Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2011, Az. 10 AZR 570/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 441

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Gegenstand

§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 25 VTV-Bau - glasfaserverstärkter Kabelkanal - Kabelleitungstiefbau


Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2010 - 18 [X.] 698/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der [X.] zur Zahlung von Beiträgen und Erteilung von Auskünften nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 ([X.]) in seiner jeweils geltenden und für allgemeinverbindlich erklärten Fassung verpflichtet ist.

2

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Der [X.] betreibt ein Unternehmen zur Montage von glasfaserverstärkten Kunststoffkabelkanälen ([X.]) im Bereich der [X.]. Er ist bei der [X.] mit dem Gewerbe „Montage von glasfaserverstärkten Kunststoffen, Kabeltiefbau, Verkehrswegebau“ angemeldet und Mitglied der Berufsgenossenschaft für die Bauwirtschaft. Sein Betrieb wurde als Betrieb des Bauhauptgewerbes von der [X.] nach § 354 SGB III herangezogen. Der [X.] montiert [X.] entlang von Bahntrassen auf Stützen aus Kunststoff oder Stahl, die er überwiegend mit einer Rammglocke in den Boden einbringt. Bei Bedarf wird die Standfestigkeit durch Montageeisen (Winkel an beiden Seiten) erhöht. Verläuft das Gleis durch Tunnel oder über Brücken und Viadukte (ca. 25 % bis 30 % der Streckenabschnitte), werden [X.] verwendet, die mit Hilfe von Bohrungen an der Wand oder mit Hilfe spezieller Vorrichtungen am Geländer angebracht werden. Vor der Installation eines [X.] wird die Trasse festgelegt, freigeschnitten, eingemessen und abgesteckt. Nach Montage des [X.] verlegen andere Unternehmen die Kabel. Nach Fertigstellung können die Signal- und Schrankenanlagen mit Strom versorgt und elektronisch gesteuert werden. [X.] werden bei schwierigen Geländeverhältnissen verwendet; im Übrigen kommen auch Beton- und Stahltröge im Bereich der [X.] zum Einsatz.

3

Der betriebliche Geltungsbereich des [X.] ist nach seinem § 1 Abs. 2 ua. wie folgt geregelt:

        

„Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte [X.] fallen.

        

Abschnitt I

        

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

        

Abschnitt II

        

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen und Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

        

…       

        

Abschnitt V

        

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

        

...     

        

18.     

Gleisbauarbeiten;

        

…       

        
        

25.     

Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;

        

…“    

        

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Montage oberirdischer [X.] sei eine bauliche Tätigkeit. Sie begehrt die Zahlung von Beiträgen für die Monate Juli 2007 bis Dezember 2007 und Februar 2008 bis November 2008 in [X.]. Für die Monate Januar 2009 bis September 2009 verlangt sie [X.] über die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer und die geleisteten Bruttolohnsummen und für den Fall der nicht rechtzeitigen [X.]serteilung die Zahlung einer Entschädigung.

5

Die Klägerin hat beantragt, den [X.]n zu verurteilen,

        

1.    

an sie [X.] [X.] zu zahlen;

        

2.    

ihr auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular [X.] darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 2009 bis September 2009 im Betrieb des [X.]n beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten [X.] sind;

        

3.    

für den Fall, dass diese Pflicht zur [X.]serteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an sie eine Entschädigungssumme iHv. 10.440,00 [X.] zu zahlen.

6

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Lediglich das Einbringen der Stützen sei eine bauliche Leistung, dessen Zeitanteil nur bei 10 % bis 15 % liege.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt der [X.] die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet.

9

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 18 Abs. 1 [X.] in seiner im Streitzeitraum geltenden Fassung einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Sozialkassenbeiträge.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wird ein Betrieb dann vom betrieblichen Geltungsbereich des [X.] erfasst, wenn arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 [X.] fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst bzw. auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an. Für den Anwendungsbereich des [X.] reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V [X.] genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des [X.] erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschn. IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die ausgeübten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III erfüllen ([X.]Rspr., vgl. nur [X.] 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 11). Werden baugewerbliche Tätigkeiten iSd. Abschn. I bis V erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen in Zusammenhang stehen ([X.] 17. November 2010 - 10 [X.] - Rn. 20).

2. Es liegt nahe, dass der Betrieb des Beklagten bereits deshalb vom betrieblichen Geltungsbereich des [X.] erfasst wird, weil er arbeitszeitlich überwiegend Gleisbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 18 [X.] erbringt.

Zum Gleisbau gehören alle Arbeiten zur Herstellung und Erhaltung des [X.]. Gleisbauarbeiten können beim Neubau von Gleisen und Weichen, bei ihrer Erneuerung und Unterhaltung anfallen ([X.] 1. April 2009 - 10 [X.] - Rn. 20). Es spricht viel dafür, dass zu den Gleisbauarbeiten alle Arbeiten gehören, die notwendig sind, damit die Gleisanlage ihrer Zweckbestimmung als Fahrbahn für Schienenfahrzeuge (wieder) genügen kann. Regelmäßig genügt sie dieser Zweckbestimmung erst dann, wenn Schienenverkehr möglich ist. Dazu müssen die Signal- und Schrankenanlagen mit Strom versorgt und elektronisch gesteuert werden können. Dies ist ohne einen Kabelkanal entlang der Bahntrasse nicht möglich. Für die Montage von [X.] gilt deshalb nichts anderes als für die Montage von [X.] entlang von Straßen. Kabelkanäle können ebenso als notwendige Bestandteile des Bauwerks „Gleisanlage“ gesehen werden, wie [X.], deren Montage zu den Straßenbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 [X.] gehört ([X.] 15. November 2006 - 10 [X.] - Rn. 21, [X.]E 120, 197) und die notwendige Bestandteile des [X.]“ sind.

3. Auch wenn der Begriff der „Gleisbauarbeiten“ eng ausgelegt wird und nur solche Arbeiten erfasst, die unmittelbar auf die Errichtung des [X.] und auf die Verlegung des Gleises bezogen sind, unterfällt der Betrieb des Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 [X.]. Die verrichteten Arbeiten sind jedenfalls Kabelleitungstiefbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 [X.].

a) Ein [X.] dient der Führung und damit der „Leitung“ der in den Kabelkanal eingebrachten Kabel. Die Montage eines Kabelkanals ist deshalb „Kabelleitungsarbeit“ im [X.]. Gleichzeitig liegen Tiefbauarbeiten vor. Tiefbau ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Zweig der Bautechnik, der das Errichten von Bauwerken zu ebener [X.] sowie in und unter der [X.] umfasst. Dazu zählen Arbeiten des Straßen-, Eisenbahn-, Erd- und [X.], des [X.] sowie der [X.] ([X.] 8. Dezember 2010 - 10 [X.] - Rn. 18). Ein Kabelkanal ist ein Bauwerk, da er aufgrund seiner eigenen Schwere auf dem Erdboden ruht. Seine Montage ist dem Tiefbau zuzurechnen, wenn er zu ebener [X.] errichtet wird ([X.] 24. August 1994 - 10 [X.] - zu II 3 b der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 182).

b) Dies ist vorliegend der Fall, auch wenn die [X.] nicht unmittelbar auf dem Erdboden aufliegen, sondern überwiegend auf Stützen montiert werden. Diese Stützen werden mit einer Ramme im Erdreich verankert und bei Bedarf durch Winkel stabilisiert. Schließlich macht es für die Annahme von Kabelleitungstiefbauarbeiten keinen Unterschied, ob der Kanal aus Beton oder aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt wird. Beides sind gebräuchliche Materialien im Hoch- und Tiefbau.

c) Entgegen der Auffassung der Revision liegen Kabelleitungstiefbauarbeiten im [X.] nicht nur dann vor, wenn der Betrieb auch die Kabel verlegt. Gegenstand der Kabelleitungstiefbauarbeiten ist die Errichtung der für die Führung der Kabel benötigten „Kabelleitung“. Dies ist der [X.]. Die bloße Verlegung der Kabel ist gerade keine bauliche Tätigkeit ([X.] 26. September 2001 - 10 [X.] 2 a der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 244 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 110; 24. August 1994 - 10 [X.] - zu II 3 a der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 182; 18. Januar 1984 - 4 [X.] - [X.]E 45, 11). Arbeiten des [X.] sind vielmehr nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 ausdrücklich vom betrieblichen Geltungsbereich des [X.] ausgenommen. Montiert ein Betrieb den zur Führung der Kabel bestimmten Kanal und verlegt er auch die Kabel, liegt zwar ein einheitlicher Arbeitsvorgang vor, der den Kabelleitungstiefbauarbeiten zugerechnet wird ([X.] 26. September 2001 - 10 [X.] 2 a der Gründe, aaO); notwendige Voraussetzung für die Annahme von Kabelleitungstiefbauarbeiten ist das Verlegen der Kabel jedoch nicht.

II. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 21 Abs. 1 [X.], der Anspruch auf Entschädigung für den Fall der Nichterteilung der Auskunft aus § 61 Abs. 2 ArbGG. Die Klägerin hat die Entschädigung auf Grundlage eines Prüfberichts der [X.] berechnet und ist für den Auskunftszeitraum von acht gewerblichen Arbeitnehmern ausgegangen. Einwände gegen die Höhe der Entschädigung hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Baschnagel    

        

    R. Bicknase    

                 

Meta

10 AZR 570/10

14.12.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 28. Januar 2010, Az: 61 Ca 62389/09, Urteil

§ 1 TVG, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 25 VTV-Bau

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2011, Az. 10 AZR 570/10 (REWIS RS 2011, 441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 441

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