Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2015, Az. III ZR 64/15

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3210

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 64/15
vom

28. Oktober 2015

in dem Rechtsstreit

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am
28. Oktober 2015
durch den Vorsitzenden Richter Dr.
Herrmann,
die Richter
Wöstmann, [X.] und Reiter sowie die
Richterin Dr. Liebert

beschlossen:

Die Beschwerde der [X.] gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom
5. Februar 2015 -
29 [X.]/14
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wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach §

4 UKlaG [X.] Kläger verlangt
von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen, es zu unterlassen, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln zu [X.], nach denen für die Zusendung einer Papierrechnung ein Entgelt zu bezahlen ist, dessen Höhe für Verträge über Mobilfunkdienstleistungen 1,50
Euro monatlich und für Festnetzverträge 2,50
Euro monatlich beträgt. [X.] wird die Unterlassung zweier Klauseln in den beiden Vertragstypen geltend 1
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gemacht, nach denen die Rechnungen in elektronischer Form im Online-Kundencenter zur Einsicht, zum Download oder zum Ausdruck zur Verfügung gestellt werden. Die Verträge, auf die diese Klauseln Anwendung finden, [X.] sowohl über das [X.] als auch in einem Ladengeschäft abgeschlossen werden.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und
den Streitwert auf 10.000
Euro festgesetzt. Die Revision ist nicht zugelassen [X.]. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.

Sie hält die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig. Ihre Beschwer be-trage jedenfalls mehr als
20.000
Euro. Mit der beabsichtigten Revision möchte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

II.

Die Nichtzulassungbeschwerde der [X.] ist unzulässig, weil die gemäß §
26 Nr.
8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer nicht erreicht ist. Die Beschwer der [X.] beträgt lediglich 10.000 Euro, wobei für jede bean-standete Klausel 2.500
Euro anzusetzen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts-
und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) regel-mäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der

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strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemes-senen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbo-te, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hin-gegen keine ausschlaggebende Bedeutung (Senatsbeschlüsse vom 8.
Septem-ber 2011 -
III
ZR 229/10, juris Rn. 1 und vom 28.
September 2006 -
III
ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; [X.], Beschlüsse vom 5.
Februar 2015 -
I
ZR 106/14, juris Rn. 5; vom 9.
Dezember 2014 -
VIII
ZR 160/14, juris Rn. 5; vom 6.
März 2013 -
IV
ZR 211/11, juris Rn. 3; vom 26.
September 2012 -
IV
ZR 203/11, juris Rn. 20 und vom 26.
September 2012 -
IV
ZR 208/11, [X.], 875 Rn. 20). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzver-bandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungs-prozess unterliegenden Verwenders (z.B. Senatsbeschluss vom 8.
September 2011 aaO Rn. 2; [X.], Beschlüsse vom 9.
Dezember 2014 aaO und vom 6.
März 2013 aaO Rn. 4 jew. mwN).

Diesen Wert setzt der [X.] in ständiger Rechtsprechung mit 2.500
Euro je angegriffener [X.] an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 8.
September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; [X.], Beschlüsse vom 6.
März 2013 aaO Rn.
3; vom 26.
September 2012 -
IV
ZR 203/11, juris Rn. 21 und vom 26. September 2012 -
IV
ZR 208/11, [X.], 875 Rn.
21). Dieser Ansatz ist
auch in dem vorliegenden Fall
zutreffend. [X.] dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzuset-zen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der her-ausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Ver-

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kehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Ansetzung eines höheren Werts Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwor-tung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird ([X.], Beschlüsse vom 5.
Februar 2015 aaO Rn.
6; vom 9.
Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 -
XI
ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6
f). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich.

Soweit die Beklagte geltend macht, eine höhere Beschwer liege deshalb vor, weil die Klauseln nicht nur von der [X.], sondern auch von anderen [X.] verwendet würden und deshalb von erhebli-cher wirtschaftlicher Bedeutung seien, trifft dies nicht zu. Die wesentliche streit-entscheidende
Frage, ob eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsdienstleisters, nach der für die Zusendung einer Rechnung in Papierform ein gesondertes Entgelt anfällt, unwirksam ist, wenn der Anbieter sein Produkt nicht allein über das
[X.] vertreibt, ist bereits
durch das Urteil
des Senats vom 9.
Oktober 2014 (III
ZR 32/14, NJW 2015, 328 Rn. 36 ff) grundsätzlich -
zum Nachteil der Telekommunikationsunternehmen
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entschieden und hat damit keine Bedeutung für den allgemeinen Rechtsverkehr mehr.

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Diese Entscheidung beantwortet und bejaht für die vorliegende
Konstel-lation von Verträgen, die nicht allein über das [X.] vertrieben werden, auch die von der [X.] zur Begründung einer höheren Beschwer aufgeworfene
Frage, ob eine Verpflichtung des Anbieters zur Übermittlung von Rechnungen in Papierform besteht. Eine Kontroverse über die Frage, ob diese Entschei-dung, die zu einem Mobilfunkvertrag erging, auch für Verträge über [X.] gilt, ist von der [X.] nicht dargetan. Abgrenzungsschwierigkei-ten zwischen dem Senatsurteil
vom 16.
Juli 2009 (III
ZR 299/08, [X.], 3227) zu [X.] und demjenigen vom 9.
Oktober 2014 (aaO) zu [X.], die nicht ausschließlich über das [X.] vertrieben werden, bestehen entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht. Vielmehr ergibt sich aus die-sen Entscheidungen widerspruchsfrei, dass die kostenfreie Zurverfügungstel-lung einer Rechnung in Papierform bei Produkten, die nicht ausschließlich über das [X.] vertrieben werden, zu den Pflichten des Anbieters gehört, die nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden können, [X.] bei reinen "Online-Verträgen"
unter dem Gesichtspunkt des §
307 Abs.
1 Satz 1 BGB keine Bedenken dagegen bestehen, wenn die Rechnung nur
über das [X.] abrufbar ist oder für eine zusätzliche Papierrechnung ein gesonder-tes Entgelt verlangt wird.

Die von der Beschwerde zur Begründung einer höheren Beschwer auf-geworfene Frage, ob eine Papierrechnung bei Verträgen, die nicht ausschließ-lich über das [X.] geschlossen werden, auch dann zu den Vertragspflichten des Anbieters gehört, wenn alle betroffenen Verträge die Zurverfügungstellung eines [X.]anschlusses beinhalten, erfüllt ebenfalls die vorgenannten Vor-aussetzungen nicht, unter denen die Annahme einer höheren Beschwer als 2.500
Euro je beanstandeter Klausel in Betracht kommt. Es ist schon nicht er-sichtlich und vorgetragen, dass diese Frage äußerst umstritten und für die ge-8
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samte Branche von entscheidender Bedeutung ist. Zudem ergibt sich die [X.] hierauf ebenfalls bereits aus dem
Senatsurteil
vom 9.
Oktober 2014 (aaO). Auch wenn ein
[X.]anschluss zur Verfügung gestellt wird,
kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Nutzer seinen
privaten Rechtsverkehr
im We-sentlichen über das [X.] abwickelt. Dies wird allenfalls indiziert, wenn der Kunde einen reinen "Online-Tarif"
wählt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die Pflicht zur Rechnungserteilung allein durch Bereitstellung in einem [X.]kundenportal erfüllt werden könnte, dass eine solche Fallgestaltung vorliegt.

Soweit die Beklagte zur Begründung einer höheren Beschwer geltend macht, dass durch die Verurteilung bislang erzielte Erlöse für die Erstellung der Papierrechnungen im Bereich von Mio. Euro (Mobilfunk) und

Mio.
Euro (Festnetz) jährlich entfielen, führt dies nach oben genannten Grundsätzen ebenfalls nicht zu einer höheren Beschwer. Hierbei handelt es sich allein um wirtschaftliche Belastungen der [X.], die aus
oben angestellten
Erwägun-gen bei der Bemessung der Beschwer
in Verfahren nach dem [X.] keine entscheidende Rolle spielen, zumal diese Belastungen aus der Unwirksamkeit von Klauseln entstehen, hinsichtlich derer die wesentlichen Fragen
höchstrichterlich geklärt sind. Aus demselben Grund führt auch der Vor-trag weiterer erheblicher Kostenbelastungen dadurch, dass zusätzliche Kunden, die bislang keine Papierrechnung beantragt hatten, bei deren Kostenfreiheit eine solche beantragen werden, nicht zu einer erhöhten Beschwer.

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Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Bemessung des Streitwerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

Herrmann
Wöstmann

[X.]

Reiter

Liebert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.01.2014 -
12 O 23800/12 -

OLG München, Entscheidung vom 05.02.2015 -
29 [X.]/14 -

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Meta

III ZR 64/15

28.10.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2015, Az. III ZR 64/15 (REWIS RS 2015, 3210)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3210

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29 U 830/14

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