Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.01.2023, Az. VII R 54/20

7. Senat | REWIS RS 2023, 2144

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Gegenstand

Verwendung von Biogas zur Erzeugung von Strom


Leitsatz

1. Strom wird nur dann i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG "aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt", wenn dabei tatsächlich --physikalisch-- und nicht nur bei einer kaufmännisch-bilanziellen Betrachtungsweise erneuerbare Energieträger verwendet werden.

2. Strom, der mit einem aus dem öffentlichen Versorgungsnetz entnommenen Gasgemisch erzeugt wird, das neben Erdgas auch aus Biomasse erzeugtes Gas enthält, ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG von der Steuer befreit, weil Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 2 Nr. 7 StromStG nur dann vorliegt, wenn er ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24.09.2020 - 14 K 2221/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Energieversorgungsunternehmen, das Letztverbraucher mit elektrischem Strom beliefert. Sie hat eine Versorgererlaubnis gemäß § 4 des Stromsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 2015 (StromStG). An zwei Standorten erzeugte sie in Blockheizkraftwerken (BHKW) Strom, den sie teilweise an Letztverbraucher lieferte und im Übrigen in das öffentliche Versorgungsnetz einspeiste.

2

Das Gas zur Erzeugung des Stroms in den BHKW entnahm die Klägerin aus dem öffentlichen Gasnetz, in das u.a. Biogas, das in einer [X.] eines Dritten erzeugt wurde, eingeleitet wurde und sich dort mit dem übrigen Gas vermischte. Aufgrund eines sog. Massebilanzsystems konnte das entnommene Gas kaufmännisch-bilanziell dem eingespeisten Biogas zugerechnet werden. Tatsächlich wurde ein Gasgemisch entnommen.

3

Mit Steueranmeldung vom 23.05.2016 erklärte die Klägerin für das Streitjahr 2015 eine Stromsteuer in Höhe von … € zum Regelsteuersatz. In der Folge machte sie die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für die Stromlieferungen an Letztverbraucher von einem BHKW für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2015 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --[X.]--) setzte die Erstattung zunächst antragsgemäß mit [X.] vom 14.12.2016 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Mit weiterem Schreiben vom 27.12.2016 beantragte die Klägerin die entsprechende Steuerbefreiung für den [X.] vom 01.04. bis 31.12.2015.

4

Nachdem das [X.] im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme zu der Feststellung gelangt war, dass das BHKW lediglich bei einer [X.] Betrachtungsweise mit Biogas betrieben werde, setzte es mit [X.] vom 23.08.2017 die Stromsteuer für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2015 erneut fest und forderte Stromsteuer in Höhe von … € zurück. Den Antrag auf Erstattung der Stromsteuer für den [X.] vom 01.04. bis 31.12.2015 lehnte das [X.] mit [X.] vom selben Tag ab.

5

Mit Schreiben vom 27.12.2017 gab die Klägerin eine korrigierte Steueranmeldung beim [X.] ab. Dabei machte sie für das [X.] nunmehr für beide BHKW die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG geltend.

6

Das [X.] lehnte die Änderung der festgesetzten Stromsteuer und die damit verbundene Erstattung für das Kalenderjahr 2015 mit [X.] vom 07.03.2018 ab, weil kein Strom aus erneuerbaren Energieträgern für den Betrieb der BHKW verwendet worden sei.

7

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, der Klägerin stehe kein Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für den in den BHKW erzeugten Strom zu, weil es dabei auf eine physikalische Verwendung von Biogas zur Erzeugung von Strom ankomme. Der Begriff der Biomasse in § 2 Nr. 7 StromStG umfasse nur die physikalische Betrachtung und nicht auch die [X.]. Zwar enthalte das StromStG selbst keine Definition; in § 1b der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) werde jedoch auf die Definition in der Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse ([X.]) verwiesen, in der auf eine stoffliche Betrachtung abgestellt werde. Ein Gemisch von begünstigtem und nicht begünstigtem Gas sei nicht begünstigt, was sich aus dem Merkmal der Ausschließlichkeit in § 2 Nr. 7 StromStG ergebe. Diese Auslegung entspreche der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/40, S. 11). Aus der Formulierung "unvermischt" in § 28 des [X.] ([X.]) lasse sich kein Umkehrschluss für § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ziehen, zumal in § 2 Nr. 7 StromStG das Merkmal der Ausschließlichkeit enthalten sei. Diesem Ergebnis stehe schließlich auch das Unionsrecht nicht entgegen. Denn nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom --EnergieStRL-- ([X.] --[X.]-- 2003, Nr. L 283, 51) handele es sich um eine fakultative Steuerbefreiung; deshalb könnten die Mitgliedstaaten diese Steuerbefreiung auch einschränkend ausgestalten und die Befreiung auf die physikalische Betrachtung beschränken.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie trägt vor, das [X.] habe die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG verkannt. Auch bei [X.]m Biogas handele es sich um einen erneuerbaren Energieträger nach § 2 Nr. 7 [X.] Aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 7 StromStG ergebe sich keine Einschränkung.

9

Die systematische Auslegung stütze die Ansicht der Klägerin. Der Begriff der Biomasse werde nach § 1b Abs. 2 StromStV durch Verweis auf die [X.] definiert. Diese Verordnung sei originär für die Zwecke des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien ([X.]) verfasst worden. Dieses wiederum unterstütze die räumliche Entkopplung von Biogaserzeugung und -verstromung. Das gelte über den Verweis in § 1b Abs. 2 StromStV auch im Anwendungsbereich des [X.]

Für eine Einbeziehung von [X.]m Biogas spreche ein Vergleich der Zielsetzungen des StromStG und des [X.]. Ursprüngliches Ziel der Steuerbefreiung für erneuerbare Energieträger sei deren Förderung, um einen Ausbau der Stromerzeugung zu erreichen; zur Zielerreichung sei eine möglichst weite Auslegung des Anwendungsbereichs geboten. Auch das [X.] verfolge das Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Der stromsteuerrechtliche Befreiungstatbestand sei als Vorschrift mit dem Ziel der Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien gleich dem [X.] auszulegen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 1b Abs. 1 StromStV, welcher die sog. Stützfeuerung regele. Der Einsatz einer solchen Stützfeuerung sei mit dem Einsatz von [X.]m Biogas nicht vergleichbar. Des Weiteren zeige der Vergleich mit § 28 Abs. 1 Nr. 1 [X.], dass vom Begriff der Biomasse i.S. des § 2 Nr. 7 StromStG sowohl physikalisches als auch [X.]s Biogas umfasst sei. Denn in § 28 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sei eine Energiesteuerbefreiung für "gasförmige Biokraft- und Bioheizstoffe" geregelt, wobei der Gesetzgeber durch Verwendung der Formulierung "unvermischt mit anderen [X.]" deutlich gemacht habe, dass es auf eine physikalische Betrachtung ankomme. Eine solche Klarstellung fehle in § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] Der Begriff "ausschließlich" in § 2 Nr. 7 StromStG sei nicht mit der Einschränkung "unvermischt" gleichzusetzen.

Die unionsrechtlichen Grundlagen sprächen ebenfalls für eine weite Auslegung. Der Wortlaut der EnergieStRL weise kein einschränkendes Element auf, welches auf eine ausschließlich physikalische Betrachtung hindeute. Nach der Richtlinie 2009/28/[X.] und des Rates vom [X.] zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der [X.] und 2003/30/[X.] --Erneuerbare-Energien-Richtlinie-- ([X.] 2009, Nr. L 140, 16) sei auch [X.]s Biogas erfasst. Demzufolge sei auch der Begriff der Biomasse in der EnergieStRL entsprechend weit auszulegen. Zwar handele es sich bei der Steuerbegünstigung um eine fakultative Steuerbegünstigung; die Mitgliedstaaten müssten jedoch bei der Umsetzung die unionsrechtlichen Grundlagen beachten. Danach umfasse der Biomassebegriff auch [X.]s Biogas.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das [X.] unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie des [X.]s vom 07.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2018 zu verpflichten, für das Kalenderjahr 2015 gemäß dem Korrekturantrag der Klägerin vom 27.12.2017 Stromsteuer in Höhe von insgesamt … € festzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

2. Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für den in den BHKW erzeugten Strom zusteht, weil es auf die physikalische Verwendung des Biogases zur Erzeugung von Strom ankommt und die Klägerin lediglich bei einer [X.] Betrachtungsweise Biogas verwendet hat.

a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird. Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist gemäß § 2 Nr. 7 StromStG "Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird, ausgenommen Strom aus Wasserkraftwerken mit einer installierten Generatorleistung über zehn Megawatt".

aa) Der in § 2 Nr. 7 StromStG verwendete Begriff der Biomasse ist im StromStG nicht definiert.

Nach § 1b Abs. 2 StromStV in der Fassung der [X.] zur Änderung der [X.] und der [X.] vom 24.07.2013 ([X.], 2763) versteht man unter Biomasse i.S. des § 2 Nr. 7 StromStG ausschließlich Stoffe, die nach der Biomasseverordnung vom [X.] ([X.], 1234), die zuletzt durch Art. 5 Abs. 10 des [X.] ([X.], 212) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung als Biomasse anerkannt werden. Durch diesen Verweis sollte Rechtssicherheit erreicht werden (Referentenentwurf, S. 44). Die Ermächtigungsgrundlage für diese Regelung enthält § 11 Nr. 8 Buchst. a StromStG, wonach das [X.] ermächtigt wird, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, zur Verfahrensvereinfachung und zur Vermeidung unangemessener wirtschaftlicher Belastungen Bestimmungen zu § 9 StromStG zu erlassen und dabei insbesondere die Voraussetzungen für die steuerbegünstigte Entnahme von Strom einschließlich der Begriffe näher zu bestimmen sowie das Erlaubnisverfahren zu regeln und die Erlaubnis allgemein zu erteilen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Biomasse im Sinne dieser Verordnung Energieträger aus Phyto- und [X.]. Dazu gehören insbesondere aus Biomasse im Sinne des Absatzes 1 durch Vergasung oder Pyrolyse erzeugtes Gas und daraus resultierende Folge- und Nebenprodukte (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 [X.]).

Das im vorliegenden Streitfall in der [X.] erzeugte Gas ist somit ein erneuerbarer Energieträger.

bb) Aus der Verwendung des Begriffs "ausschließlich" im Rahmen der Definition in § 2 Nr. 7 StromStG ergibt sich allerdings, dass die Herstellung von Strom mit Gas aus dem allgemeinen Gasnetz, in das Biogas eingeleitet worden ist und sich mit dem dort vorhandenen Erdgas vermischt hat, nicht begünstigt ist (vgl. [X.]/[X.], Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 9 Rz 12; [X.]/[X.]/[X.], Energiesteuer, Stromsteuer, § 9 Rz 11; Leingärtner/[X.], Besteuerung der Landwirte, [X.]. 122 Rz 8 und 9; vgl. auch Informationsschreiben der Generalzolldirektion --GZD--, Informationen zum Gesetz zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften vom 22.06.2019, [X.], 856, Stand [X.], S. 7, und GZD, Informationen zu den Steuerbefreiungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StromStG mit Hinweisen zu den Wechselwirkungen der Stromsteuerbefreiungen zu den Förderungen nach dem [X.] und dem [X.], Stand Februar 2017, S. 5).

Dass § 2 Nr. 7 StromStG in diesem Sinne zu verstehen ist, zeigt die Ausnahmeregelung in § 1b Abs. 1 StromStV (eingeführt durch die Verordnung zur Änderung der [X.] und der [X.] vom 20.09.2011, [X.], 1890). Mit dieser Regelung hat der Verordnungsgeber die insoweit in § 11 Nr. 9 Satz 1 StromStG eröffnete Ermächtigung genutzt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im [X.] auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit bei der Stromerzeugung aus Deponie-, Klärgas oder Biomasse zu verzichten, wenn die Zuführung anderer Energieträger technisch zwingend erforderlich ist. Nach § 1b Abs. 1 StromStV wird auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit in § 2 Nr. 7 StromStG verzichtet, soweit eine Stromerzeugung aus Deponiegas, Klärgas oder Biomasse nur durch eine Zünd- oder Stützfeuerung mit anderen als den vorgenannten Stoffen technisch möglich ist. Diese Verordnungsregelung entspricht der schon zuvor bestehenden Erlasslage, war doch bereits mit Schreiben des [X.] vom 22.12.1999 und ausdrücklich mit dem Schreiben vom 13.08.2001 - III A 1-V 4250-7/01 auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit bei der Stromerzeugung aus Biomasse verzichtet worden. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass es in einigen Fällen nur möglich ist, Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu erzeugen, wenn für die Zünd- oder Stützfeuerung auch kleinere Mengen von anderen, nicht erneuerbaren Energieträgern eingesetzt werden, so z.B. beim Einsatz von gasförmigen erneuerbaren Energieträgern bei der Verwendung von Dieselmotoren nach dem Zündstrahlverfahren. Eine Stützfeuerung könne insbesondere zur Aufrechterhaltung des [X.] als solchem oder zur Stabilisierung einer immissionsrechtlich notwendigen Verbrennungstemperatur erforderlich sein (vgl. Referentenentwurf vom 26.05.2011, S. 49).

Das [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass die Formulierung in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG dieser Auslegung nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift dürfen unter weiteren Voraussetzungen gasförmige Biokraft- und Bioheizstoffe, unvermischt mit anderen [X.], zu den in § 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStG genannten Zwecken steuerfrei verwendet werden. Ein Mischen mit anderen [X.] im Betrieb des Verwenders unmittelbar vor der Verwendung schließt für den eingesetzten Anteil an [X.] nach Satz 1 eine Steuerbefreiung jedoch nicht aus (§ 28 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG). Durch diese Regelung will der Gesetzgeber erreichen, dass eine Belieferung durch ein Leitungsnetz zum Ausschluss der Steuerbefreiung führt ([X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 28 Rz 23). Zwar findet sich der Zusatz "unvermischt" nicht in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG, jedoch enthält § 2 Nr. 7 StromStG --wie ausgeführt-- eine vergleichbare Einschränkung, indem auf die "Ausschließlichkeit" abgestellt wird.

cc) Die Gesetzeshistorie stützt die hier vertretene Auslegung.

Bereits in der ursprünglichen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG (Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24.03.1999, [X.], 378) zeigte sich, dass es auf die physikalische Betrachtung ankommt, weil nämlich der Gesetzgeber zusätzlich das Erfordernis des sog. Grünstromnetzes eingeführt hatte. In dieser Fassung war Strom, wenn er aus erneuerbaren Energieträgern i.S. des § 2 Nr. 7 StromStG erzeugt wird, in zwei Alternativen von der Steuer befreit: Bei Entnahme des Stroms durch [X.] als Letztverbraucher und bei Entnahme durch Letztverbraucher aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung (sog. Grünstromnetz). Aus letzterem Erfordernis wird deutlich, dass der Gesetzgeber nur die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern fördern wollte und ihm die räumliche Komponente durchaus bewusst war.

An diesem Erfordernis hielt der Gesetzgeber in der Folgezeit fest. In der Fassung des Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16.12.1999 ([X.], 2432) lautete § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG: "Strom ist von der Steuer befreit 1. wenn er aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird …". Das [X.] von [X.] und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 ([X.], 1534) führte gleichfalls zu keiner wesentlichen Änderung; denn dort heißt es in § 9 StromStG: "Von der Steuer ist befreit: 1. Strom aus erneuerbaren Energieträgern, wenn dieser aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird …". Vielmehr wurde noch deutlicher, dass der Strom in ein Netz eingespeist werden sollte, das ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeist ist.

Zwar hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften vom 22.06.2019 ([X.], 856) auf das Erfordernis des Grünstromnetzes verzichtet. Zugleich wurde jedoch für Stromerzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt eine Beschränkung auf den Selbstverbrauch eingeführt. Damit sollte die Steuerbefreiung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG einen klar definierten Anwendungsbereich erhalten (BTDrucks 19/9297, S. 7). Zugleich wurde den beihilferechtlichen Anforderungen Rechnung getragen ([X.] 5/19, S. 1, 26 f.). Auswirkungen auf die hier vertretene Auslegung ergeben sich dadurch nicht.

Der [X.] übersieht im Übrigen nicht die tatsächlichen Gegebenheiten, nach denen am Ort der Erzeugung von Biogas oftmals keine ausreichenden Nutzungsmöglichkeiten gegeben sind. In der Folge muss das erzeugte Biogas in der Regel in das allgemeine Gasnetz eingespeist werden, damit es an anderer Stelle genutzt werden kann. Diese räumlichen Erfordernisse können jedoch nur durch den Gesetzgeber angemessen berücksichtigt werden; das ist nicht Aufgabe der Gerichte.

[X.]) Soweit die Klägerin auf verschiedene Regelungen aus dem [X.] verweist und der Ansicht ist, die im energiewirtschaftlichen Kontext vertretene weite Auslegung des Begriffs der Biomasse müsse auch im [X.] gelten, folgt der [X.] dem nicht.

StromStG und [X.] verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Auslegung des [X.]s muss sich an der EnergieStRL, im Streitfall an Art. 15 Abs. 1 Buchst. [X.], orientieren. Ungeachtet der danach maßgeblichen umwelt- und wirtschaftspolitischen Ziele dient das StromStG in erster Linie fiskalpolitischen Zwecken ([X.]sbeschluss vom 09.09.2011 - VII R 75/10, [X.], 89, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2011, 334). Dagegen zielt das [X.] darauf ab, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und den Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen (§ 1 [X.] 2014).

Dementsprechend hat der [X.] in der Vergangenheit mehrfach betont, dass er bei der Auslegung des StromStG grundsätzlich nicht an die Definitionen und Vorgaben des [X.] gebunden ist (vgl. [X.]surteile vom 06.10.2015 - VII R 25/14, [X.], 563, [X.], 49, Rz 16; vom 23.06.2009 - VII R 34/08, [X.], 1673, jeweils für den Anlagenbegriff; vom 15.12.2020 - VII R 36/18, [X.], 784, [X.], 219, Rz 36, und vom 30.06.2021 - VII R 1/19, [X.], 36, [X.] 2022, 24, Rz 26).

ee) Das [X.] hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass dem hier vertretenen Verständnis des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG das Unionsrecht nicht entgegensteht.

Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. [X.] können die Mitgliedstaaten uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen u.a. gewähren für elektrischen Strom, der aus Biomasse oder aus Biomasse hergestellten Erzeugnissen gewonnen wird. Unter Biomasse ist nach Art. 16 Abs. 1 EnergieStRL der biologisch abbaubare Anteil von Erzeugnissen, Abfällen und Rückständen der Landwirtschaft (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Industriezweige sowie der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Industrie und Haushalten zu verstehen.

Dabei handelt es sich um eine fakultative Steuerbefreiung. Weil die Mitgliedstaaten danach die Steuervergünstigung auch einschränken können, kann der [X.] dahinstehen lassen, ob der Biomassebegriff nach der EnergieStRL --wie die Klägerin [X.] auch [X.] Biogas umfasst.

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze steht der Klägerin die begehrte Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG nicht zu, weil das in der [X.] erzeugte Biogas nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) in das allgemeine Netz eingespeist und mit dem dort vorhandenen Erdgas vermischt worden ist.

Weil beide BHKW das Gas aus dem allgemeinen Netz entnommen haben, wird der Strom mithin nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 54/20

17.01.2023

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 24. September 2020, Az: 14 K 2221/18, Urteil

§ 2 Nr 7 StromStG, § 9 Abs 1 Nr 1 StromStG vom 01.03.2011, § 2 Abs 1 S 1 BiomasseV, § 1b Abs 2 StromStV vom 24.07.2013, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 EnergieStG, Art 15 Abs 1 Buchst b EGRL 96/2003, Art 16 Abs 1 EGRL 96/2003

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.01.2023, Az. VII R 54/20 (REWIS RS 2023, 2144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2144


Verfahrensgang

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Az. 14 K 2221/18

FG München, 14 K 2221/18, 24.09.2020.


Az. VII R 54/20

Bundesfinanzhof, VII R 54/20, 17.01.2023.


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