Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2012, Az. 3 StR 95/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6030

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 95/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen

1.

alias:

2.

alias:

wegen
schweren Bandendiebstahls
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 29. Mai 2012 gemäß §
349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten K.

wegen zahlreicher [X.]
und Geldwäschedelikte sowie den Angeklagten S.

wegen zahlreicher [X.], Hehlerei-
und Urkundsdelikte, bei beiden Angeklagten jeweils in Tateinheit mit "Bildung krimineller [X.]en" (zutreffend: mit-gliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen [X.]), schuldig gespro-chen. Es hat gegen den Angeklagten K.

eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten S.

eine solche von fünf Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es Verfalls-
und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die gegen die Verurteilung gerichteten, jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten sind begründet.
1
-
3
-
Nach den Feststellungen des [X.] entstand in der ehemaligen [X.] eine kriminelle Subkultur, die nach ihrer eigenen
Ideologie, den sogenannten "Diebesregeln", lebt. Dieses System dehnte sich nach Westen aus und etablierte sich teilweise auch in [X.]. Die Verbandsstruktur ist regional organisiert und überregional koordiniert. An oberster Stufe steht jeweils ein "Dieb im Gesetz", der diese Stellung mittels "Krönung" durch alle "Diebe im Gesetz" in [X.] erhält. Diesem werden ein bestimmtes Gebiet und/oder ein Betätigungs-
bzw. [X.] und/oder eine nach ethnischen oder nationalen Merkmalen bestimmte Tätergruppe zugewiesen. Organisatorische Aufgaben übernehmen als seine unmittelbaren Vertrauenspersonen "Nahestehende", unter denen "Statthalter" oder "Kassenhalter" stehen, welche die untergeordne-ten Mitglieder zu leiten und Beiträge zur [X.] einzusammeln und abzuführen haben. Die Willensbildung unterliegt verbindlichen, in der [X.] anerkannten Regeln. Die Verhaltensregeln gebieten den Mitgliedern eine Abschottung nach außen sowie Solidarität nach innen und untersagen jeg-liche Kooperation mit staatlichen Behörden. Verstöße werden abgestuft [X.]. Im Konfliktfall werden höhere Autoritätsstufen angerufen; deren "Schiedssprüche" erkennen die Mitglieder als bindend an und machen sie zur [X.] ihres Handelns. Verbindlich festgelegte Zielsetzung der Organisation ist, bestimmte Straftaten zu begehen und einen Teil der hieraus gewonnenen Erlöse in die [X.] ("[X.]") zu zahlen. Diese dient der Bereicherung der höherrangigen Mitglieder sowie allgemein der Unterstützung der Mitglieder in besonderen Situationen, etwa im Falle einer Inhaftierung.
Spätestens im Juni 2005 begründeten die "Diebe im Gesetz" Ka.

und L.

Sh.

eine nach den dargelegten Regeln agierende Grup-pierung aus georgischstämmigen Mitgliedern, die Diebstähle organisierte und die Beute an Hehler weiterverkaufte. Die Organisation existierte in Deutsch-2
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4
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land, [X.], [X.], [X.], [X.] und der [X.], wobei der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen sowie des Tätigkeitsfeldes in den fünf erstgenannten Ländern lag. Auf [X.] standen die tatausführen-den Diebe, die ihren Unterhalt aus organisierten, von mehreren Mitgliedern durchgeführten gemeinsamen [X.] bestritten. [X.] waren hochwertige Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Zigaretten, Dro-gerieartikel, Designerkleidung und elektronische Geräte. Die erbeuteten [X.] wurden organisiert und gemeinschaftlich an Hehler abgegeben. Die Mitglieder hatten in der Regel monatlich 50 Euro in den
"[X.]" zu [X.]. Die [X.], die "Diebesregeln" und der "[X.]" waren oberste [X.]n des Handelns des Einzelnen. In verschiedenen [X.] Städten waren regionale Kassenhalter eingesetzt. Darüber gab es zunächst drei regio-nale Hauptkassen, später wurden sämtlich [X.] Kassen von dem "[X.]chef" M.

vereinigt. Die an die [X.] abge-führten Gelder und die darüber geführten Einzahlungslisten wurden letztlich zu Ka.

Sh.

nach [X.] gebracht. Die [X.] [X.] war grundsätzlich autonom, bei Konflikten oder bei groben Regelverstößen griffen allerdings die Brüder Sh.

ein.
Der Angeklagte K.

war seit Juni 2008 Statt-
und Kassenhalter der Organisation in [X.]. Der Angeklagte S.

war ab August 2008 Mitglied der [X.]; ab Januar 2010 unterstützte er den Angeklagten K.

als dessen enger Vertrauter.
4
-
5
-
I.
Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit das [X.] die Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer [X.] (§ 129 Abs. 1 StGB) verurteilt hat. Die Feststellungen bele-gen zwar, dass sich die Angeklagten als Mitglied an einer kriminellen Vereini-gung beteiligten, nicht aber -
worauf bereits der [X.] in seinen [X.] zutreffend hingewiesen hat -, dass es sich bei der [X.] um eine solche im Inland nach § 129 Abs. 1 StGB handelte.
Bezüglich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Ausführungen in seinen Beschlüssen vom 13. September 2011 (3 StR 231/11 -
[X.], 325, 326 ff.; 3 [X.]) Bezug, welche ebenfalls die [X.] im [X.]" betreffen und denen zu dieser Gruppierung Feststellung desselben Tatge-richts zugrunde liegen, die den im vorliegenden Verfahren getroffenen weitge-hend entsprechen.

II.
1. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils; diese hat sich auf die in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung der Ange-klagten an einer kriminellen [X.] stehenden weiteren Delikte zu erstre-cken (st. Rspr.;
vgl. [X.] aaO, [X.], 325, 328 mwN).
2. Die Änderung des Schuldspruchs durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Angeklagten der mitglied-schaftlichen Beteiligung an einer kriminellen [X.] im Ausland bzw. 5
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wahlweise der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen [X.] im Inland oder im Ausland (vgl. [X.] aaO, [X.], 325, 328 f.), dies jeweils in Tateinheit mit den weiteren abgeurteilten Delikten schuldig sind, scheidet aus. Zwar hat das [X.] mittlerweile die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB möglicherweise zur Verfolgung des [X.]sdelikts erforderliche Ermächtigung erteilt. Der jeweiligen Umstellung des Schuld-spruchs steht jedoch § 265 StPO entgegen (vgl. hierzu schon [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 -
3 [X.], NJW 2011, 542, 546). Der Anklagevorwurf betraf die Mitgliedschaft in einer inländischen [X.]. Die Urteilsgründe lassen den Schluss zu, dass das [X.] -
trotz Feststellungen, die einen Auslandsbezug der Organisation nahelegen -
eine mögliche Verurteilung nach § 129b StGB ebenfalls nicht in den Blick genommen hat. Vor diesem Hinter-grund hatten die Angeklagten ohne einen diesbezüglichen Hinweis keine aus-reichende Möglichkeit, sich gegen den Vorwurf der mitgliedschaftlichen [X.] an einer kriminellen [X.] im Ausland angemessen zu verteidigen. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung.
[X.]Pfister Hubert

Schäfer Menges

Meta

3 StR 95/12

29.05.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2012, Az. 3 StR 95/12 (REWIS RS 2012, 6030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6030

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