Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2015, Az. 4 StR 420/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 15523

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
420/14

vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 12.
Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
Sost-Scheible,

[X.] am [X.]
Cierniak,
[X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin beim [X.]

in der Verhandlung

,
[X.]in am [X.]

bei der Verkündung

als Vertreterinnen
des
[X.]s,

Rechtsanwalt

als Pflichtverteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 24.
März 2014 mit den [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schwe-ren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freige-sprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstre-ckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf,
einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl be-gangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freige-sprochen. Mit ihrer vom [X.] vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsan-waltschaft gegen den hinsichtlich der [X.] ergangenen Teilfreispruch.
Ausweislich der Ausführungen in der [X.], mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schwe-ren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung als sachlich-rechtlich 1
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-
4
-
fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisions-begründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags
auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. [X.], Urteile vom 12.
April 1989

3
StR 453/88, [X.]R StPO §
344 Abs.
1 Antrag
3; vom 18.
Dezember 2014

4
StR 468/14 Rn.
7 mwN; [X.] in [X.], 7.
Aufl., §
344 Rn.
7).
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die [X.] folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
In den frühen Morgenstunden des 10.
Juli 2013 gegen 2.00/2.30
Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. [X.] öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Woh-nung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80
cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. [X.] einer der
beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Ge-räte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem [X.] und verstaute darin einen Laptop [X.], eine Playstation
3 sowie eine [X.] Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die 3
4
5
-
5
-
Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltele-fon, [X.] iPhone
4-8
GB, herauszugeben. Aus Angst und unter
dem
Ein-druck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegen-stände. In der Geldbörse befanden
sich u.a. der [X.], der Führer-schein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22.
Juli 2013 für 130

der Zeit vom 12.
Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwende-te Laptop nutzte der Angeklagte vom 12.
Juli bis 15.
Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100

der Wohnung des Angeklagten konnten
am 22.
Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte [X.] werden.
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der [X.] gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeu-tige
Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem [X.] zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
6
7
8
-
6
-
1.
Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des [X.] (§
261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzu-stellen und zu würdigen (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1966

1
StR
305/66, [X.]St 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Juni 1979

4
StR
441/78, [X.]St 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung be-schränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung
widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesi-cherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 18.
Januar 2011

1
StR
600/10, [X.], 302; vom 6.
November 1998

2
StR
636/97, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung
16). Insbesondere sind die Beweise er-schöpfend zu würdigen ([X.], Beschluss vom 7.
Juni 1979

4
StR
441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Ange-klagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Dezember 2012

4
StR
360/12, [X.], 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen [X.] nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdi-gung eingestellt wurden (vgl. [X.], Urteil vom 10.
August 2011

1
StR
114/11, [X.], 110, 111). [X.] ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die
zur
Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte An-forderungen gestellt sind (vgl. [X.], Urteile vom 6.
November 1998

2
StR 636/97 aaO; vom 26.
Juni 2003

1
StR
269/02, [X.], 35, 36). Es ist we-der im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des [X.] von Annahmen auszugehen, für deren
Vorliegen das Beweisergebnis 9
-
7
-
keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. [X.], Urteile vom 17.
Juli 2014

4
StR
129/14 Rn.
7; vom 18.
August 2009

1
StR
107/09, [X.], 85, 86; vom 21.
Oktober 2008

1
StR
292/08, [X.], 90, 91).
2.
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des [X.] nicht in jeder Hinsicht gerecht.
a)
Die [X.] hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nach-dem er am Tattag bis gegen 1.00
Uhr bzw. 1.30
Uhr bei seiner [X.] sei, von dort an die Schwimmhalle in [X.] gefahren worden, wo er seinen Bekannten K.

O.

getroffen habe, d-
ten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie
sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00
Uhr bzw. 1.30
Uhr ge-meinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das [X.] dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S.
22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00
Uhr
bzw. 1.30
Uhr die wenig später um 2.00/2.30
Uhr verübte [X.] zu begehen.
Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1
½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermög-lichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten [X.] Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
10
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-
8
-
b)
Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare
Gegenstände aus der Beute ver-fügte, sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des [X.] auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen
kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
c)
Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat
die [X.] schließlich eine Sachverhaltsvariante
für mög-lich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsäch-lichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die [X.] in der [X.] der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegen-stände von seinem Bekannten K.

O.

einen Anhalt für ihre Annahme ge-
sehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das [X.] hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vor-zunehmen und auf dieser
Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die [X.] die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die
12
13
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9
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Gegenstände aus der [X.] entweder durch die [X.] oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

[X.]
Quentin

Meta

4 StR 420/14

12.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2015, Az. 4 StR 420/14 (REWIS RS 2015, 15523)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15523

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