Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2003, Az. 4 StR 265/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2182

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[X.] StR 265/03vom22. Juli 2003in der Strafsachegegenwegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 22. Juli 2003 gemäß § 349 Abs. 2und 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] Halle/Saale vom 12. März 2003, soweit esden Angeklagten [X.]betrifft, mit den Feststellungenaufgehobena) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der [X.] verurteilt worden ist,b) im [X.] sowiec) im [X.].2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen (schwerer) räuberischerErpressung in Tateinheit mit schwerem Raub sowie wegen (schwerer) räuberi-scher Erpressung in Tateinheit mit "Verstoß gegen das Waffengesetz" [richtig:unerlaubtem Führen einer vollautomatischen Selbstladewaffe] zu einer Ge-- 3 -samtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt; ferner hat es gegen den Ange-klagten die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendetsich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandetund die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus [X.] ersichtlichen weitgehenden Erfolg; im übrigen ist es unbegrün-det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.1. [X.] im Fall II. 1 der Urteilsgründe ([X.] 29. August 2002) hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand,weil die bisher getroffenen Feststellungen die Verwirklichung des vom [X.] hinsichtlich des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung angenom-menen qualifizierten Tatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht belegen.Nach dieser Vorschrift, der die [X.] die Einzelstrafe von achtJahren und sechs Monaten, die zugleich die Einsatzstrafe ist, entnommen hat,wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, wenn der [X.] ein anderer Beteiligter bei der [X.] eine Waffe oder ein anderes [X.] Werkzeug verwendet. Wie der [X.] in seiner An-tragsschrift vom 25. Juni 2003 insoweit zutreffend dargelegt hat, haben [X.] Angeklagte noch der frühere Mitangeklagte [X.]diesen qualifizierten [X.] schon dadurch erfüllt, daß entsprechend ihrem [X.] der [X.] mit der von ihm mitgeführten - mangels näherer Feststellungenzum Ladezustand - möglicherweise ungeladenen Schreckschußpistole [X.] und [X.]dazu einen "pistolenähnlichen, nicht weiter aufklärbaren Ge-genstand" in der Hand hatte. Vielmehr erfüllt das bloße Mitführen dieser [X.] allein den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. [X.]. [X.] eines gefährlichen Werkzeugs kommen deshalb nur die Schläge- 4 -auf den Kopf in Betracht, die [X.]dem Tatopfer mit dem pistolenähnlichen Ge-genstand versetzte und die zu einer 2 cm großen Platzwunde führten. Zwar wardieser Einsatz als solcher nach den bisher getroffenen [X.] nicht vomgemeinsamen [X.] gedeckt, weshalb das [X.] zu Recht die durch[X.]verübte gefährliche Körperverletzung dem Angeklagten nicht zugerechnethat. Gleichwohl kann der Senat nicht entsprechend dem Antrag des [X.] den Schuldspruch hinsichtlich des Beschwerdeführers auf [X.] des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. [X.] bestätigen und nur [X.] in diesem Fall aufheben. Denn [X.]hat dem Tatopfer den er-sten Schlag auf den Kopf versetzt, bevor beide Angeklagten es aufforderten,[X.] zu öffnen und sie daraus den Geldbeutel mit 7.600 Den früheren Mitangeklagten [X.]hat das [X.] deshalb zu Recht we-gen Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2Nr. 1 StGB für schuldig befunden. Dies kommt auch hinsichtlich des [X.] in Betracht, da der Tatbestand die Verwendung eines [X.] durch einen Beteiligten - hier [X.]- genügen läßt. Die nach [X.] über die Mittäterschaft bei qualifizierten Delikten [X.] kommt gegenüber dem Angeklagten vorliegend schon deshalb [X.], weil die gemeinschaftlich begangene [X.] beim erstmaligen Zu-schlagen durch [X.]noch nicht vollendet und beim zweiten Einsatz des [X.] Gegenstandes jedenfalls noch nicht beendet war (vgl. zur [X.] Mittäterschaft bei qualifizierenden Umständen die Nachweise beiTröndle/[X.] 51. Aufl. § 25 Rdn. 9). Voraussetzung ist allerdings, daßder Angeklagte Kenntnis von dem qualifizierenden Umstand, d.h. die von [X.]verübten Schläge mit dem pistolenähnlichen Gegenstand wahrgenommen hatteund dennoch an der weiteren Tatausführung festhielt. Hierzu hat das [X.] im angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen. Der Senat geht- 5 -aber davon aus, daß sich hierzu weitere Feststellungen durch den neuen [X.] treffen lassen, die den Schuldspruch auch gegen den Angeklagten [X.] Grundlage von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bestätigen können.Sofern sich in der neuen Hauptverhandlung feststellen läßt, daß dieSchreckschußpistole des Angeklagten bei der Tat geladen war, hätte er nachder Entscheidung des [X.] des [X.]vom 4. Februar 2003 - [X.] - ([X.], 336) den qualifizierten Tatbe-stand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch in eigener Person durch die bloße Be-drohung des [X.] mit dieser Waffe erfüllt.Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe zieht dieAufhebung des [X.]s nach sich.2. Der [X.] über die Anordnung der Unterbringung [X.] in der Sicherungsverwahrung hält ebenfalls der rechtlichen Nach-prüfung nicht stand. Die Revision hat insoweit mit der Rüge der Verletzung des§ 246 a StPO Erfolg. Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer, daß in [X.] entgegen der zwingenden Vorschrift des § 246 a Satz 1StPO kein Sachverständiger über seinen Zustand vernommen worden ist. [X.] ist zulässig ausgeführt. Denn die Revision trägt alle Tatsachen vor, dieden behaupteten [X.] belegen, der zudem durch die Ausführun-gen des [X.]s im angefochtenen Urteil bestätigt wird. Die Aktenteile,deren Vortrag der [X.] vermißt, sind für die Feststellung desgeltend gemachten [X.] nicht von [X.] 6 -Das [X.] hat zur Frage der Unterbringung des Angeklagten inder Sicherungsverwahrung zwar einen forensisch-psychiatrischen Sachver-ständigen auch in der Hauptverhandlung hinzugezogen. Ein Gutachten überden Angeklagten zur Frage des Vorliegens eines Hanges im Sinne von § 66Abs. 1 Nr. 3 StGB hat der Sachverständige jedoch nicht erstattet. Vielmehr hatdas [X.] "die rechtliche und sachliche Würdigung ohne das [X.] Gutachtens durchgeführt" ([X.]). Dem lag zugrunde, daß der Ange-klagte sich bis zum Schluß der Hauptverhandlung weigerte, sich einer [X.] zu unterziehen, und auch keine Angaben zu seiner Person machte. [X.] Hintergrund sah sich der Sachverständige zu einer "wissenschaftlichfundierte(n) Aussage zur Frage, ob aus fachpsychiatrischer Sicht die Voraus-setzungen für die Anwendung des § 66 StGB vorlägen", ebenso wie zu einerBegutachtung "nach Aktenlage" außer Stande. Dies hat das [X.] - in-soweit "sachverständig beraten" ([X.]) - hingenommen.Damit ist der behauptete [X.] bewiesen. Denn es warrechtsfehlerhaft, allein wegen der Weigerung des Angeklagten, sich einer [X.] durch den Sachverständigen zu unterziehen, auf die Einholung einergutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen ganz zu verzichten, die§ 246 a Satz 1 StPO zwingend vorschreibt. Aus der Entscheidung [X.] 246 a Satz 1 Sachverständiger 1, auf die sich der [X.] fürseine Auffassung stützt, zumindest beruhe das Urteil im [X.]nicht auf dem Verfahrensmangel, ergibt sich nichts anderes. Denn [X.] in Fällen strikter Weigerung des Angeklagten, sich einer Exploration zuunterziehen, namentlich dann, wenn - wie hier - ausschließlich Sicherungsver-wahrung in Betracht kommt, unter Umständen auf eine Untersuchung im [X.] § 246 a Satz 2 StPO verzichtet werden. Das gilt jedoch nicht ohne [X.] -auch für die gutachterliche Äußerung zur Frage der [X.] als solche, solange mit dem Akteninhalt, den [X.], dem [X.] vom Angeklagten in der Hauptverhandlung und möglicherweise weiterenErkenntnissen über die Persönlichkeit des Angeklagten, wie sie etwa aus sei-nem Verhalten im Vollzug gewonnen werden können, geeignete Anknüp-fungstatsachen vorliegen, die eine gutachterliche Äußerung zulassen (vgl.BGHR aaO). Daß die Beurteilungsgrundlage für den Sachverständigen bei [X.] Weigerung des Angeklagten, sich explorieren zu lassen, nur eingeschränktist, macht die Bewertung deshalb noch nicht unmöglich. Das zeigt sich hierschon daran, daß die [X.] selbst - wie die Revision zu Recht einwen-det - auf eben derselben eingeschränkten Tatsachengrundlage, wie sie auchdem Sachverständigen zur Verfügung stand, die Überzeugung von einem Hangim Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu gewinnen vermochte. Deshalb durftesich die [X.] nicht mit der Erklärung des Sachverständigen abfinden,ihm sei auf dieser Grundlage eine "wissenschaftlich fundierte" fachpsychiatri-sche Begutachtung nicht möglich. Vielmehr mußte der Tatrichter den Sachver-ständigen dazu anhalten, sich zur Frage der [X.] des [X.] äußern. Sofern der Sachverständige dies unter Berufung auf wissenschaftli-che Standards weiterhin abgelehnt hätte, hätte die [X.] gegebenen-falls einen anderen Sachverständigen beauftragen oder notfalls eine Untersu-chung des Angeklagten nach §§ 81, 81 a StPO anordnen müssen (vgl. [X.] 46. Aufl. § 246 a Rdn. 3 m.[X.] dem Verfahrensmangel beruht der [X.]. Denn [X.] es eher fernliegt, kann der Senat nicht mit Sicherheit ausschließen, daßein Sachverständiger dem Tatrichter auch ohne Exploration des [X.] vermittelt hätte, die zumindest Zweifel an einer [X.]hätten begründen können und sich deshalb für ihn günstig ausgewirkt hätten.Davon abgesehen genügen die Darlegungen im angefochtenen [X.] für sich nicht, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob das [X.] seiner Bewertung zum Vorliegen eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1Nr. 3 StGB einen zutreffenden Maßstab zugrundegelegt hat. Dies gilt [X.] mit Blick auf die unzureichende Darstellung der den früheren [X.] zugrundeliegenden Tatgeschehen. Insoweit beschränkt sich das Urteil aufdie Wiedergabe der jeweiligen Schuldsprüche und die Mitteilung, der weiterenVerurteilung des Angeklagten vom 11. Juli 1996 lägen "fünf ähnlich gelagerteFälle, in denen Frauen auf offener Straße brutal überfallen wurden, zugrunde",ohne auch nur die [X.], geschweige denn die jeweiligen näheren Tatum-stände mitzuteilen. Das genügt für die nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB geboteneGesamtwürdigung namentlich dann nicht, wenn - wie hier - die Beurteilungs-grundlage infolge der Weigerung des Angeklagten, an einer Untersuchung mit-zuwirken, eingeschränkt ist.Die Sache bedarf deshalb auch insoweit unter Hinzuziehung eines - ge-gebenenfalls anderen - Sachverständigen neuer Prüfung und Entscheidung.[X.] Maatz [X.]

Meta

4 StR 265/03

22.07.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2003, Az. 4 StR 265/03 (REWIS RS 2003, 2182)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2182

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