BT-Drucksache 18/9998

Konsum von Rauschmitteln in Auslandseinsätzen und Suchtbekämpfung bei der Bundeswehr

Vom 12. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9998
18. Wahlperiode 12.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Christine Buchholz, Inge Höger, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Konsum von Rauschmitteln in Auslandseinsätzen und Suchtbekämpfung bei der
Bundeswehr

Für Soldatinnen und Soldaten im Einsatz trägt Deutschland eine Schutzverant-
wortung. Auslandseinsätze sind eine psychische Belastung für Soldatinnen und
Soldaten. Diese psychische Belastung etwa durch traumatische Erfahrungen kann
nach einem Auslandseinsatz für Soldatinnen und Soldaten unter anderem zur
Ausbildung von Süchten führen. Aus diesem Grund verfügt die Bundeswehr über
eigene Suchtprogramme für Soldatinnen und Soldaten, weitere befanden sich im
Januar 2014 in der Weiterentwicklung (vgl. Bundestagsdrucksache 18/245). Für
die angemessene Konzeption von Suchtprogrammen sind unter anderem die Ent-
wicklungen im Umgang mit Alkohol und anderen Rauschmitteln durch Soldatin-
nen und Soldaten in und nach Auslandseinsätzen von Bedeutung.
Die Fragestellenden beziehen sich daher auf die drei aktuell größten Einsatzkon-
tingente von Auslandsmissionen der Bundeswehr im Bodeneinsatz: Die seit 1. Ja-
nuar 2015 geführte Mission Resolute Support in Afghanistan mit einer höchsten
Personalobergrenze von 980, die seit 12. Juni 1999 geführte Mission KFOR in
Kosovo mit der aktuellen Personalobergrenze von 1 350 (die höchste Personal-
obergrenze bestand aus 8 500 Personen im Jahr 1999) und die seit 28. Februar
2013 geführte Mission MINUSMA in Mali mit einer höchsten Personalober-
grenze von 650. Aufgrund der Verknüpfung mit der Mission EUTM Mali bezie-
hen sich die Fragen auch auf diese Mission, welche eine aktuelle Personalober-
grenze von 300 Soldaten umfasst. Da der Einsatz auf hoher See ebenfalls eine
starke psychische Belastung für die Soldatinnen und Soldaten mit sich bringt,
möchten die Fragestellenden den Umgang mit Alkohol und anderen Rauschmit-
teln der Bundeswehr im Rahmen der EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
erfragen. Diese hat aktuell eine Obergrenze von 600 Einsatzkräften.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Regelungen für den Alkoholverkauf und -verbrauch herrschen in

Bundeswehrkontingenten in den fünf erwähnten Auslandseinsätzen:
a) Resolute Support in Afghanistan,
b) KFOR in Kosovo,
c) MINUSMA in Mali,
d) EUTM Mali,
e) EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta?

Drucksache 18/9998 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie hoch war der jährliche Alkoholverkauf und -verbrauch seit Beginn der
Mission
a) Resolute Support in Afghanistan,
b) KFOR in Kosovo,
c) MINUSMA in Mali,
d) EUTM Mali,
e) EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte die Zahlen für verschiedene Alkoholika getrennt aufgliedern, in Litern
angeben sowie die für das Jahr aktuelle Truppengröße angeben)?

3. Zu wie vielen Disziplinarmaßnahmen gegen eine Soldatin oder einen Solda-
ten kam es seit Beginn des Auslandseinsatzes nach Bekanntwerden eines Al-
koholmissbrauchs oder des Missbrauchs eines anderen Rauschmittels im
Auslandseinsatz
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Art des Zwischenfalls, Rauschmittel und nach Jahren auflisten)?

4. Zu wie vielen Unfällen und welchen Folgeschäden ist es seit Beginn des
Auslandseinsatzes aufgrund alkoholisierter oder anderweitig berauschter
Soldatinnen und Soldaten gekommen
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Art des Zwischenfalls und nach Jahren auflisten)?

5. Wie hoch war der finanzielle Schaden durch Folgeschäden des Konsums von
Alkohol oder anderen, auch illegalisierten, Substanzen durch Unfälle
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Jahren auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9998
6. Zu welchen weiteren Zwischenfällen mit Alkohol oder anderen Substanzen
(z. B. Schmuggel in oder aus Bundeswehrcamps, illegaler Handel zwischen
Bundeswehrsoldaten und Zivilbevölkerung, illegaler Handel zwischen Sol-
daten verbündeter Armeen) kam es seit Anbeginn des Auslandseinsatz
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Art des Zwischenfalls und nach Jahren auflisten)?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den vorsätzlichen Konsum
von Alkohol oder anderer Substanzen seit Beginn des Einsatzes mit dem Ziel
des vorläufigen Abbruchs des Auslandseinsatzes durch die Soldatin oder den
Soldaten
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Regelungen zum Alkohol-
erwerb und -konsum von Truppenstellern anderer verbündeter Staaten
a) bei der Mission Resolut Support in Afghanistan,
b) bei der Mission KFOR in Kosovo,
c) bei der Mission MINUSMA in Mali,
d) bei der Mission EUTM Mali,
e) bei der Mission EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach verbündeten Staat auflisten)?

9. Auf welche Betäubungsmittel nach Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes
(BtMG) greift die Bundeswehr im Rahmen der drei genannten Einsätze zu-
rück?

10. Wie wurden die in Frage 9 genannten Betäubungsmittel seit Beginn des Ein-
satzes verwendet
a) bei der Mission Resolut Support in Afghanistan,
b) bei der Mission KFOR in Kosovo,
c) bei der Mission MINUSMA in Mali,
d) bei der Mission EUTM Mali,
e) bei der Mission EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Ausgabe und Rückgabe sowie den Gebrauch und Verbrauch von
Betäubungsmitteln nach Jahren auflisten)?

11. Welche Erklärung hat die Bundesregierung bezugnehmend zu den Fragen 9
und 10 für den Verbleib von ausgegebenen, zugleich jedoch nicht gebrauch-
ten und nicht zurückgegebenen Betäubungsmitteln?

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12. Zu wie vielen Fällen von Diebstahl, Verlust, Unterschlagung und Unterbe-

stand von Betäubungsmitteln nach Anlage III BtMG, die als meldepflichtige
besondere Vorkommnisse im Sinne der Zentralen Dienstvorschrift 10/13 zu
bezeichnen sind, kam es seit Anbeginn der Mission
a) im Bundeswehrkontigent Resolut Support in Afghanistan,
b) im Bundeswehrkontigent KFOR in Kosovo,
c) im Bundeswehrkontigent MINUSMA in Mali,
d) im Bundeswehrkontigent EUTM Mali,
e) im Bundeswehrkontigent EU NAVFOR Somalia-Operation Atalanta
(bitte nach Jahren und meldepflichtigem Vorkommnis auflisten)?

13. Können Soldatinnen und Soldaten in einer Auslandsmission auch dann in
einen Einsatz geschickt werden, wenn sie diese Betäubungsmittel nach An-
lage III BtMG durch den Militärarzt verschrieben bekommen?
Falls ja, um welche Betäubungsmittel handelt es sich dabei?

14. Wie begründet die Bundeswehr die Handhabung der Zentralen Dienstvor-
schrift (ZDv) 10/13 „Besondere Vorkommnisse“, wonach bei einem Ver-
dacht auf Straftaten gegen das BtMG nicht die Art des Rauschmittels erfasst
wird?

15. Wie begründet die Bundesregierung die Handhabung, dass die Anzahl von
Fällen von Alkoholismus und anderen Formen von Drogenabhängigkeit bei
Bundeswehrveteraninnen und Bundeswehrveteranen nicht in der Zentralen
Dienstvorschrift 10/13 „Besondere Vorkommnisse“ erfasst wird (siehe Ant-
wort zu Frage 17 auf Bundestagsdrucksache 18/245)?

16. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Anzahl der trau-
matisierten oder an stoffgebundenen Süchten erkrankten Bundeswehrsolda-
tinnen und Bundeswehrsoldaten zu erfassen?

17. Wie viele Veteraninnen und Veteranen befinden sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung in Trauma- oder Suchtbehandlungsprogrammen nach der
Rückkehr von ihren Auslandseinsätzen (bitte für Veteraninnen und Vetera-
nen sämtlicher Auslandseinsätze seit dem Jahr 2001 jährlich und für Art der
Erkrankung auflisten)?

18. Wie viele Veteraninnen und Veteranen werden aufgrund von Trauma oder
Sucht durch
a) den Sozialdienst,
b) den Sanitätsdienst,
c) die Militärseelsorge,
d) den psychologischen Dienst,
e) externe Dienstleister (wenn ja, welche)
betreut (bitte nach Jahren seit dem Jahr 2001 angeben)?

19. Wie viel Personal steht den in Frage 18 genannten Organisationen (Sozial-
dienst, Sanitätsdienst, Militärseelsorge, psychologischer Dienst) im Bereich
der Suchtbekämpfung aktuell zur Verfügung?

20. Welche öffentlichen finanziellen Zuwendungen hat die Selbsthilfegruppe
„Soldaten gegen Sucht e. V.“ seit dem Jahr 2009 durch den Bund erhalten
(bitte nach Jahren auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9998

21. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die jährlichen Kosten durch die Be-

treuung von Veteranen in Trauma- oder Suchtbehandlungsprogrammen
a) insgesamt
b) und im Durchschnitt pro Soldat ein

(bitte nach Jahren seit dem Jahr 2001 angeben)?
22. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit der medizinischen Ver-

wendung von Cannabis bei Bundeswehrveteraninnen und Bundeswehrvete-
ranen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (www.upi.com/Top_News/
US/2016/05/20/House-votes-to-ease-veterans-access-to-medical-marijuana/
4441463717862/)?

23. Zu wie vielen Vorfällen des illegalen Cannabisanbaus (z. B. www.weser-
kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Soldat-baut-Cannabis-in-der-
Scharnhorst-Kaserne-an-_arid,1349723.html) kam es in Lagern der Bundes-
wehr seit dem Jahr 2009
a) innerhalb Deutschlands,
b) im Ausland?

24. Zu welchen Veränderungen kam es bei den „Maßnahmen des Betrieblichen
Gesundheitsmanagements (BGM)“ seit der Überarbeitung im Januar 2014
im Vergleich zur vorherigen Politik (vgl. Antwort zu Frage 20 auf Bundes-
tagsdrucksache 18/245)?

25. Welchen Reformbedarf dokumentierte die Evaluation des im Oktober 2012
erlassenen „Rahmenkonzept Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness
von Soldaten und Soldatinnen“ durch den Generalinspekteur der Bundes-
wehr hinsichtlich der Maßnahmen zur Suchtprävention (vgl. Antwort zu
Frag 20 auf Bundestagsdrucksache 18/245)?

26. Zu welchen Ergebnissen kam die Auswertung des in der Antwort zu Frage 25
auf Bundestagsdrucksache 18/245 genannten zweiten Teils der Studie der
TU Dresden zur „Prävalenz und Inzidenz von traumatischen Ereignissen,
posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen psychischen
Störungen bei Soldatinnen und Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz“ hin-
sichtlich möglicher Schlussfolgerungen für sachgerechte und nachhaltige
Präventionsmaßnahmen bei Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsolda-
ten?

27. Wie heißen die Fach- und Forschungsarbeitsgruppen auf NATO-Ebene, die
wissenschaftliche Erkenntnisse und Einsatzerfahrungen auf psychologi-
schem und medizinischem Gebiet hinsichtlich von Suchtberatungsprogram-
men austauschen (vgl. Antwort zu Frage 21 auf Bundestagsdrucksa-
che 18/245)?

28. Wie oft trafen sich die in Frage 27 genannten Fach- und Forschungsarbeits-
gruppen auf NATO-Ebene seit dem Jahr 2001 (bitte nach Jahren auflisten)?

29. Welche thematischen Schwerpunkte hatten die Treffen auf NATO-Ebene
hinsichtlich der Aufklärungs- und Suchtberatungsprogramme für Soldatin-
nen und Soldaten seit dem Jahr 2001 (bitte nach Treffen auflisten)?

30. Durch welche eigenen Fachbeiträge auf dem Gebiet der Aufklärungs- und
Suchtberatungsprogramme für Soldatinnen und Soldaten hat Deutschland
bei den Fach- und Forschungsarbeitsgruppen auf NATO-Ebene seit dem
Jahr 2001 insbesondere beigetragen?

31. Durch welche in den Fach- und Forschungsarbeitsgruppen auf NATO-Ebene
zur Suchtprävention erlangten Kenntnisse konnte die Bundeswehr hinsicht-
lich ihrer nationalen Suchtberatung profitieren?

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32. Nach welchen Kriterien erfolgt die Übertragung oder Nichtübertragung wis-

senschaftlicher Erkenntnisse der Fach- und Forschungsarbeitsgruppen auf
NATO-Ebene auf dem psychologischen und medizinischen Gebiet hinsicht-
lich von Suchtbekämpfung auf Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

33. Welche Fach- und Forschungsarbeitsgruppen gibt es hinsichtlich von Sucht-
beratungsprogrammen auf EU-Ebene im Rahmen der Gemeinsamen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik für Soldatinnen und Soldaten?

34. Welche eigenen Fach- und Forschungsgruppen unterhält die Bundeswehr
hinsichtlich der Entwicklung von Aufklärungs- und Suchtprogrammen für
Soldatinnen und Soldaten?

35. In welchem Umfang greift die Bundeswehr bei der Bekämpfung von
Suchterkrankungen und Traumatisierungen auch auf zivile Einrichtungen
zurück, und welche sind das?

Berlin, den 11. Oktober 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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