Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2018, Az. XI ZR 371/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 8314

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:050618UXIZR371.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES

Urteil
XI
ZR
371/16
Verkündet am:
5.
Juni 2018
Weber
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5.
Juni
2018 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, [X.]
Grüneberg
und Maihold
sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Derstadt

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 22.
Juni
2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

-
3
-

Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Erstattung von Bearbei-tungsentgelt, das er im Zusammenhang mit zwei zur Finanzierung von Foto-voltaikanlagen geschlossenen Darlehensverträgen an die Beklagte bezahlt hat.
Die Parteien schlossen am 28.
Mai/1.
Juni
2010 einen Darlehensvertrag über 192.000

zur Finanzierung einer Fotovoltaikanlage in [X.] und am 21.
Februar/3.
März
2012 einen Darlehensvertrag über 63.800

zur Finanzie-rung einer Fotovoltaikanlage
in [X.].
Wie in Ziffer 3.3 bzw. 3.2 des [X.] festgelegt war, zahlte der Kläger an die Beklagte jeweils ein einmaliges, sofort fälliges, nicht laufzeitabhängiges
"Bearbeitungsentgelt"
in Höhe von 1% des [X.], mithin 1.920

(netto) bzw. 638

(netto) [X.] Mehrwertsteuer. Vor und nach diesen beiden Verträgen schlossen die Parteien weitere Darlehensverträge, die keine Bearbeitungsentgelte vorsahen, darunter am 24./25.
April
2012 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer Fotovoltaikanlage
in [X.]. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Vereinbarungen über die Bearbeitungsentgelte. Die Beklagte erhebt zu-dem die Einrede der Verjährung.
Der Kläger behauptet, die Beklagte mit Schreiben vom 23.
Dezember
2014 zur Rückzahlung des [X.] in Höhe von 1.920

aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage
in [X.] sowie zur Rückzahlung eines [X.] in Höhe von 759,22

aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage
in [X.]

insgesamt 2.679,22

aufgefordert
zu haben. Mit einem am 29.
Dezember
2014 beantragten und der Beklagten am 3.
Januar
2015 zugestellten Mahnbe-scheid hat der Kläger die Zahlung von 2.679,22

nebst Zinsen in Höhe von 8% seit dem 1.
Juni
2010 begehrt und dabei die Hauptforderung wie folgt be-1
2
3
-
4
-

zeichnet
"[X.] Bereicherung gem. 23.
Dezember 2014 vom 01.
Juni 10". In der Anspruchsbegründung vom 20.
April
2015 hat er die Zins-forderung zunächst auf 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 1.
Juni
2010 abgeändert und nach Hinweis des Erstrichters dahin gehend
kor-rigiert, dass er Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.920

seit dem 1.
Juni
2010 und aus 759,22

seit dem 25.
April
2012 begehre. Noch vor der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit [X.] seines Prozessvertreters vom 9.
Juni
2015 mitgeteilt, bei der Rückforderung eines [X.] aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage
in [X.] habe es sich um eine Verwechslung gehan-delt,
und stattdessen die Rückzahlung eines [X.]
"von 759,22

(638,00

+ 19% Steuer)"
aus dem Darlehensvertrag zur Finanzie-rung der
Fotovoltaikanlage
in [X.] begehrt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. Mit seiner von dem [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision des [X.] hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung ([X.], Urteil vom 22.
Juni
2016

4
[X.]/15, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der streitgegen-ständlichen Bearbeitungsentgelte und damit auch kein Anspruch auf [X.] zu, da die Leistungen des [X.] nicht ohne Rechts-4
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6
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5
-

grund erfolgt seien. Er habe unstreitig als Unternehmer gehandelt und die im Streit stehenden Darlehensverträge zur Finanzierung gewerblich betriebener Fotovoltaikanlagen
abgeschlossen. Die Rechtsprechung des [X.] zur Unwirksamkeit von [X.] in [X.] könne auf eine solche Fallgestaltung nicht übertragen werden.
Sollte es sich um individuelle Vereinbarungen handeln, ergebe sich de-ren Wirksamkeit aus der allgemeinen Vertragsfreiheit, in deren Rahmen auch die Vereinbarung der streitgegenständlichen Bearbeitungsentgelte zulässig sei.
Sollte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, hielten diese einer eröffneten Inhaltskontrolle nach §
307 BGB stand, weil es zu [X.] unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders komme. Bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern sei auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen und darüber hinaus den Besonderheiten des kaufmän-nischen Rechtsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Zwar fehle es an einem auf die Entrichtung einer Darlehensgebühr gerichteten Handelsbrauch. Zu berücksichtigen sei aber der in §
354 HGB normierte Handelsbrauch, dass aus Sicht eines Kaufmanns jede Leistung grundsätzlich entgeltlich erbracht werde. Von Unternehmern werde erwartet, dass sie ihre Kosten sorgfältig kal-kulierten
und deshalb einer Preisnebenklausel besondere Aufmerksamkeit schenkten. Ebenfalls müsse berücksichtigt werden, dass es einem Unterneh-mer anders als einem Verbraucher generell möglich sei, Kosten und Lasten weiterzugeben.
Schließlich bestünden strukturelle Unterschiede zwischen Verbraucher-
und Unternehmerdarlehen. Die Vereinbarung eines [X.] sei für den
unternehmerisch tätigen Darlehensnehmer steuerrechtlich in aller Regel vorteilhaft. Zudem führe die im Unterschied zu Verbraucherdarlehen vielfach deutlich kürzere Zinsbindung dazu, dass der Un-8
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10
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-

ternehmer vergleichsweise früh zur Kündigung des Darlehensvertrages [X.] sei und deshalb keine gesicherte
Zinserwartung der Bank bestehe. Dann stehe dieser kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zu und es bestehe das Risiko, dass sich der Bearbeitungsaufwand
allein durch eine Ein-preisung in den Zins nicht erwirtschaften lasse.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
[X.] ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Kläger angegriffenen Vereinbarungen über die Erhebung von [X.] auch als Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam seien. Mangels Feststellungen des Berufungsgerichts dazu ist im Revisionsverfahren zugunsten des [X.] zu unterstellen, dass den streitigen Bearbeitungsent-gelten Allgemeine
Geschäftsbedingungen der Beklagten zugrunde
lagen.
1. Das Berufungsgericht nimmt noch zutreffend an, dass die streitigen Vereinbarungen jeweils Preisnebenabreden darstellen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, unterliegt eine in einer
Dar-lehensurkunde eines Kreditinstituts für den Abschluss von Kreditverträgen mit Unternehmern enthaltene formularmäßige [X.] über die Erhebung eines [X.] nach §
307
Abs.
3 Satz
1
BGB der richterlichen [X.] (Senatsurteile vom 4.
Juli
2017

XI
ZR
562/15, [X.], 1643
Rn.
23
ff., zur Veröffentlichung in [X.]Z
vorgesehen
und XI
ZR
233/16, [X.], 1652
Rn.
32 ff.).
Die von der Beklagten verwendete [X.], die der Senat selbstständig auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 13.
Mai
2014

XI
ZR
405/12, [X.]Z
201, 168
Rn.
26), ist vom Berufungsgericht zutreffend als kontrollfähige Preisne-benabrede eingeordnet worden.
Nach der verwendeten Bezeichnung
"Bear-11
12
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14
-
7
-

beitungsentgelt"
handelt es sich um Entgelt für die Bearbeitung des [X.] einschließlich
der Vorbereitung des Vertragsschlusses sowie für Verwaltungsaufwand der Beklagten bei Kreditbearbeitung und -auszahlung (vgl. dazu Senatsurteile vom 13.
Mai
2014

XI
ZR
405/12, [X.]Z
201, 168
Rn.
28 f. und XI
ZR
170/13, [X.], 1325
Rn.
36 ff.).
Unerheblich ist für diese Auslegung Vortrag der Beklagten in den Tat-sacheninstanzen, sie habe durch die formularmäßige Vereinbarung eines [X.] das wirtschaftliche Risiko einer kurzfristigen Kündbarkeit der Darlehen ausgleichen wollen. Solche Motive oder betriebswirtschaftliche
Zwecke haben

ungeachtet ihrer fehlenden Relevanz

weder im Wortlaut der [X.] noch in der Systematik der Vertragsbedingungen einen Niederschlag gefunden.
2. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils weiter entschieden
hat, sind formularmäßige [X.]n über die Erhebung eines Bearbeitungsent-gelts
in Darlehensverträgen gemäß §
307
Abs.
1 Satz
1,
Abs.
2
Nr.
1 BGB auch im Verhältnis zu Unternehmern unwirksam. Die Erhebung eines laufzeit-unabhängigen Entgelts ist auch
für die Bearbeitung eines Unternehmerdarle-hens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§
488
Abs.
1 Satz
2 BGB) unvereinbar und benachteiligt die Kunden des [X.] entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (Se-natsurteile vom 4.
Juli
2017

XI
ZR
562/15, [X.], 1643
Rn.
37
ff. und XI
ZR
233/16, [X.], 1652
Rn.
45 ff.). Der vorliegende Fall gibt keinen An-lass zu einer abweichenden Beurteilung.
3. Ob die Regelungen in den Darlehensverträgen über die Erhebung von [X.] dem Transparenzgebot des §
307
Abs.
1 Satz
2,
Abs.
3 Satz
2
BGB genügen, bedarf hiernach keiner Entscheidung.
15
16
17
-
8
-

III.
Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob es sich bei den beiden im Streit stehenden Vertragsbedingungen um Individualvereinbarungen oder um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist die Sache nicht zur En-dentscheidung reif. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§
562
Abs.
1 ZPO)
und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§
563
Abs.
1 Satz
1
ZPO).

1. Das Berufungsgericht wird zu berücksichtigen haben, dass Vertrags-bedingungen vorformuliert sind, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind.
Dabei ist unerheb-lich, ob bei Abschluss von Darlehensverträgen regelmäßig ein Bearbeitungs-entgelt in Höhe festgelegter Prozentsätze verlangt oder das Entgelt im Einzel-fall anhand der Daten des konkreten Darlehensvertrages nach bestimmten Vorgaben errechnet wird (Senatsurteil
vom 4.
Juli
2017

XI
ZR
233/16, [X.], 1652
Rn.
20 mwN).
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kann von ei-nem Aushandeln der Vertragsbedingungen nach §
305
Abs.
1 Satz
3
BGB nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den
in seinen [X.] Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergän-zenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem [X.] Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen ein-räumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen
(Senatsurteil vom 4.
Juli
2017

XI
ZR
233/16, [X.], 1652
Rn.
23). Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen ([X.], Urteil vom 20.
März
2014

VII
ZR
248/13, [X.]Z
200, 326
Rn.
27 mwN). In der Regel wird sich das Aushandeln in Ände-rungen des vorformulierten Textes niederschlagen. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende [X.]n abzuändern, genügt nicht (Senatsurteil vom 18
19
20
-
9
-

28.
Juli
2015

XI
ZR
434/14, [X.]Z
206, 305
Rn.
23).
Diese Anforderungen gelten auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern (Senatsurteil vom 4.
Juli
2017, aaO
Rn.
24 mwN).
2. Sollte das Berufungsgericht danach einen Anspruch des [X.] be-jahen, wird es bei der Prüfung der von der Beklagten erhobenen
Verjährungs-einrede die Entscheidungen des Senats zum Beginn der Verjährungsfrist in diesen Fällen anzuwenden (Senatsurteile vom 4.
Juli
2017

XI
ZR
562/15, [X.], 1643
Rn.
84 ff. und XI
ZR
233/16, [X.], 1652
Rn.
93 ff.) und weiter hinsichtlich des Darlehens
aus dem Jahr 2010
zu prüfen haben, ob die Anforderungen der Rechtsprechung an die Individualisierung eines Anspruchs rechtzeitig erfüllt worden sind
(vgl. Senatsurteil vom 21.
Oktober
2008

XI
ZR
466/07, [X.], 420
Rn.
18
ff. mwN).

Ellenberger

Grüneberg

Maihold

Menges

Derstadt
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.08.2015 -
4 [X.]/15 -

[X.], Entscheidung vom 22.06.2016 -
4 [X.]/15 -

21

Meta

XI ZR 371/16

05.06.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2018, Az. XI ZR 371/16 (REWIS RS 2018, 8314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8314

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