit der Schule (Runderlass des [X.] vom 6. November 2007 - A[X.]l. [X.]. 12/07). Damit stellt die Aufgabe der beruflichen Orientierung der Schüler ein [X.]indeglied zwischen "klassischer" Schulausbildung und anschließender [X.]erufsausbildung dar. Die vom Kläger durchgeführten berufsorientierenden Maßnahmen decken einen Teil dieses den Schulen zugewachsenen Aufgabenbereichs ab, den die Schulen in anderen [X.]undesländern nach den unbestrittenen Angaben des Vertreters des [X.] in der mündlichen Verhandlung selbst durch entsprechend geschulte Lehrer wahrnehmen.

Aufgrund dieser Erweiterung des [X.]ildungsauftrags der Schulen ist es gerechtfertigt und mit [X.]lick auf die vom Gesetzgeber bezweckte steuerrechtliche Gleichbehandlung von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in öffentlich-rechtlicher und privater Trägerschaft geboten, das Merkmal "Vorbereitung auf einen [X.]eruf" in § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG erweiternd auszulegen. Nicht nur die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind, sondern auch die Vorbereitung auf einen [X.]eruf schlechthin ist als steuerrechtlich begünstigte [X.]erufsvorbereitung zu verstehen (Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 3. Dezember 1976 a.a.[X.]). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der [X.]escheinigung nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG um einen für das weitere Verfahren verbindlichen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO handelt (vgl. [X.], Urteil vom 20. August 2009 - [X.]/08 - [X.]E 226, 479 <484 f.>). Lehnt die zuständige Landesbehörde die Erteilung der [X.]escheinigung für bestimmte Leistungen einer privaten Einrichtung ab, ist die Finanzverwaltung auch dann gehindert, diese Leistungen als umsatzsteuerfrei zu behandeln, wenn sie in gleicher Weise von öffentlich-rechtlichen, der Umsatzsteuer nicht unterliegenden [X.]ildungsträgern erbracht werden (vgl. [X.], Urteil vom 23. August 2007 - [X.] - [X.]E 217, 327 <330 f.>; [X.], Urteil vom 4. Mai 2006 a.a.[X.] Rn. 21 zur [X.]escheinigung nach § 4 Nr. 20 [X.]uchst. a) UStG).

Die jeder Auslegung gesetzte [X.] steht der Erteilung einer [X.]escheinigung für Leistungen zur Vorbereitung der [X.]erufswahl nicht entgegen. Denn unter "Vorbereitung auf einen [X.]eruf" i.S.d. § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG kann nach dem Wortsinn auch die Vorbereitung "auf irgendeinen [X.]eruf" oder "auf das [X.]erufsleben" verstanden werden (vgl. bereits [X.], Urteil vom 22. Oktober 2010 - 7 K 1519/09 - juris Rn. 43 ff.). Auch der verfahrensrechtliche Zweck der Vorschrift, auf einer ersten, der Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung vorgelagerten Stufe das spezifische Fachwissen der zuständigen Landesbehörde über die ordnungsgemäße schulische und berufliche Ausbildung zu nutzen, erfordert nicht, den Anwendungsbereich des [X.]escheinigungsverfahrens auf Leistungen zur Vorbereitung auf einen bestimmten [X.]eruf zu beschränken. Die [X.] ist nicht nur dann sinnvoll, wenn es um die fachkundige [X.]eurteilung geht, ob die Leistungen der privaten Einrichtung gemessen an einem bestimmten Ausbildungskanon oder einer bestimmten Prüfungsordnung öffentlich-rechtlicher Träger "ordnungsgemäß" sind, wie das [X.] meint. Vielmehr sind auch für die [X.]eantwortung der Frage, ob die hier in Rede stehenden Maßnahmen der [X.]erufsorientierung ebenso wie die die Maßnahmen anbietende (private) Einrichtung und das von ihr eingesetzte Personal die erforderliche Eignung aufweisen, um die Ziele der im [X.]ereich der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung tätigen öffentlich-rechtlichen Träger in vergleichbarer Weise zu erfüllen, spezifische Kenntnisse über deren Unterrichtsinhalte und deren Praxis hilfreich, wie sie bei der zuständigen Landesbehörde, nicht aber bei der Finanzverwaltung vorliegen. Zwar mag dieser Gesichtspunkt hier unschwer zu klären sein, weil die Leistungen des [X.] zur Vorbereitung der Schüler auf die [X.]erufswahl in die von der Schule selbst durchgeführten Maßnahmen der [X.]erufsorientierung eingebunden sind. Anders liegt es jedoch, wenn eine allein von einer privaten Einrichtung verantwortete und in ihren Räumen durchgeführte Maßnahme an der Praxis öffentlich-rechtlicher Einrichtungen zu messen ist.

2. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des [X.]escheinigungsverfahrens auf Leistungen zur beruflichen Orientierung ist - unter [X.]erücksichtigung des Zwecks der in § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) UStG normierten [X.] - durch das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip geboten.

Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip sind nationale Rechtsvorschriften so weit wie möglich dahin auszulegen, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren ([X.], Urteile vom 2. Oktober 2003 - [X.]. [X.]/01, [X.] u.a. - Slg. 2003, [X.] Rn. 103, 117 und vom 13. März 2007 - [X.]. [X.]/05, [X.] - Slg. 2007, [X.] Rn. 43 f.; st[X.]pr). Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der [X.]escheinigung nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG um einen für die Finanzverwaltung verbindlichen Grundlagenbescheid. Daher sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift bis hin zur [X.] so auszulegen, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ([X.]) ein Anspruch auf [X.]efreiung von der Umsatzsteuer in [X.]etracht kommt, eine [X.]escheinigung erteilt werden kann. Dadurch wird zugleich dem Zweck der [X.] möglichst weitgehend Rechnung getragen, dass vor der eigentlichen Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung zunächst die zuständige Landesbehörde ihr spezifisches Fachwissen über die Leistungsinhalte der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen einbringt. Wie in Fällen zu verfahren ist, in denen der Wortlaut des § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG einer Anwendung des [X.]escheinigungsverfahrens auf Leistungen entgegensteht, die unionsrechtlich von der Umsatzsteuer zu befreien sind, bedarf keiner Erörterung; wie bereits ausgeführt, wird die [X.] bezogen auf die hier in Rede stehenden Leistungen nicht überschritten (zur unmittelbaren Anwendung des Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) [X.] durch die Finanzverwaltung vgl. [X.], Urteile vom 21. März 2007 - [X.]/04 - [X.]E 217, 59 <61 f.>, vom 10. Januar 2008 - [X.]/06 - [X.]E 221, 295 <298> und vom 24. Januar 2008 - [X.] - [X.]E 221, 302 <306 f.>).

Es kann keine vernünftigen Zweifel darüber geben, dass Leistungen der beruflichen Orientierung bzw. zur Vorbereitung auf die Wahl eines [X.]erufs unter den [X.]egriff des "Schulunterrichts" i.S.d. Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) [X.] fallen können und damit von der Umsatzsteuer zu befreien sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist der autonome unionsrechtliche [X.]egriff des "Schul- und [X.]" zur Vermeidung einer mit [X.]lick auf die unterschiedliche Gestaltung der jeweiligen Unterrichtssysteme von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems nicht eng auszulegen. Der [X.]egriff beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer [X.]erufstätigkeit vermittelt. Vielmehr schließt er andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben ([X.], Urteile vom 14. Juni 2007 - [X.]. [X.]/05, [X.]. 2007, [X.] Rn. 24, 26 und vom 28. Januar 2010 - [X.]. [X.]/08, [X.] - Slg. 2010, [X.] Rn. 29 f.). Einzelne "in Schulen" geleistete Hilfen zur beruflichen Orientierung wie etwa das - auch vom Kläger durchgeführte - "[X.]ewerbungstraining" oder die Vermittlung von Kenntnissen über das Verhalten bei Vorstellungsgesprächen, über bestimmte [X.]erufsfelder oder über die Arbeitsmarktsituation stellen nach der weiten Auslegung durch den Gerichtshof der [X.] zweifellos "Schulunterricht" dar. Es spricht einiges dafür, dass das auch für die vom Kläger angebotenen Module der Interessens- und [X.]erufsfelderkundung sowie der Kompetenzfeststellung zutrifft. Denn bei diesen Testverfahren geht es nicht nur um die bloße Feststellung bereits vorhandener Kompetenzen und Neigungen der Schüler. Diese sollen vielmehr dazu befähigt werden, die Kenntnisse über ihre eigenen Kompetenzen und Interessen zielorientiert bei der [X.]erufswahl einzusetzen.

Letztlich kann diese Frage jedoch offenbleiben. Entscheidend ist mit [X.]lick auf das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip, dass für Maßnahmen, die der Vorbereitung der [X.]erufswahl dienen, ein Anspruch auf Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) [X.] bestehen kann. Es bedarf auch mit [X.]lick auf die Harmonisierung der Umsatzsteuerbefreiung innerhalb der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2007 a.a.[X.] Rn. 17 und 26) keiner Klärung, ob bei sämtlichen Maßnahmen, die im Rahmen beruflicher Orientierung erbracht werden können, die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) [X.] für eine Steuerbefreiung vorliegen. Denn die [X.]escheinigung nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG trifft keine verbindliche Entscheidung darüber, ob die Leistungen der privaten Einrichtung, auf die sie sich bezieht, nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer zu befreien sind oder nicht. Diese Frage unterliegt vielmehr der nachfolgenden eigenständigen Prüfung durch die Finanzverwaltung (vgl. [X.], Urteile vom 24. Januar 2008 a.a.[X.] S. 307 ff. und vom 10. Januar 2008 a.a.[X.] S. 298 ff.; zur Abgrenzung des [X.] der [X.]escheinigung von den weiteren in § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) UStG genannten Voraussetzungen vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 1976 - [X.] 7 C 73.75 - [X.] 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 4 und [X.], Urteil vom 3. Mai 1989 - [X.]/84 - [X.]E 157, 458 <462 f.>). Zur Klarstellung sei angemerkt, dass der Antrag auf Erteilung einer [X.]escheinigung für Leistungen der beruflichen Orientierung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 [X.]uchst. i) [X.] für eine [X.]efreiung von der Umsatzsteuer offensichtlich nicht vorliegen (vgl. auch Urteil vom 23. März 1973 - [X.] 4 C 49.71 - [X.]E 42, 115 <117>; [X.]eschluss vom 20. Juli 1993 - [X.] 4 [X.] 110.93 - NVwZ 1994, 482 <483>).

3. Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Erteilung einer [X.]escheinigung ist nach § 4 Nr. 21 [X.]uchst. a) bb) UStG des Weiteren die "Ordnungsgemäßheit" der von ihm durchgeführten Leistungen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Leistungen objektiv geeignet sind, der "Vorbereitung auf einen [X.]eruf" zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht werden und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen (Urteil vom 3. Dezember 1976 a.a.[X.] S. 3). Das [X.] hat keine Feststellungen zum Vorliegen dieser qualitativen Anforderungen getroffen; die [X.]eteiligten haben den insoweit relevanten Sachverhalt auch nicht im Revisionsverfahren unstreitig gestellt. Somit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Klärung dieser Frage an das [X.] zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Meta

9 C 5/12

12.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Oktober 2011, Az: 14 A 2577/10, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.06.2013, Az. 9 C 5/12 (REWIS RS 2013, 5138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5138

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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