Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2018, Az. XII ZB 168/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11459

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[X.]:[X.]:BGH:2018:280318BXIIZB168.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 168/17

vom

28. März 2018

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 37 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Wird ein Betroffener in einem Betreuungsverfahren von einem Verfahrens-bevollmächtigten
vertreten, der Akteneinsicht erhalten hat, muss ihm zur Wah-rung rechtlichen Gehörs ein eingeholtes Sachverständigengutachten nicht mehr persönlich
ausgehändigt
werden (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 7.
Februar 2018

XII
ZB
334/17

juris; vom 22.
März 2017

XII
ZB
358/16

FamRZ 2017, 996 und vom 6. Juli 2016

XII
ZB
131/16

FamRZ 2016, 1668).
BGH, Beschluss vom 28. März 2018 -
XII ZB 168/17 -
LG Hagen

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 28.
März 2018 durch [X.] und [X.]
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 13.
Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene
begehrt die Aufhebung seiner Betreuung.
Nach den Feststellungen des [X.]
leidet er an einer [X.] Psychose. Für ihn war
im Jahr 2013 auf seine Anregung hin und mit seinem Einverständnis eine rechtliche Betreuung eingerichtet worden. Diese umfasste den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung im Rahmen der Gesundheitssorge, Postangelegenheiten, Vermögensangele-genheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden und sonstigen Institutionen. Für den Bereich der Vermögensangelegenheiten wurde zudem ein Einwilli-gungsvorbehalt angeordnet. Die Überprüfungsfrist wurde auf drei Jahre festge-legt.
1
2
-
3
-
Der Betroffene hat im Oktober
2015 um Aufhebung seiner Betreuung
ge-beten. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung im bereits bestehenden Umfang nebst Einwilligungsvorbehalt verlängert. Auf die dagegen eingelegte Beschwer-de des Betroffenen hat das [X.] nach Anhörung des Betroffenen in An-wesenheit des Sachverständigen
die Betreuung für den
Aufgabenkreis Ge-sundheitssorge
und Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen der Gesund-heitssorge
aufgehoben
und die Beschwerde
im Übrigen zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die vollständige Aufhebung der Betreuung erstrebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des [X.]
liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers weiterhin vor. Der Betroffene sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, seine Angelegenheiten im Aufgabenkreis Postangelegenhei-ten, Vermögensangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden und sonstigen Institutionen selbst zu regeln, wie sich aus dem Sachverständigen-gutachten ergebe. Insoweit könne er auch nicht von freiem Willen getragene Entscheidungen treffen. Zwar sei der Betroffene auf den ersten Eindruck in der Lage, sich verständig zu äußern und Fragen sinnhaft zu beantworten. Die Stö-rung des formalen Gedankengangs werde aber schnell erkennbar. Für die Be-reiche Gesundheitssorge
und Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen der Gesundheitssorge
fehle es allerdings schon am Betreuungsbedarf. Zudem sei 3
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6
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-
nicht klar erkennbar, ob für diese Bereiche die weiteren Voraussetzungen einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen vorlägen.
2. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des rechtli-chen
Gehörs
des Betroffenen, weil ihm das Sachverständigengutachten nicht ausgehändigt worden sei.
aa) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß §
37 Abs.
2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten in seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die [X.] des Betroffenen (§
275 FamFG) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraus-setzungen
des §
288 Abs.
1 FamFG abgesehen werden (vgl. jeweils
zur Unter-bringung Senatsbeschlüsse
vom 16.
September 2015

XII
ZB
250/15

FamRZ 2015,
2156 Rn.
15 mwN
und vom 8.
März 2017

XII
ZB
516/16

FamRZ 2017, 911 Rn.
5). Wird das Gutachten dem Betroffenen nicht ausgehändigt, verletzt das Verfahren ihn grundsätzlich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör ge-mäß Art.
103 Abs.
1 Satz
1 GG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.
Mai 2017

XII
ZB
18/17

FamRZ 2017, 1323 Rn.
10 und vom 11.
August 2010

XII
ZB
138/10

BtPrax 2010, 278 Rn.
7, 10).
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Betroffene durch einen Verfahrens-bevollmächtigten (§
10 Abs.
2 Satz
1 FamFG) vertreten wird, zu dessen Kennt-nis das Gutachten gelangt ist. Denn anders als
ein nach §
276 FamFG bestell-ter Verfahrenspfleger (vgl. Senatsbeschluss vom 8.
März 2017

XII
ZB
516/16

FamRZ 2017, 911 Rn.
7 mwN) ist der [X.] rechtsge-schäftlicher Vertreter des Betroffenen (Senatsbeschluss vom 7.
Februar 2018 7
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9
10
-
5
-

XII
ZB
334/17

juris Rn.
12 mwN). Die Bekanntgabe des Gutachtens an ihn wirkt somit für und gegen den Betroffenen selbst.
bb) Danach ist die angefochtene Entscheidung des [X.] verfah-rensfehlerfrei zustande gekommen. Zwar lässt sich der Akte nicht entnehmen, dass das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten dem Be-troffenen persönlich ausgehändigt worden ist, obwohl er eine Übersendung [X.] schriftlich verlangt hatte. Die Voraussetzungen des §
288 Abs.
1 FamFG für ein Absehen von der persönlichen Bekanntgabe liegen ausweislich des Gutach-tens nicht vor. Jedoch hat sich

nach Erlass des amtsgerichtlichen Beschlus-ses

eine Rechtsanwältin als [X.] für den Betroffenen
bestellt, der die Akte mit dem darin befindlichen Gutachten noch vor Erlass der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zur Verfügung gestellt wurde. Die [X.] hatte somit im Beschwerdeverfahren Kenntnis vom gesamten Akteninhalt, mithin auch von dem Sachverständigengutachten. Diese Kenntnis muss sich
der Betroffene zurechnen lassen, so dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs insoweit ausscheidet
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 6.
Juli 2016

XII
ZB
131/16

FamRZ 2016, 1668 Rn.
16 und vom 22.
März 2017

XII
ZB
358/16

FamRZ 2017, 996 Rn.
17
f.).
b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde ferner, weder das [X.] noch die angefochtene Entscheidung enthielten [X.] zu der Frage, ob der Betroffene zu einer freien Willensbestimmung in der Lage sei.
aa) Nach §
1896 Abs.
1a BGB darf gegen den freien Willen eines Voll-jährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Die Annahme eines freien Willens im Sinne von §
1896 Abs.
1a BGB setzt dabei Einsichts-
und Handlungsfähig-keit voraus. Der Betroffene muss mithin in der Lage
sein, im Grundsatz die für 11
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-
6
-
und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen, sowie nach der gewonnenen Erkenntnis zu handeln, also die sich daraus ergebenden Schlüsse in Bezug auf die Einrich-tung einer Betreuung umzusetzen. Das krankheitsbedingte Fehlen eines sol-chen freien Willens hat das sachverständig beratene Gericht festzustellen (Se-natsbeschluss vom 3.
Februar 2016

XII
ZB
425/14

FamRZ 2016, 701
Rn.
23).
bb) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss gerecht.
(1) Das [X.] begründet seine auf das Fehlen eines freien Willens bezogene Überzeugung
damit, dass der Betroffene die Nachteile einer Betreu-ung klar sehe, aber insoweit nicht in der Lage sei, in die Abwägung auch die Vorteile einzubeziehen, die eine Betreuung biete. Die mangelnde Fähigkeit des Betroffenen zu einer klaren Abwägung hinsichtlich der Frage einer Betreuung zeige sich auch darin, dass die Aussagen des Betroffenen, ob er einen Betreuer zur Seite gestellt haben wolle, nicht konstant seien, sondern
sich immer wieder veränderten.
Diese Feststellungen zeigen, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, die für eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und demgemäß auch die für und wider eine Betreuung sprechenden Gründe abzu-wägen.
(2) Zwar ist das schriftliche Sachverständigengutachten knapp gehalten und kommt nur zu dem Schluss, dass der Betroffene die für und wider eine Be-treuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte "nur in Teilaspekten erkennen, gegeneinander abwägen und entsprechend entscheiden"
könne. Welche Teil-aspekte dies betrifft, ist aus dem Gutachten nicht ersichtlich. Allerdings hat der Sachverständige in der Anhörung vor dem [X.] erklärt, er gelange nun
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-
7
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basierend auf dem mit dem Betroffenen geführten Gespräch und dem gesam-ten Akteninhalt

zu der Einschätzung, dass der Betroffene zwar sehr konkret erkenne, was gegen eine Betreuung, insbesondere einen Einwilligungsvorbe-halt, spreche. Was jedoch dafür spreche, könne er nicht
erkennen und ein-schätzen und deswegen nicht frei darüber entscheiden.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.08.2016 -
82 XVII 31/16 -

LG Hagen, Entscheidung vom 13.02.2017 -
6 [X.] -

18

Meta

XII ZB 168/17

28.03.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2018, Az. XII ZB 168/17 (REWIS RS 2018, 11459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11459

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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