Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2016, Az. AnwZ (Brfg) 10/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 9687

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:200616UANWZ.[X.]RFG.10.15.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 10/15

Verkündet am:

20. Juni 2016

[X.]oppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 43c Abs. 4; [X.] § 15
Ein nur auf der eigenen Homepage veröffentlichter Fachbeitrag ist keine wissen-schaftliche Publikation, mit der ein Fachanwalt seine Fortbildungspflicht erfüllen kann.
[X.], Urteil vom 20. Juni 2016 -
AnwZ ([X.]) 10/15 -
[X.]

wegen Widerrufs der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung

-
2
-
Der [X.], [X.],
hat auf die mündliche [X.] vom 20. Juni
2016
durch [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.] sowie die Rechtsanwälte
Dr. [X.] und Dr. Wolf

für Recht erkannt:

Auf die [X.]erufung der [X.]eklagten wird das Urteil des I.
Senats des [X.] vom 8. Dezember 2014 aufgeho-ben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Der Streitwert
wird auf 12.500

festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelas-sen. Mit [X.]escheid vom 17.
Februar 2011 wurde ihm die [X.]efugnis verliehen, die [X.]ezeichnung "Fachanwalt für Informationstechnologierecht"
zu führen. Im Jahre 2011 wies er zwei in der Zeitschrift ""
veröffent-lichte Aufsätze nach und verwies auf zwei weitere [X.]eiträge, die auf seiner Homepage einzusehen
waren. Die [X.]eklagte erkannte dies als Fortbildung an. Im Zeitraum Oktober
2012
bis Januar 2013
stellte der Kläger drei weitere [X.]ei-1
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-
träge auf seiner Homepage ein und zeigte dies der [X.]eklagten an. [X.] zufolge hat er auf den ersten [X.]eitrag 5,75 Stunden verwandt, auf den zweiten [X.]eitrag 10,5 Stunden. Der dritte [X.]eitrag sei mit einem Aufwand von 2 Stunden am 31.
Dezember 2012 begonnen und im Januar 2013 abgeschlossen worden.

Die [X.]eklagte meint, der Kläger sei seiner Fortbildungspflicht im Jahre 2012 nicht nachgekommen. Mit [X.]escheid vom 22.
Mai 2014, zugestellt am 26.
Mai 2014,
widerrief sie deshalb die dem Kläger zuvor erteilte Erlaubnis, die
[X.]ezeichnung "Fachanwalt für Informationstechnologierecht"
zu führen.

Gegen diesen [X.]escheid hat der Kläger rechtzeitig Anfechtungsklage er-hoben. Er hat beantragt,

den Widerrufsbescheid der [X.]eklagten vom 22. Mai 2014 aufzuhe-ben.

Die [X.]eklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Anwaltsgerichtshof
hat
den Widerrufsbescheid aufgehoben und die [X.]erufung zugelassen. [X.]eide Parteien halten an ihren im Verlauf des bisherigen Verfahrens geäußerten [X.] fest. Die [X.]eklagte beantragt,

das Urteil des [X.] vom 8.
Dezember 2014 -
1
[X.] 7/14
-
aufzuheben und die Klage abzuweisen.

2
3
4
-
4
-
Der [X.]eklagte beantragt,

die [X.]erufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen [X.]ezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige [X.]erufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung
der Klage.

1. Gemäß §
43c Abs.
4 Satz 2 [X.]
kann die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden, wenn eine in der [X.]erufungsord-nung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird. Nach §
15 [X.]
in der bis zum 1.
Januar 2015 geltenden Fassung (fortan: §
15 [X.])
musste
jeder, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, jährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen. Die Gesamtdauer der Fortbildung darf zehn Zeitstunden nicht unterschreiten. Die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen.

2.
Die Vorschriften des §
43c Abs.
4 Satz 2 [X.] und des §
15 [X.]
verstoßen
nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Verfas-sungsrecht.

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5
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a) Mit den Vorschriften zur Erlangung und zum Erhalt der Fachanwalts-bezeichnung haben der Parlamentsgesetzgeber in §
43c [X.] und der von
ihm ermächtigte [X.] in der Fachanwaltsordnung Regelungen getrof-fen, die der freien anwaltlichen [X.]erufsausübung Schranken im Sinne des Art.
12 Abs. 1 Satz 2 GG setzen. Hierbei verfolgen die Regelungen über die Fachanwaltsbezeichnungen mit dem Schutz der funktionsfähigen Rechtspflege ein hinreichend legitimes Ziel. Die [X.]ezeichnung "Fachanwalt"
erweckt bei den Rechtsuchenden die Erwartung besonderer, in einem formalisierten Verfahren nachgewiesener theoretischer und praktischer Fachkenntnisse. Durch
die strengen gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben zum Erwerb und Er-halt der Fachanwaltsbezeichnung wird das im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege liegende Vertrauen der Öffentlichkeit in die besondere Qualifikati-on der die Fachanwaltsbezeichnungen führenden Rechtsanwälte geschützt ([X.],
NJW 2015, 394
Rn. 19
mwN; [X.], [X.]eschluss vom 5.
Mai 2014 -
AnwZ
([X.]) 76/13, [X.]. 2014, 212 Rn. 8). Dadurch, dass [X.], welche die ihnen verliehene Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbe-zeichnung behalten wollen, dazu angehalten werden, auf ihrem Fachgebiet jährlich an mindestens einer Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilzunehmen, wobei die Gesamtdauer der Fortbildung zehn Zeitstunden nicht unterschreiten darf, werden
sie in ihrer beruflichen [X.]etätigung im Allgemeinen nicht empfindlich beeinträchtigt, zumal jeder Rechtsanwalt gemäß §
43a Abs.
6 [X.] verpflichtet ist, sich fortzubilden ([X.], [X.]eschluss vom 6.
November 2000 -
AnwZ
([X.]) 78/99, NJW 2001, 1571, 1572
zu §
14 [X.] a.F.).
Die
zwi-schenzeitlich eingeführte, nämlich in der Sitzung
der Zweiten Satzungsver-sammlung
vom 25./26.
April 2002 beschlossene
und seit dem 1.
Januar 2003 geltende
Möglichkeit, die Fortbildung durch wissenschaftliche Publikationen nachzuweisen,
stellt gegenüber §
14 [X.] a.F.
keine zusätzliche [X.]elastung dar.

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6
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b) Entgegen der Ansicht des [X.] können [X.]erufsausübungsregelun-gen einschließlich derjenigen des §
15 [X.] in Satzungen öffentlich-rechtlicher [X.]erufsverbände enthalten sein. Das zulässige Ausmaß von [X.]eschränkungen der [X.]erufsfreiheit hängt vom Umfang und Inhalt der den [X.]erufsverbänden vom Gesetzgeber erteilten Ermächtigung ab. Dieser muss bei Überantwortung der [X.] die durch Satzungsrecht möglichen Einschränkungen dann deutlich vorgeben, wenn die [X.]erufsangehörigen in ihrer freien beruflichen [X.]etätigung empfindlich beeinträchtigt werden. Angesichts der gemäß §
43a Abs.
6 [X.] jeden Rechtsanwalt treffenden Fortbildungspflicht stellen die Vor-gaben des §
15 [X.], die nur Art und
Umfang der Fortbildungspflicht eines Fachanwalts näher bestimmen und ihm aufgeben, die Erfüllung dieser Pflicht unaufgefordert nachzuweisen, keine empfindliche [X.]eeinträchtigung der [X.]erufs-ausübung eines Fachanwalts dar
([X.], [X.]eschluss vom 6.
November 2000,
aaO).

c) Die [X.]eschränkung auf die dozierende oder hörende Teilnahme an [X.] anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung oder das wissenschaftliche Publizie-ren unter Ausschluss anderer denkbarer Arten von Fortbildung verstößt entge-gen der Ansicht des [X.] nicht gegen Art.
3 Abs.
1 GG.

aa) Dass eine wissenschaftliche Publikation eine vertiefte [X.]efassung mit der in ihr behandelten Rechtsmaterie voraussetzt und daher
grundsätzlich
ge-eignet ist, den Nachweis eines (weiterhin) hohen Qualitätsstandards zu erbrin-gen, zieht der Kläger nicht in Zweifel
(vgl. hierzu
auch
[X.], [X.]eschluss vom 2.
April 2001 -
AnwZ
([X.]) 37/00, NJW 2001, 1945, 1946
zu §
14 [X.] a.F.).
Auch die hörende oder
dozierende Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung ist grundsätzlich geeignet, eine gleichbleibende Leistungsfähigkeit der [X.] zu gewährleisten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 2.
April 2001, aaO).
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12
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7
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Entgegen der Ansicht des [X.] muss
sich die Teilnahme an einer Fortbil-dungsveranstaltung nicht in der passiven Entgegennahme fremden Wissens erschöpfen. Jede derartige Veranstaltung bietet Möglichkeiten zu Fragen an den Referenten, zu Diskussionen im Plenum oder in Pausengesprächen und zum Erfahrungsaustausch in größerem oder kleinerem Kreis. Es mag -
wie der Kläger sehr ausführlich darlegt
-
Teilnehmer von
anwaltlichen Fortbildungen geben, die
Zeitung lesen, Speisen und Getränke zu sich nehmen, einschlafen
oder sich nach Abzeichnung der Anwesenheitsliste entfernen.
Allein die Mög-lichkeit, einem Fachvortrag nicht zu folgen, sich nicht an Diskussionen zu betei-ligen und nicht das Gespräch mit den anderen Teilnehmern oder den Dozenten zu suchen, heißt jedoch nicht, dass eine Fortbildungsveranstaltung zur Quali-tätssicherung nicht geeignet ist. Auch wissenschaftliche Publikationen
können im Einzelfall wertlos sein, etwa weil der Fachanwalt nur abgeschrieben oder einen Dritten mit der Abfassung der dann unter seinem, des Anwalts, Namen veröffentlichten Arbeit beauftragt hat. [X.] gibt es in dem einen wie dem anderen Fall.

bb) Eine vertiefte [X.]efassung mit dem jeweiligen Fachgebiet ist auch [X.] als durch den [X.]esuch einer Fortbildungsveranstaltung oder durch eine wissenschaftliche Publikation möglich. Der Fachanwalt kann, wie der Kläger ausführlich dargelegt
hat, mit Gewinn Fachzeitschriften lesen und auswerten. Diese Tätigkeit fällt jedoch schon unter die allgemeine Fortbildungspflicht
des §
43a Abs.
6 [X.]. Auch die [X.]earbeitung von Fällen hat in der Regel zur Fol-ge, dass der Anwalt sich mit Rechtsfragen befasst. Je nach Lage des Falles können Schriftsätze, die eine offene Rechtsfrage im Sinne des Mandanten zu beantworten
oder eine Änderung der bisherigen
Rechtsprechung zu erreichen suchen, umfangreiche Recherchen sowie einen hohen zeitlichen und gedankli-chen Aufwand verlangen. Die Fertigung entsprechender Schriftsätze stellt [X.]
-
8
-
doch gleichfalls keine Fortbildung i.S.v.
§
15 [X.] dar. Schließlich werden
Ar-tikel in Tages-
oder Werbezeitungen, Zeitschriften oder sonstigen "unwissen-schaftlichen"
Medien
unabhängig von ihrem Inhalt nicht als Fortbildung aner-kannt.
Fachliche [X.]etätigungen eines Fachanwalts werden damit unabhängig von ihrer grundsätzlichen Eignung zur Fortbildung des Anwalts nur teilweise
zum Nachweis der satzungsrechtlich vorgeschriebenen Fortbildung
zugelassen.

Ihre Rechtfertigung findet diese Ungleichbehandlung in der formalisierten Natur der Verleihung und [X.]elassung des [X.]. Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit das rechtsuchende Publi-kum auf Spezialkenntnisse hin, über welche er
typischerweise
im Unterschied zu Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14.
Mai 1990 -
AnwZ
([X.]) 4/90, [X.]Z 111, 229, 231; Urteil vom 25.
November 2013 -
AnwZ
([X.]) 44/12, NJW-RR 2014, 751 Rn. 11; [X.]eschluss vom 5.
Mai 2014 -
AnwZ
([X.]) 76/13, [X.]. 2014, 212 Rn.
8
mwN). [X.]eim rechtsuchenden Publikum erweckt die Fachanwaltsbezeichnung die Erwartung besonderer, in einem formalisierten Verfahren nachgewiesener theoretischer und praktischer Kenntnisse ([X.],
NJW 1992, 493; 1992, 816; NJW 2007, 1945).

Was für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung gilt, gilt ebenso für die Fortbildungspflicht als die Voraussetzung dafür, dass die [X.] weiterhin geführt werden darf.
Es entspricht der verständigen Erwartung der Rechtsuchenden, dass der Fachanwalt seine spezifischen Kenntnisse je-weils auf dem neuesten Stand hält. Nur durch ständige fortlaufende Fortbildun-gen ist gewährleistet, dass Änderungen
der Gesetzeslage und Rechtsprechung sowie neuere Literatur Einzug in die [X.]eratung der Fachanwälte finden ([X.], [X.]eschluss vom 5.
Mai 2014 -
AnwZ
([X.]) 76/13, [X.]. 2014, 212 Rn. 8).
14
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9
-
Der Nachweis, dass der Fachanwalt sich fortgebildet hat,
ist nach §
15 [X.] formalisiert durch die im Grundsatz hierfür geeigneten Fortbildungsmittel der [X.] oder hörenden Teilnahme an anwaltlichen Fortbildungsveranstal-tungen oder der einschlägigen wissenschaftlichen Publikation geführt. [X.]eiden Fortbildungsarten ist gemeinsam, dass sie
den einzelnen Fachanwalt nicht übermäßig belasten und zugleich
in der Fachöffentlichkeit stattfinden; sie kön-nen
deshalb vergleichsweise einfach nachgewiesen werden.
Ob ein Fachanwalt regelmäßig Fachzeitschriften liest,
könnte am ehesten
in einem Fachgespräch kontrolliert werden, während Veröffentlichungen, die den oben dargelegten wis-senschaftlichen Anforderungen nicht genügen,
einzeln
inhaltlich geprüft werden
müssten. [X.]eides setzte
zusätzlichen Aufwand voraus, der in einem formalisier-ten Verfahren nicht geleistet werden muss.
Dass die Art der in § 15 [X.] zuge-lassenen Fortbildungen
auch danach bestimmt worden ist, wie die Einhaltung der Fortbildungspflicht kontrolliert werden kann, zeigt die Neufassung des §
15 [X.]. Nach §
15 Abs. 4, Abs. 5 Satz
2 [X.]
in der ab dem 1. Januar 2015 gel-tenden Fassung
können bis zu fünf Zeitstunden an Fortbildung im Wege des Selbststudiums absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt und gegenüber der Rechtsanwaltskammer durch [X.]escheinigungen und [X.] nachgewiesen wird.

3. Der Kläger ist der aus § 15 [X.] folgenden Pflicht, sich jährlich [X.], im [X.] nicht nachgekommen. Das Einstellen von [X.]eiträgen auf einer
eigenen
Homepage ist keine wissenschaftliche Publikation im Sinne von §
15 [X.].

a) Eine "Publikation"
ist eine Veröffentlichung.
Sie ist für die Öffentlichkeit bestimmt
und an ein bestimmtes Träger-
oder Übertragungsmedium gebunden.
Eine
wissenschaftliche Publikation
ist nach herkömmlichem Verständnis
eine 16
17
-
10
-
schriftliche wissenschaftliche Arbeit, die von einem wissenschaftlichen Verlag zur Veröffentlichung angenommen und veröffentlicht worden ist. Mögliche For-men der wissenschaftlichen Veröffentlichung sind
danach
insbesondere die in einem Fachverlag veröffentlichte Monografie, der [X.]eitrag in einem Kommentar
oder Lehrbuch
und der in einer wissenschaftlichen Zeitung, einem Tagungs-
oder Sammelband oder einer Festschrift veröffentlichte Artikel.
[X.] in elektronischen Medien können
jedoch
nicht von vornherein aus dem Kreis der wissenschaftlichen Publikationen
ausgeschlossen werden.
Viele Fachzeitschriften erscheinen in elektronischer Form. Es gibt online-Ausgaben juristischer Kommentare, die auch in gedruckter Form vorliegen, sowie Aufsätze und Kommentare, die ausschließlich über Datenbanken abrufbar sind. Sinn [X.] wissenschaftlichen Publikation ist die dauerhafte Sicherung und Verbreitung einmal gewonnener Erkenntnisse, die so von beliebigen Dritten
zur Kenntnis genommen und fortentwickelt
werden können.
Wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich in -
sei es auch öffentlichen
-
Gesprächen und Diskussionen ergeben haben, erfüllen diese Anforderungen nicht, weil das gesprochene Wort flüchtig ist und abwesende Dritte keinen Zugang zu ihm haben. Gleiches gilt für [X.], die in [X.]riefen, etwa Mandantenrundschreiben,
oder Gutachten nie-dergelegt sind. Sie sind dauerhaft verkörpert, sind aber nur für die jeweiligen
Empfänger und nicht für die (Fach-) Öffentlichkeit bestimmt. Die
(möglicher-weise)
hohe Qualität und der
(möglicherweise)
hohe Erkenntniswert
etwa eines
wissenschaftlichen
Gutachtens ändert nichts daran, dass es sich dabei nicht um eine wissenschaftliche Publikation handelt, solange keine Veröffentlichung er-folgt.

b) Das Einstellen eines Artikels auf der eigenen Homepage stellt keine wissenschaftliche Publikation in diesem Sinne dar. Der Artikel auf der [X.] ist zwar für die Öffentlichkeit zugänglich. Er ist jedoch nicht nachhaltig [X.]
-
11
-
fügbar. Es steht im freien [X.]elieben des Inhabers der Homepage, ihn zu verän-dern, ohne dies zu dokumentieren,
oder
ganz
zu entfernen.
Dies hat zur Folge, dass er nicht wissenschaftlich verwertet werden kann. Ein Autor, der einen sol-chen [X.]eitrag zitiert, kann das Zitat
zwar
absichern, indem er der [X.], unter welcher er ihn gefunden hat, den Tag seiner Recherche beifügt. Ein Dritter kann
das Zitat
später
jedoch nicht mehr nachvollziehen, wenn der Artikel entfernt worden ist. Ist
der Artikel
in der Zwischenzeit
verändert worden, ohne dass dieser Vorgang dokumentiert worden ist, würde das
Zitat fälschlich als Fehlzitat bezeichnet werden. In diesem für die wissenschaftliche Diskussion und den wissenschaftlichen Fortschritt wesentlichen Punkt unterscheidet sich die "Eigenveröffentlichung"
auf der eigenen
Homepage von einer
Veröffentli-chung, die ein Verlag verantwortet, oder der Veröffentlichung auf dem von einer [X.] oder einem Institut nach feststehenden Regeln betriebenen Doku-menten-
und Publikationsserver.
Hinzu kommt, dass eine Veröffentlichung, die von einem Fachverlag oder einer [X.] verantwortet wird, typischerweise mindestens dem äußeren Anschein nach das für eine wissenschaftliche Publi-kation erforderliche Niveau aufweist, weil sie überhaupt zur Veröffentlichung angenommen worden ist.
Dadurch, dass der Verfasser sich der Fachöffentlich-keit stellt, ist auch ein gewisses inhaltliches Niveau gewährleistet. [X.]eides fehlt bei Veröffentlichungen auf der
eigenen
Homepage, die eher von Mandanten als von Fachkollegen zur Kenntnis genommen werden und die jederzeit [X.] oder verändert werden können, ohne dass dies von [X.] werden könnte. Deshalb werden durch diese die Mindestanforderungen, die an eine wissenschaftliche Publikation zu stellen
sind, nicht erfüllt.

4. Die
mit [X.]escheid vom 22. Mai 2014 getroffene Widerrufsentscheidung verletzt nicht das Recht des [X.] auf ermessensfehlerfreien Gebrauch des der [X.]eklagten
eingeräumten Ermessens. Die [X.]eklagte hat weder die gesetzli-19
-
12
-
chen Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens
überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 114 Satz 1 VwGO).

a) Unterbleibt eine in der [X.]erufsordnung vorgeschriebene Fortbildung, kann die zuständige Rechtsanwaltskammer die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung
widerrufen (§ 43c Abs. 4 Satz 2 [X.]). Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer hat also
nach pflichtgemäßem Ermessen
über den Widerruf
zu entscheiden.
Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, etwa eine aufgrund Erkrankung unverschuldete Versäumung der Fortbildung, zu [X.]. Die Kammer kann bei einer erstmaligen Verletzung der [X.] zunächst von einem Widerruf absehen und dem Anwalt die Möglichkeit einräumen, die versäumte Fortbildung im Folgejahr nachzuholen ([X.], [X.]e-schluss vom 5.
Mai 2014 -
AnwZ
([X.]) 76/13, [X.]. 2014, 212 Rn. 10 mwN).

b) Die [X.]eklagte
hat dem Kläger erläutert, aus welchen Gründen sie die Veröffentlichungen auf der eigenen Homepage nicht als Fortbildung anerkennt, und hat
bis
zum
22.
Mai 2014 abgewartet, ob der Kläger die im [X.] un-terbliebene Fortbildung in der Folgezeit ausgleichen würde.
Der Kläger hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass er sich durch die Lektüre von Fachzeitschriften fortbilde und auch künftig ausschließlich auf seiner Homepage veröffentlichen werde. [X.] hat er weder die im [X.] versäumte Fortbildung nachgeholt noch die Fortbildungspflicht für das [X.] erfüllt. Die [X.]eklagte hat dieses Verhalten zulässig (vgl. § 114 Satz 2 VwGO) nachträglich zur [X.]egründung ihrer Widerrufsentscheidung vom 22. Mai 2014 herangezogen. Im Ergebnis hat der Kläger damit in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren seine Fortbildungs-20
21
-
13
-
pflicht nicht erfüllt. Dass aus Sicht des [X.] offen war, ob die auf der privaten Homepage eingestellten [X.]eiträge als Fortbildung anzuerkennen seien, hat die [X.]eklagte deshalb nicht als Entschuldigung gelten lassen, weil der Kläger dem Angebot, diese Frage zeitnah im Wege der Feststellungsklage gerichtlich klären zu lassen, nicht nachgekommen ist. Auch diese Überlegung ist nicht zu [X.]. Der Kläger handelte insoweit auf eigenes Risiko.

c) Die Jahresfrist des § 25
Abs. 2 [X.] wurde eingehalten. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, beginnt diese Frist erst zu laufen, wenn der zuständigen Kammer alle für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen bekannt sind, also Entscheidungsreife eingetreten ist. Auch eine notwendige Anhörung zum Widerruf muss bereits erfolgt sein ([X.], [X.]eschluss vom 5.
Mai 2014 -
AnwZ
([X.]) 76/13, [X.]. 2014, 212 Rn. 14 mwN). Nach diesem Maßstab war der Widerruf nicht verfristet. Die Parteien haben bis April 2014 über die Frage der Anerkennung der [X.]eiträge auf der Homepage des [X.] und über das weitere Vorgehen, insbesondere die Möglichkeit einer Feststel-lungsklage, korrespondiert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. §
154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], §
52 Abs. 1
GKG. In Verfahren, welche das Führen von [X.]en betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500

(vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2012 -
AnwZ
([X.]) 56/11, NJW 2013, 175

22
23
-
14
-
Rn.
13; vom 8. April 2013 -
AnwZ ([X.])
16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 17). Um-stände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Wolf

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2014 -
1 [X.] 7/14 -

Meta

AnwZ (Brfg) 10/15

20.06.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2016, Az. AnwZ (Brfg) 10/15 (REWIS RS 2016, 9687)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9687

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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