Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 324/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11094

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR324.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 324/14
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai 2017 gemäß §
406a Abs.
2 Satz
2 StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten
gegen das Urteil des [X.] vom 17. April 2014 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben-
und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten durch Urteil vom 17.
April 2014 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000
Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen immateriellen Schaden aus der Tat zu ersetzen. Der Senat hat die gegen dieses Urteil gerichtete [X.] des Angeklagten durch Beschluss vom 9.
April 2015 verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorgenannten Urteil des [X.]s getroffene
Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014 -
2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Gro-ßen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der [X.]
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sung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der [X.] des [X.] vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16 ([X.], 179 ff.), denen der Senat mit Beschluss vom 14.
April 2016 -
2 StR 137/14 und 2
StR 337/14 -
die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§
253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen, und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.
Die Vereinigten Großen Senate haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB
a.[X.]) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016
-
VGS 1/16).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden,
für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, [X.] Rspr.;
[X.], Beschluss vom 6.
Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 154 ff.; [X.], Urteile vom 13. Oktober 1992 -
VI [X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29.
November 1994 -
VI [X.], [X.]Z 128, 117, 120 f.).
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Dabei steht der Entschädigungs-
oder Ausgleichsgedanke im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Scha-densfall hervorgerufene persönliche
Beziehung zwischen Schädiger und Ge-schädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Beschluss vom 6.
Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 157; Urteil vom 16.
Januar 1996 -
VI [X.], NJW 1996, 1591).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem [X.] Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen [X.] des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers ([X.], aaO, Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer
e-nate, aaO, Rn.
57). Indem der Tatrichter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewich-tet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist ([X.], aaO, Rn.
56, 70).
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Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen
zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben
und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] Senate, aaO, Rn.
72).
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagten und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen Erwä-7
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gungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten
wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das [X.] hat sich für die Bemessung des Schmerzensgeldes an dem Ausmaß des begangenen Tatun-rechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Da sich in den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Täter und Opfer und deshalb ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes 11
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Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin -
entgegen bisheriger Rechtsprechung der Strafsenate
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nicht zu beanstanden.
Appl

Krehl

Eschelbach

Zeng

Grube

Meta

2 StR 324/14

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 324/14 (REWIS RS 2017, 11094)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11094

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