Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. 1 StR 411/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2024, 174

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Gegenstand

Beanstandung der Ablehnung von Beweisanträgen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] wird mit Zustimmung des [X.] von der Einziehung der im Urteil näher bezeichneten [X.] abgesehen; die Einziehungsentscheidung entfällt.

2. Im Übrigen wird die Revision mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Diebstahl schuldig ist.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner die Einziehung einer im Urteil näher bezeichneten [X.] angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Mit Zustimmung des [X.] hat der [X.] aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung einer neuen Hauptverhandlung nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 [X.] von einer Einziehung der im Urteil näher bezeichneten [X.] abgesehen. Die Einziehungsentscheidung entfällt.

3

2. Die Verfahrensbeanstandungen vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ergänzend zu den Ausführungen des [X.] bemerkt der [X.] Folgendes:

4

a) Es kann letztlich dahinstehen, ob die Rüge, das [X.] habe bei der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 2 [X.] verstoßen, deshalb unzulässig ist, weil zu einer Einwilligung der Geschädigten in eine Exploration nichts vorgetragen worden ist. Die Verfahrensbeanstandung erweist sich jedenfalls aus den zutreffenden Gründen der Zuleitungsschrift des [X.] als unbegründet. Soweit der [X.] in früheren Entscheidungen (vgl. Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – 1 [X.] und vom 5. Oktober 2004 – 1 [X.]) einen Sachvortrag zur Einwilligung der zu begutachtenden Person in die Untersuchung für erforderlich gehalten hat, hält er hieran jedenfalls für die Fälle, in denen das Tatgericht den Antrag auf Begutachtung wegen eigener Sachkunde abgelehnt hat, aus den Gründen der Beschlüsse des 3. Strafsenats des [X.] vom 21. August 2014 (3 [X.] Rn. 4) und des 4. Strafsenats des [X.] vom 16. Februar 2021 (4 [X.] Rn. 6) nicht fest.

5

b) Die Rüge, die Strafkammer habe den Antrag des Beschwerdeführers auf Auswertung der Standortdaten seines Handys zum Beweis dafür, dass dieses zur Tatzeit nicht im Funkzellenbereich des Tatorts eingeloggt war, sondern sich der Beschuldigte mit diesem anderenorts aufhielt, rechtsfehlerhaft wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 [X.]), ist unbegründet. Das [X.] hat den Antrag zum Nachweis einer [X.] rechtsfehlerfrei als Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 [X.] verbeschieden. Auch hätte sich die Auswertung der Standortdaten dem [X.] nicht aufdrängen müssen (§ 244 Abs. 2 [X.]).

6

c) Ebenso wenig dringt die Revision mit der Rüge durch, das [X.] habe die Beiziehung von Personalakten rechtsfehlerhaft als für die Schuld- und Straffrage aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 [X.]). Ungeachtet der Frage, ob das Beweisbegehren als Beweisantrag zu qualifizieren oder – wofür viel spricht – mit Blick darauf, dass sich der Antrag unspezifiziert auf Beiziehung der gesamten Personalakte bezogen hat, lediglich als Beweisermittlungsantrag anzusehen ist (vgl. zu Krankenunterlagen: [X.], Urteil vom 23. Juli 1997 – 3 [X.] Rn. 6 ff.; allgemein zu Akten als Urkundensammlungen: [X.], Urteile vom 7. Mai 1954 – 2 StR 27/54, [X.]St 6, 128 und vom 30. August 1990 – 3 [X.], [X.]St 37, 168, 172; vgl. auch [X.] in Löwe/[X.], [X.], 27. Aufl., § 244 Rn. 106), erweist sich die Ablehnungsentscheidung als rechtsfehlerfrei.

7

d) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das faire Verfahren und eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 [X.]) wegen fehlender Erteilung von Abschriften in der Hauptverhandlung verkündeter Beschlüsse (§ 35 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und fehlender Gewährung von Akteneinsicht in das vorläufige Protokoll gerügt hat, dringt er auch damit jedenfalls in der Sache nicht durch, da dem [X.] nicht zu entnehmen ist, dass er hierdurch in seinem Recht auf Verteidigung beeinträchtigt worden wäre.

8

3. Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Das [X.] hat die rechtsfehlerfrei unter § 177 Abs. 1 und 5 Nr. 1 StGB subsumierte Tat lediglich unzutreffend als "sexuellen Übergriff" bezeichnet. Der [X.] korrigiert dies in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.].

9

4. [X.] beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 [X.]; angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (zur Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 [X.] bei vollständigem oder teilweisem Absehen von der Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2021 – 5 StR 458/20 Rn. 3 ff. [X.]).

Jäger     

      

Bellay     

      

Wimmer

      

Allgayer     

      

Munk     

      

Meta

1 StR 411/23

12.01.2024

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 25. April 2023, Az: 4 KLs 210 Js 20489/22

§ 81c Abs 1 StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 244 Abs 4 S 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. 1 StR 411/23 (REWIS RS 2024, 174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 174

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Referenzen
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Zitiert

5 StR 458/20

4 StR 517/20

3 StR 208/14

1 StR 602/12

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