Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.01.2024, Az. VIa ZR 605/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 508

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 5. April 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 14. Februar 2017 von einem Dritten für 37.400 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die [X.] geschieht unter Verwendung eines Thermofensters.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Kläger habe schon die objektiven Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nicht substantiiert dargelegt. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf die Verwendung eines Thermofensters stütze, sei der darin eventuell liegende Gesetzesverstoß für sich betrachtet nicht geeignet, eine Haftung nach § 826 BGB zu begründen. Das gelte auch für die weiteren, seitens des [X.] behaupteten Abschalteinrichtungen, die im Grundsatz nicht nach dem Betrieb auf dem Prüfstand einerseits und dem gewöhnlichen Fahrbetrieb andererseits unterschieden. Soweit der Kläger weitere, prüfstandsbezogene Abschalteinrichtungen behauptet habe, habe er für deren Verwendung keine Anhaltspunkte aufgezeigt. Seine diesbezüglichen Behauptungen seien "ins Blaue hinein" aufgestellt und daher nicht zu berücksichtigen. Auch das behauptete Kaltstartheizen sei nach dem Vorbringen des [X.] nicht prüfstandsbezogen. Hinzu komme, dass der für das Kaltstartheizen nach dem Vorbringen des [X.] vorgesehene Temperaturbereich über den des [X.] hinausgehe, was für den Zweck des Motorschutzes spreche, und dass das Kaltstartheizen nach den vom Kläger vorgetragenen Parametern auch im [X.]betrieb mit Rücksicht auf dessen Temperaturbereich und die daraus folgenden Motorkühlmitteltemperaturen nicht zur Anwendung gelange.

7

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV scheide aus, weil in den zuletzt genannten Bestimmungen keine Schutzgesetze lägen.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 605/22

30.01.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 5. April 2022, Az: 1 U 4220/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.01.2024, Az. VIa ZR 605/22 (REWIS RS 2024, 508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 508

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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