Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 6 StR 279/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 6478

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Gegenstand

Differenzierung zwischen einer Prostituierten und einer „unbescholtenen Frau“ im Rahmen der Strafzumessung einer Vergewaltigung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. April 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Schuld- und Rechtsfolgenausspruch halten revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat zur Strafzumessungsentscheidung:

3

1. Es benachteiligt den Angeklagten nicht, dass das [X.] bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten die – an Entscheidungen des [X.] anknüpfende (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. April 1973 – 4 [X.]; vom 3. Januar 1995 – 4 StR 723/94; vom 10. August 1995 – 4 StR 452/95; vom 21. September 1995 – 4 StR 529/95, [X.], 26; vom 19. September 2000 – 5 [X.]/00, [X.], 29 mit [X.]. [X.]. [X.] StV 2001, 454) – Erwägung eingestellt hat, die Nebenklägerin arbeite als Prostituierte, und habe sich vor der Tat zum geschützten Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten bereiterklärt, was regelmäßig geeignet sei, die Tat in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Diese Frage kann deshalb hier dahinstehen.

4

2. Der Senat könnte sich dieser Bewertung indes nicht anschließen (vgl. [X.]ehnend bereits [X.], Urteile vom 18. Februar 1998 – 2 [X.]; vom 16. August 2000 – 2 [X.]; Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 2 [X.], [X.], 207; Urteil vom 11. Juli 2001 – 3 [X.], [X.], 646; Urteil vom 29. Juni 1971 – 5 StR 235/71; ferner Urteil vom 6. Februar 2019 – 5 StR 598/18). Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Neufassung des § 177 StGB durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 ([X.] I S. 2460; vgl. [X.], [X.], 13 ff.). Der Tatbestand erfasst nach geltender Rechtslage die Vornahme sexueller Handlungen, mit denen sich der Täter – auch ohne Nötigungsmittel (vgl. [X.], [X.], 578; zur früheren Rechtslage noch [X.], Beschlüsse vom 21. September 1995 – 4 StR 529/95, [X.], 26; vom 20. März 2001 – 4 StR 79/01, [X.]R StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 16; [X.]. [X.], [X.], 238, 241) – über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt und dadurch das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung verletzt (vgl. BT-Drucks. 18/9097, [X.]). Nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen ist es jedenfalls nunmehr unerheblich, aus welchen Gründen das Opfer die sexuelle Handlung [X.]ehnt (vgl. BT-Drucks. aaO, [X.]). Der damit – entsprechend den rechtlichen Maßgaben aus Art. 36 des Übereinkommens des [X.] zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 ([X.]), umgesetzt in [X.] Recht durch Gesetz zu dem Übereinkommen des [X.] vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ([X.] [X.], [X.] ff.; BT-Drucks. 18/12037, [X.] f.) – unterschiedslos erstrebte Schutz der sexuellen Selbstbestimmung ist mit einer regelhaften Differenzierung zwischen einer Prostituierten und einer „unbescholtenen Frau“ (vgl. [X.], Beschluss vom 18. April 1973 – 4 [X.]) unvereinbar (vgl. [X.] in [X.], 13. Aufl., § 46 Rn. 123; [X.] in [X.], 4. Aufl., § 177 Rn. 201; [X.] in [X.], 5. Aufl., § 177 Rn. 105; Steinl, [X.] [133] 2021, 819).

Sander     

  

Ri[X.] [X.] ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.
Sander

  

Wenske

  

Fritsche     

  

     von Schmettau     

  

Meta

6 StR 279/22

09.08.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Braunschweig, 6. April 2022, Az: 4 KLs 5/22

§ 177 StGB, Art 36 EWGÜbk Istanbul

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 6 StR 279/22 (REWIS RS 2022, 6478)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6478

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Wird zitiert von

5 StR 386/22

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