Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2023, Az. II ZR 87/23

2. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 10062

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Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 3. Mai 2023 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

Streitwert: 26.015,06 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin erklärte am 17. März 2009, der vormals zweitbeklagten Kommanditgesellschaft (nachfolgend: [X.]) über einen Treuhänder mit einer Einlage von 80.000 € [X.] 6 % Agio beizutreten, und leistete diese Einlage später in Höhe von 56.150 €. Die Beklagte war [X.], Kapitalvermittlerin und Komplementärin der [X.].

2

Zum Zeitpunkt des Beitritts war       [X.]Alleinvorstand der [X.] und Geschäftsführer der [X.] sowie an beiden Gesellschaften kapitalmäßig beteiligt. Zudem war er Geschäftsführer der [X.], die von der [X.] mit dem Untervertrieb der Beteiligungen an der [X.] beauftragt war. Der Emissionsprospekt legte offen, dass [X.]Vorstand der [X.] war und diese mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlage betraut war, nicht hingegen seine Bezüge zur [X.] und zur [X.].

3

Am 5. Juni 2018 kündigte die Klägerin ihre Beteiligung außerordentlich. Die [X.] zahlte ihr auf der Grundlage einer Auseinandersetzungsbilanz 31.266,88 €. Am 21. Juli 2021 leistete die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an der [X.] eine Einkommensteuernachzahlung für den Veranlagungszeitraum 2010 in Höhe von 1.131,94 €.

4

Die Klägerin hat zuletzt von der [X.] Schadensersatz in Höhe von 26.015,06 € nebst Zinsen verlangt, weil sie vor ihrem Beitritt durch den Vermittler [X.]nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden sei. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des [X.]s auf die Berufung der [X.] im [X.] teilweise abgeändert und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.].

II.

5

Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg und Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 552a ZPO).

6

1. Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 3. Mai 2023- 7 U 4308/22, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zur Begründung ausgeführt:

7

Der Prospekt, der Grundlage des Beratungsgesprächs zwischen der Klägerin und dem Vermittler [X.]gewesen sei, kläre unzutreffend bzw. unvollständig über die Verflechtungen auf. Der Untervertrieb durch die [X.] und die Tätigkeit von [X.]als deren Geschäftsführer sei unerwähnt geblieben. Letzteres hätte schon nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VermVerkProspV im Prospekt angegeben werden müssen. Das Bestehen eines [X.] stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest. Entgegen der Sicht der [X.] fehle es an einer Interessenkollision nicht deswegen, weil die Tätigkeit von [X.]für die mit dem Vertrieb der Beteiligungen befasste Beklagte offengelegt worden sei. Seine Tätigkeit für die [X.] vertiefe den Interessenkonflikt, weil nunmehr auch diese aus dem Kuchen der Anlegergelder zu versorgen seien. Ob nur die prospektierten Margen zwischen der [X.] und der [X.] verteilt worden seien, sei ebenso unbeachtlich wie der Hinweis des Prospekts auf die Möglichkeit der Einschaltung von [X.]. In gleicher Weise sei eine Aufklärung über die Stellung von E.     als Geschäftsführer in der [X.] geboten gewesen. Der Anspruch der Klägerin gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB sei auch nicht durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 [X.] i.V.m. §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung ausgeschlossen.

8

2. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht mehr vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil es mit seiner Entscheidung über das Verhältnis der Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung von der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] abweiche.

b) Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (nachstehend jeweils als aF bezeichnet) in Betracht kommt, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderem übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt ([X.], Beschluss vom 11. Juli 2023 - [X.] ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2023- [X.] ZB 20/21, [X.] 2023, 2037 Rn. 41; Beschluss vom 25. Juli 2023- [X.] ZB 11/21, [X.] 2023, 1798 Rn. 16). Eine Haftung der [X.] gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ist danach nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als [X.] den Vertrieb der Beteiligungen unter Einschaltung von [X.] übernommen hat.

3. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Der erkennende Senat hat nach dem Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft nach dem Inkrafttreten des [X.] (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 ([X.]) Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB weiterhin treffen, wenn sie entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen ([X.], Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 27, [X.] in [X.]Z). Die Beklagte traf danach eine Vertriebsverantwortung, wie bereits ausgeführt.

b) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte ihre Aufklärungspflichten verletzt hat.

aa) Einem Anleger muss vor seiner Beteiligung an einer [X.] ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, das heißt, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden ([X.], Urteil vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.] 2017, 1664 Rn. 9; Urteil vom 6. November 2018- [X.]/16, [X.] 2019, 22 Rn. 15; Urteil vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.] 2019, 513 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.] 2023, 29 Rn. 33; Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 8, [X.] in [X.]Z).

Erforderlich für eine vollständige Aufklärung ist eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der [X.], ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und die Aufklärung über die diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder [X.] ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980- [X.], [X.]Z 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.] 1994, 1851, 1852; Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088; Urteil vom 29. Mai 2008 - [X.], [X.] 2008, 1481 Rn. 25; Urteil vom 22. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 1132 Rn. 24; Urteil vom 22. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 1801 Rn. 25; Urteil vom 21. September 2010- [X.] ZR 232/09, [X.] 2010, 2140 Rn. 29; Beschluss vom 15. Januar 2013- II ZR 43/12, juris Rn. 7; Beschluss vom 23. September 2014 - [X.], juris Rn. 23; Beschluss vom 4. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 16; Beschluss vom 13. Januar 2020 - [X.]/19, juris Rn. 15; Beschluss vom 12. Januar 2021 - [X.] ZB 18/17, [X.] 2021, 1051 Rn. 88; Beschluss vom 18. Mai 2021- [X.] ZB 19/18, [X.], 1426 Rn. 46). Derartige Verflechtungen begründen die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Gesellschaft und der [X.] Gesellschafter. Der einzelne Anleger kann deshalb erwarten, dass er über diesen Sachverhalt aufgeklärt wird, damit er in Kenntnis des Risikos seine Entscheidung treffen und gegebenenfalls der bestehenden Gefährdung begegnen kann ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.] 1994, 1851, 1852). Ihm müssen hinreichende Informationen geboten werden, um selbst beurteilen zu können, ob faktisch eine Beeinflussung der Entscheidungen droht ([X.], Beschluss vom 24. Februar 2015 - [X.]/13, juris Rn. 19; Beschluss vom 4. Juni 2019- [X.], juris Rn. 16; Beschluss vom 18. Mai 2021 - [X.] ZB 19/18, [X.] 2021, 2393 Rn. 46; Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 39, [X.] in [X.]Z).

Aus den spezialgesetzlichen Regelungen über die notwendigen Angaben in einem Verkaufsprospekt sind keine hiervon abweichenden Aufklärungspflichten abzuleiten. Diese entsprechen vielmehr den zuvor vom [X.] entwickelten Grundsätzen über die gebotene Aufklärung ([X.], Beschluss vom 22. März 2022 - [X.] ZB 24/20, [X.] 2023, 1373 Rn. 45; Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 40, [X.] in [X.]Z).

bb) Das Berufungsgericht hat hiervon ausgehend zutreffend angenommen, dass eine Aufklärung auch darüber geboten war, dass der Alleinvorstand der [X.] [X.]auch Geschäftsführer der [X.] und der [X.] war, die von der [X.] mit dem Untervertrieb der Beteiligungen beauftragt waren. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 VermVerkProspV in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung muss der Verkaufsprospekt über die Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands des Emittenten angeben, in welcher Art und Weise diese auch für Unternehmen tätig sind, die mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlagen betraut sind. Diese [X.] erstrecken sich, wenn das Geschäftsführungsorgan des Emittenten seinerseits eine Gesellschaft ist, die nur durch ihre Organe handeln kann, auf die Gesellschaft, für die natürliche Personen handeln ([X.] in [X.]/[X.]/von [X.], [X.] Kommentar, 4. Aufl., § 12 [X.] Rn. 10). Mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlagen betraut ist ein Unternehmen unabhängig davon, ob es den [X.] direkt vom Emittenten oder im Rahmen eines Untervertriebsauftrags von einem Dritten erhalten hat ([X.], Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 605/19, juris Rn. 24 f.; [X.] in [X.]/[X.]/von [X.], [X.] Kommentar, 4. Aufl., § 12 [X.] Rn. 24, § 7 [X.] Rn. 31; Katzorke/Wagner in [X.]/Izzo-Wagner, VermAnlG, § 12 VermVerkProspV Rn. 30; Unzicker, [X.], § 12VermVerkProspV Rn. 7, § 7 VermVerkProspV Rn. 38).

[X.]     

      

B. Grüneberg     

      

V. Sander

      

von Selle     

      

Adams     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

II ZR 87/23

12.12.2023

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 3. Mai 2023, Az: 7 U 4308/22, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2023, Az. II ZR 87/23 (REWIS RS 2023, 10062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10062


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 U 4308/22

OLG München, 7 U 4308/22, 03.05.2023.


Az. II ZR 87/23

Bundesgerichtshof, II ZR 87/23, 12.12.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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