Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2023, Az. AnwZ (Brfg) 27/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2023, 8288

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Gegenstand

Anwaltsgerichtliches Verfahren: Umdeutung einer eingelegten Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 29. März 2023 verkündete Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

    Der Kläger ist seit dem [X.] zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 31. Mai 2022 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Unvereinbarkeit seiner Maklertätigkeit mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]). Die hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] mit Urteil vom 29. März 2023, dem Kläger zugestellt am 27. Mai 2023, abgewiesen. Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 26. Juni 2023 eingelegten und mit Schriftsatz vom 26. Juli 2023 begründeten Berufung. Der [X.] hat den Kläger mit Verfügung vom 24. Juli 2023 darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Statthaftigkeit des eingelegten Rechtsmittels der Berufung bestehen. Der Kläger hat dazu Stellung genommen mit Schriftsatz vom 24. August 2023.

II.

2

    [X.] ist nicht statthaft. Eine Auslegung als oder eine Umdeutung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung kommen vorliegend nicht in Betracht.

3

    1. Gemäß § 112e Satz 1 [X.] steht den Beteiligten gegen ein Endurteil des [X.] die Berufung zu, wenn sie vom [X.] oder vom [X.] zugelassen wird. Der [X.] hat in seinem Urteil die Berufung nicht zugelassen. Daher ist gegen diese Entscheidung gemäß § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO lediglich der Antrag auf Zulassung der Berufung statthaft.

4

    2. Eine Auslegung des als Berufung bezeichneten Rechtsmittels als Zulassungsantrag ist nicht möglich (vgl. nur [X.], Beschluss vom 2. März 2022 - [X.] ([X.]) 34/21, juris Rn. 5 ff. [X.]). In der [X.] vom 26. Juni 2023 wurde das erhobene Rechtsmittel - trotz ordnungsgemäßer Belehrung über das statthafte Rechtsmittel durch den [X.] - vom Kläger optisch hervorgehoben ausdrücklich als Berufung bezeichnet und ausdrücklich von [X.] und Berufungsbegründung gesprochen, die einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten werden. Von einer Zulassung des Rechtsmittels ist an keiner Stelle des Schriftsatzes die Rede. Auch sonst finden sich dort keine Anhaltspunkte für eine etwa bestehende Absicht des [X.], entgegen seiner Rechtsmittelerklärung nicht Berufung einzulegen, sondern die Zulassung der Berufung zu beantragen.

5

    [X.] umfasst nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung dieses Rechtsmittels. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Während der Antrag auf Zulassung der Berufung ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch den [X.] begehrt, richtet sich die Berufung gegen die Entscheidung des [X.] in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die [X.] Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen (vgl. [X.], NVwZ 1999, 641, 642).

6

    3. Auch eine Umdeutung des Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht möglich.

7

    a) Eine solche Umdeutung setzt nach der Rechtsprechung des [X.]s u.a. voraus, dass der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt oder innerhalb dieser Frist beantragt hat, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln (vgl. nur [X.], Beschluss vom 2. März 2022 - [X.] ([X.]) 34/21, juris Rn. 10 [X.]). Daran fehlt es.

8

    Die Rechtsmittelfrist, die mit der Zustellung des vollständigen Urteils am 27. Mai 2023 zu laufen begonnen hat, ist gemäß § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB am Dienstag, den 27. Juni 2023 abgelaufen, ohne dass entsprechende Anträge gestellt worden sind.

9

    b) Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Umdeutung stehen - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht im Widerspruch zu der vom Kläger zitierten Entscheidung des [X.]s, wonach eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2000 - [X.], NJW 2001, 1217, 1218 [X.]). In Fällen wie dem vorliegenden, in dem innerhalb der Rechtsmittelfrist weder ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt wurde noch beantragt wurde, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln, stehen einer Umdeutung jedenfalls die schutzwürdigen Interessen des Prozessgegners entgegen. Dieser muss es nur innerhalb der dafür laufenden Frist als möglich ansehen, dass solche Anträge gestellt werden (vgl. [X.], NJW 2009, 162 Rn. 25 f.).

    c) Abweichendes folgt auch nicht aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des [X.]. Danach darf der Zugang zu Gericht nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Deshalb haben die Gerichte etwa das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird. Sie dürfen nicht durch die Art und Weise der Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzen (vgl. [X.], [X.], 238, 241 f. [X.]).

    Dass ein von einem Anwalt eindeutig eingelegter Rechtsbehelf jedenfalls dann nicht in einen anderen umgedeutet werden kann, wenn - wie hier - die Rechtsbehelfe unterschiedlichen Zwecken dienen (vgl. [X.], NVwZ 1999, 641, 642 [X.]), begegnet - entgegen der Auffassung des [X.] - keinen solchen Bedenken.

III.

    [X.] beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Schoppmeyer                              Remmert                                           Grüneberg

                             Lauer                                  [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 27/23

20.10.2023

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 29. März 2023, Az: BayAGH I - 5 - 11/22, Urteil

§ 112e S 2 BRAO, § 124a Abs 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2023, Az. AnwZ (Brfg) 27/23 (REWIS RS 2023, 8288)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8288

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