Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.08.2016, Az. XII ZB 616/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7185

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:030816BXIIZB616.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

3. August 2016

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1897 Abs. 4 Satz 1
Zur mangelnden Eignung der in einer Betreuungsverfügung benannten Person als Betreuer in Vermögensangelegenheiten.

[X.], Beschluss vom 3. August 2016 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.] ([X.])

-
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-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 3.
August
2016
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose, [X.], [X.] und Dr.
Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 20.
November 2015 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 2 wendet sich gegen die Bestellung eines Berufsbetreu-ers für den Betroffenen.
Der 1935 geborene Betroffene leidet an einem leicht bis mittelgradig ausgeprägten demenziellen Syndrom bei Alzheimer-Krankheit. Im Oktober 2014 regte die Pflegeeinrichtung, in der sich der Betroffene zu diesem Zeitpunkt befand, die Einrichtung einer Betreuung an. Im Laufe des Verfahrens reichte die Beteiligte zu 2 eine auf den 12. Dezember 2014 datierte notariell beurkundete Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung zu den Akten,
nach der im Fall der 1
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Notwendigkeit einer Betreuerbestellung ausschließlich die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin bestellt werden sollte.
Das Amtsgericht hat zunächst durch einstweilige Anordnung vom 23.
März 2015 den Beteiligten zu 3 als Betreuer für die Aufgabenbereiche Ver-mögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über den Fernmeldeverkehr bestellt.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Betreu-ung in der Hauptsache eingerichtet und den
Beteiligten zu 3 zum (Berufs)Be-treuer bestellt. Das [X.] hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zu-rückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statt-haft. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2 folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 -
XII
ZB 117/14
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FamRZ
2015, 249 Rn. 4 mwN).
Die Rechtsbeschwerde hat aber keinen Erfolg.
1. Das [X.]
hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Es sei davon auszugehen, dass der Betroffene die notarielle Vollmacht vom 12. Dezember 2014 nicht mehr wirksam habe erteilen können. Nach den Feststellungen der Sachverständigen leide der Betroffene mindestens seit [X.] an einer mittelschweren Demenz bzw. einem leicht-
bis mittelgra-dig ausgeprägten demenziellen Syndrom bei Alzheimer-Krankheit und an einer komplexen Altersgebrechlichkeit mit umfassender Pflege-, Hilfs-
und Unterstüt-zungsbedürftigkeit. Aufgrund dieser Krankheit habe der Betroffene seinen Wil-len nicht mehr frei bestimmen bzw. nicht entsprechend seiner Einsicht handeln und keine umfassenden Vollmachten mehr rechtswirksam abschließen können. Dem stehe nicht entgegen, dass der beurkundende Notar anscheinend keine Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen gehabt habe. Ei-nem notariellen Vermerk, der die Geschäftsfähigkeit ausdrücklich bejahe, [X.] nicht dasselbe Gewicht zu wie einem psychiatrischen Gutachten, das auf einer eingehenden Untersuchung des Betroffenen beruhe.
Das Amtsgericht habe zu Recht Bedenken hinsichtlich der Redlichkeit der Bevollmächtigten geäußert. Insbesondere habe diese auch im Beschwer-deverfahren die zahlreichen Barabhebungen vom Girokonto des Betroffenen e-e-der ausreichend erklärt noch belegt. Hierzu sei sie mehrfach aufgefordert [X.] und habe auch in der Beschwerdeinstanz Gelegenheit dazu erhalten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine Barzahlung in Höhe von 14.500,00

10.
Dezember 2014 die späteren Barabhebungen im Zeitraum von Januar bis März 2015 erklären solle. Nachdem auch in der Beschwerdeinstanz aussage-kräftige Belege nicht vorgelegt worden seien, habe die Bevollmächtigte diese Zweifel nicht ausgeräumt.

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Die Anordnung der Betreuung und die Bestellung eines Berufsbetreuers seien danach veranlasst gewesen, weil es dem Wohl des Betroffenen entspre-che. Einem eventuell entgegenstehenden Wunsch des Betroffenen habe daher keine Folge geleistet werden müssen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 2 ihre Erstbeschwerde auf die [X.] beschränkt hat.
In der anwaltlich verfassten Beschwerdeschrift vom 5. Oktober 2015 hat die Beteiligte zu 2 beantragt, die Betreuung für den Betroffenen aufrecht zu [X.], aber die Beteiligte zu 2
statt des vom Amtsgericht bestellten Berufsbe-treuers zur Betreuerin zu bestellen. Zutreffend hat das Beschwerdegericht aus dieser Formulierung des Beschwerdeantrags geschlossen, dass sich die [X.] zu 2 mit ihrem Rechtsmittel nur noch gegen die [X.] wenden wollte. Eine solche Beschränkung der Beschwerde ist wirksam und führt dazu, dass Prüfungsgegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Frage nach der Person des Betreuers ist. Weitere Ermittlungen zum Betreuungsbedarf im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB oder zur Erforderlichkeit der Betreuung nach §
1896 Abs. 2 BGB sind in einem solchen Fall nicht mehr veranlasst (vgl. Se-natsbeschluss vom 3. Februar 2016 -
XII ZB 493/15 -
FamRZ 2016, 626 Rn.
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f.). Daher gehen die [X.] der Rechtsbeschwerde, die sich auf die Aus-führungen des [X.] zur Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht be-ziehen, ins Leere.
b) Die vom Beschwerdegericht getroffene Entscheidung, dem [X.] einen Berufsbetreuer zu bestellen, ist [X.] nicht zu beanstanden.
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aa) Schlägt der volljährige Betroffene eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Ein sol-cher Vorschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (Senatsbe-schluss vom 7. August 2013
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XII [X.]/13
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FamRZ 2013, 1798 Rn.
10 mwN). Ein solcher Vorschlag kann auch schon vor dem Betreuungsverfahren, etwa in einer Betreuungsverfügung abgegeben werden (MünchKommBGB/[X.] 6.
Aufl. § 1897 Rn. 22) und daher auch in einer wegen Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen unwirksamen Vorsorgevollmacht zum Ausdruck kommen (BayObLG FamRZ 1993, 1110).
Zwar steht dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers im Fall des §
1897 Abs. 4 Satz 1 BGB kein Ermessen zu. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann aber dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem
Wohl des Betreuten zuwiderliefe. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erhebli-chem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Se-natsbeschluss vom 7. August 2013
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XII [X.]/13
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FamRZ 2013, 1798 Rn.
14 mwN). Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr beruht auf einer Progno-seentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf Erkenntnisse stützen muss, die in der -
näheren oder auch weiter zurückliegenden -
Vergan-genheit wurzeln. Soweit es um die vorgeschlagene Person geht, müssen diese Erkenntnisse hinreichend aussagekräftig sein, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von 16
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der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen (Senatsbeschluss vom 25. März 2015
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XII ZB 621/14 -
FamRZ 2015, 1178 Rn. 29).
bb) Gemessen hieran ist die Entscheidung des [X.], die Beteiligte zu 2 entgegen dem von dem Betroffenen geäußerten Wunsch nicht zur Betreuerin zu bestellen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass die Beteiligte zu 2 nicht geeignet ist, die Betreuung in den Aufgabenkreisen, für die eine Betreuung eingerichtet werden soll, zum Wohl des Betroffenen auszuüben.
Danach hat die Beteiligte zu 2 in den Monaten Januar bis März 2015 e-troffenen vorgenommen, deren Verwendung sie während des gesamten [X.] nicht nachvollziehbar belegen konnte. Die hierzu vorgenommene Erläute-rung der Beteiligten zu 2, sie habe im Dezember 2014 für ein im Interesse des Betroffenen notwendiges Bauvorhaben eine Barzahlung in Höhe von 14.500

an das beauftragte Bauunternehmen geleistet, wurde vom Beschwerdegericht zu Recht als nicht ausreichend erachtet. Aus der vom Betreuer vorgelegten Aufstellung der Barabhebungen geht hervor, dass von der Beteiligten zu 2 in den Monaten Januar bis März 2015 wiederholt auch kleinere Beträge von den Konten abgehoben wurden, deren Verwendung
im Interesse des Betroffenen sich nicht durch eine bereits im Dezember 2014 vorgenommene Einmalzahlung an das Bauunternehmen erklären lassen. Berechtigte Zweifel an der Eignung der Beteiligten zu 2, die Vermögensinteressen
des Betroffenen zu dessen Wohl wahrzunehmen, ergeben sich auch daraus, dass es der Beteiligten zu 2 trotz wiederholter Aufforderungen der Instanzgerichte nicht gelungen ist, bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] schlüssige Angaben zur Verwendung der abgehobenen Geldbeträge zu machen oder entsprechende Belege vorzulegen.
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Insoweit geht auch die Rüge der Rechtsbeschwerde fehl, das Beschwer-degericht habe die Beteiligte zu 2 darauf hinweisen müssen, dass sich die [X.] in dem Zeitraum von Januar bis März 2015 nicht mit der Zahlung in der erstinstanzlichen Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass sich die vorgenommenen Barabhebungen nicht durch die Zahlung an das Bauunter-nehmen erklären ließen. Zudem hat das Amtsgericht schon in seinem Be-schluss vom 23. März 2015, mit dem die vorläufige Betreuung des Betroffenen angeordnet wurde, Zweifel an der Redlichkeit der Betroffenen, die ihrer Bestel-lung zur Betreuerin entgegen stünden, mit den von ihr nicht belegten [X.] im Zeitraum von Januar bis März 2015 begründet. Der Beteiligten zu 2 war daher während des gesamten Beschwerdeverfahrens bekannt, dass sie die von ihr getätigten Barabhebungen von den Konten des Betroffenen nicht allein

Schließlich hat das Beschwerdegericht -
entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde -
die Beteiligte zu 2 auch nicht in ihrem Anspruch auf [X.] Gehör verletzt, indem es entscheidungserhebliches Vorbringen nicht [X.] hat.
Die weiteren Erläuterungen der Beteiligten zu 2 zu Zahlungen, die sie für den Betroffenen erbracht hat, sind nicht ausreichend, um die Zweifel an ihrer Eignung als Betreuerin zu zerstreuen. Soweit die Beteiligte zu 2 in ihrem Schreiben vom 26. März 2015 zur Verwendung der Geldbeträge vorgetragen hat, beziehen sich diese Angaben lediglich auf das Konto des Betroffenen bei der [X.] Angaben zu den Barabhebungen vom Konto des Be-troffenen bei der Raiffeisenbank K.
sind in diesem Schreiben nicht enthalten. Ebenso wenig können die von der Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 3.
April 2015 vorgelegten drei Rechnungen der Wassergemeinschaft P. mit den Barab-20
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hebungen von den Konten des Betroffenen in Zusammenhang gebracht wer-den, zumal den vorgelegten Kopien nicht einmal zu entnehmen ist, ob diese Rechnungen überhaupt bezahlt wurden.
Dose

Schilling

Günter

Botur

Krüger

Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 23.09.2015 -
504 [X.] 526/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.11.2015 -
43 [X.] -

Meta

XII ZB 616/15

03.08.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.08.2016, Az. XII ZB 616/15 (REWIS RS 2016, 7185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7185

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43 T 1576/15

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