Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2023, Az. 1 StR 109/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 6789

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Gegenstand

Notwendige Feststellungen vor Verurteilung wegen Steuerhehlerei bzw. Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2022, soweit es sie betrifft, aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Tateinheit mit gewerbsmäßiger [X.] zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Während die Verfahrensbeanstandungen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil aufzeigen, führt die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils zu dem aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. In der Nacht zum 26. Januar 2020 brachen nach Anweisung des gesondert Verfolgten [X.]mehrere Personen in die [X.] des [X.].  ein. Dort entwendeten sie unter anderem Wasserpfeifentabak verschiedener Sorten mit einem Gesamtgewicht von knapp 8.800 kg, der bis auf eine Teilmenge von rund 77 kg unversteuert war und kein [X.] Steuerzeichen trug. [X.] verbrachte die Gruppierung den Wasserpfeifentabak mit Lastwagen in zwei Überseecontainer auf ein Gewerbegelände in [X.].  , um ihn gewinnbringend zu verkaufen.

4

[X.]reits wenige Tage nach dem Einbruchdiebstahl begann die [X.]     , Abnehmer für das Diebesgut zu suchen. Nachdem es ihnen zunächst nicht gelungen war, einen Käufer für den Wasserpfeifentabak ausfindig zu machen, wandte sich der gesondert Verfolgte [X.]an den nichtrevidierenden Angeklagten [X.]     , den Lebensgefährten der Angeklagten. Dieser band ab Mitte Februar 2020 die Angeklagte in die Absatzbemühungen ein.

5

Ende März 2020 gelang es [X.]schließlich, Käufer für den Wasserpfeifentabak ausfindig zu machen. Dass es sich dabei um von den Ermittlungsbehörden eingesetzte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte ([X.]) handelte, wussten weder er noch die Angeklagte oder ein anderes Mitglied der [X.]     . Die Angeklagte, die als einzige über ausreichende Deutschkenntnisse verfügte, führte in der Folge mehrere Telefonate mit den [X.], die der [X.] dienten. [X.] trafen sich die Angeklagte, [X.]     sowie die gesondert Verfolgten [X.].        und [X.].    am 1. April 2020 zur Abwicklung des Verkaufes in [X.].  . Zuvor hatten [X.].    und [X.].        im Einverständnis mit [X.]die Schlösser der Überseecontainer, in denen der Wasserpfeifentabak lagerte, ausgetauscht. Allen [X.]teiligten war bewusst, dass die Tabakwaren durch andere zuvor mittels eines Diebstahls erlangt worden waren und Tabaksteuer in Höhe von rund 212.000 Euro hinterzogen worden war. Anschließend trafen sich die vier mit den beiden [X.], wobei die Angeklagte vor allem als Dolmetscherin fungierte. Noch vor der Übergabe des [X.] an die [X.] wurden die Angeklagte und die weiteren [X.]teiligten festgenommen.

6

2. Das [X.] hat die Angeklagte unter anderem wegen gewerbsmäßiger [X.] gemäß § 374 Abs. 1 und 2 Satz 1 [X.] in der Tatvariante des Sichverschaffens verurteilt. Es ist der Auffassung, dass sich [X.].       und [X.].    sowie die Angeklagte und [X.]      mit dem Austausch der Schlösser die tatsächliche Herrschaftsgewalt über den Wasserpfeifentabak verschafften. Indem die Angeklagte in Kenntnis aller Umstände bei dem Treffen mit den (Schein-)Käufern anwesend gewesen sei, einen von ihnen zu dem Wasserpfeifentabak gebracht und vereinbart habe, wann die Umladung stattfinden solle, habe sie [X.] über den Tabak ausgeübt (UA S. 58).

II.

7

1. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger (vollendeter) [X.] hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

Die Angeklagte hat sich den Wasserpfeifentabak nicht im Sinne des § 374 Abs. 1 [X.] verschafft. Unabhängig davon, ob [X.].       und [X.]    durch den Austausch der Schlösser Verfügungsgewalt über den Wasserpfeifentabak erlangt haben (vgl. [X.], Urteile vom 28. Juli 2022 – 1 [X.] Rn. 8 und vom 7. November 2007 – 5 [X.] Rn. 15; [X.]schlüsse vom 22. September 2022 – 1 [X.] Rn. 8 und vom 21. September 2022 – 1 [X.] Rn. 7), trifft dies auf die Angeklagte nicht zu. Nach den Feststellungen war sie – auch am 1. April 2020 – vor allem als Dolmetscherin tätig und weder beim Austausch der Schlösser überhaupt anwesend noch gar eine der Schlüsselträgerinnen; Feststellungen zu einer Kenntnis der Angeklagten von dem Austausch hat das [X.] nicht getroffen. Allein aus dem Umstand, dass die Angeklagte bei der anschließenden Abwicklung des ([X.] mitwirkte, folgt danach nicht, dass sie zu eigenen Zwecken (vgl. [X.] in: [X.]/Rübenstahl/[X.]/[X.], Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 374 [X.] Rn. 22; [X.]/[X.] in: [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Juni 2023, § 374 [X.] Rn. 16) über den Wasserpfeifentabak verfügen konnte.

9

Ebenso wenig begründen die Feststellungen eine Mitverfügungsgewalt der Angeklagten. Zwar genügt es, wenn der Vortäter die Sache an eine Mehrheit von Personen übergibt, dass diese untereinander [X.] erlangen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 [X.] Rn. 10, [X.]St 35, 172, 175; [X.]schluss vom 15. März 2005 – 4 [X.] Rn. 4). Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte nach eigenem Gutdünken über den Wasserpfeifentabak verfügen konnte und dies auch wollte, finden sich hier jedoch nicht.

Eine vollendete [X.] in der Tatvariante der Absatzhilfe kommt schon deshalb nicht in [X.]tracht, weil kein Absatzerfolg eingetreten ist (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 13. Juli 2016 – 1 [X.] Rn. 17 ff. und vom 27. März 2014 – 4 StR 341/13 Rn.7 mwN).

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler, der lediglich in einer rechtsfehlerhaften Wertung der festgestellten Tatsachen besteht, nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können aber um solche ergänzt werden, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob sich die Angeklagte wegen versuchter [X.] in der Tatvariante der Absatzhilfe oder insoweit wegen [X.]ihilfe zur versuchten [X.] schuldig gemacht hat. Letzteres käme in [X.]tracht, wenn die Angeklagte nicht den Vortäter oder Zwischenhehler bei dessen nicht erfolgreichen Absatzbemühungen unterstützte, sondern vielmehr ihrem Lebensgefährten als Absatzhelfer bei dessen erfolglosen [X.]mühungen behilflich war (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 2019 – 1 StR 81/18 [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Nr. 2 Täter 6 Rn. 7; [X.]schluss vom 1. August 2018 – 4 StR 54/18 Rn. 5, jeweils mwN).

b) Eine Verurteilung wegen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass ein anderer die Sache gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat. Die Angeklagte, die sich teilgeständig eingelassen hat, bestreitet, vom Diebstahl gewusst zu haben. Allein der Hinweis darauf, dass es sich bei der Einlassung insoweit um eine Schutzbehauptung handelt ([X.]), widerlegt ihre Angaben ebenso wenig wie die schlichte Feststellung, sie habe vom Einbruchdiebstahl in die [X.] Kenntnis gehabt ([X.], 35). Die rechtsfehlerfrei belegte Kenntnis der Angeklagten von einer Steuerhinterziehung oder -hehlerei bzgl. des [X.] kann einen entsprechenden Vorsatz ebenfalls nicht begründen, da beide Delikte sich nicht gegen fremdes Vermögen richten (vgl. [X.]ckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: August 2023, § 259 Rn. 9.3).

c) Die Gewerbsmäßigkeit setzt die Absicht des [X.] voraus, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 10. November 2021 – 2 [X.] Rn. 22; [X.]schluss vom 27. Februar 2014 – 1 StR 15/14 Rn. 5 jeweils mwN). Allein aus dem Umstand, dass die Angeklagte, die über keine legalen Einkünfte verfügte, sich dahingehend eingelassen hat, ihr Lebenspartner mache „Geschäfte“, und ihrer Tatbeteiligung kann nicht geschlossen werden, dass sie erkannt habe, „wie schnell sie ohne großen Arbeitseinsatz viel Geld verdienen“ könne ([X.]). Ebenso wenig belegt dies, dass die – in [X.] nicht vorbestrafte – Angeklagte beabsichtigte, auch in Zukunft weitere entsprechende Taten zu begehen.

Jäger     

  

[X.]llay     

  

Ri´in [X.] ist
urlaubsbedingt ortsabwesend
und daher gehindert zu unterschreiben.

  

  

  

  

Jäger

  

Allgayer     

  

Munk     

  

Meta

1 StR 109/23

05.09.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 23. Februar 2022, Az: 524 KLs 5/20

§ 374 Abs 1 AO, § 374 Abs 2 S 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2023, Az. 1 StR 109/23 (REWIS RS 2023, 6789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6789

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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