BT-Drucksache 18/9836

Gemeinsame Bedrohungsanalysen von polizeilichen und geheimdienstlichen Strukturen der Europäischen Union

Vom 21. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9836
18. Wahlperiode 21.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland),
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Gemeinsame Bedrohungsanalysen von polizeilichen und geheimdienstlichen
Strukturen der Europäischen Union

In einer Mitteilung des Generalsekretariates des Rates der Europäischen Union
an den Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der
inneren Sicherheit (COSI) wird die zukünftige Erstellung gemeinsamer „Bedro-
hungsanalysen“ der Polizeiagentur Europol und des geheimdienstlichen Lage-
zentrums (EU Intelligence Analysis Centre, INTCEN) angesprochen (Ratsdoku-
ment 8588/16 vom 18. April 2016). Diese „Bedrohungsanalysen“ sollen regelmä-
ßig erstellt und zunächst in der Ratsarbeitsgruppe (RAG) „Terrorismus“ vorge-
stellt werden. Dort verabreden die Delegierten Schlussfolgerungen, die schließ-
lich dem COSI vorgelegt würden. Ein entsprechendes Procedere soll in der zwei-
ten Jahreshälfte beginnen. Bis dahin sollten die Methodologie, die Datentypen
und die Rechtsgrundlage der gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ geklärt wer-
den. Einige Delegierte aus den Mitgliedstaaten hätten laut dem Dokument darauf
gedrungen, bei der polizeilich-geheimdienstlichen Zusammenarbeit keine Ver-
antwortlichkeiten der eigentlich nationalen Zuständigkeiten zu übernehmen.
Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ist aber auch bedenklich, dass
mit gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ auch der COSI über seine Zuständig-
keit hinaus gestärkt würde. Nach der Vergemeinschaftung auch der „inneren Si-
cherheit“ wurde der COSI als übergeordnetes Gremium eingerichtet, um opera-
tive Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu koordinieren. Er soll die Einbindung der
EU-Agenturen Europol, Frontex (Grenzschutz), Eurojust (justizielle Zusammen-
arbeit), OLAF (Betrugsbehauptung), CEPOL (Rechtsdurchsetzungstraining) be-
sorgen. Zu seinen weiteren Aufgaben gehören die Prüfung und Bewertung der
allgemeinen Ausrichtung sowie der Zusammenarbeit. Als Themengebiete des
COSI wurden die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden, der Schutz der
Außengrenzen sowie die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen definiert.
Wegen vieler Vorbehalte war seine Arbeit aber vorwiegend auf die „schwere or-
ganisierte Kriminalität“ beschränkt. Der COSI ist auch nicht für die geheim-
dienstliche Zusammenarbeit zuständig.

Drucksache 18/9836 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Woraus bestehen die gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ von Europol und
INTCEN nach Kenntnis der Bundesregierung im Einzelnen?
a) Worin besteht der Unterschied zwischen „gemeinsamen“ („joint“) und

„verschmolzenen“ („merged“) „Bedrohungsanalysen“ von Europol und
INTCEN?

b) Worin besteht der Unterschied zwischen den gemeinsamen „Bedrohungs-
analysen“ von Europol und INTCEN und dem jährlichen Europol-TE-SAT-
Bericht?

c) Aus welchen Gründen hält es die Bundesregierung für erforderlich oder
entbehrlich, statt der bereits vorhandenen regelmäßigen Berichte von Eu-
ropol und INTCEN zusätzlich über gemeinsame „Bedrohungsanalysen“
zu verfügen?

2. Auf welcher Rechtsgrundlage basieren nach Kenntnis der Bundesregierung
die gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ von Europol und INTCEN?

3. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann erstmals gemeinsame
„Bedrohungsanalysen“ von Europol und INTCEN angefertigt und vorgelegt
wurden?

4. Welchen Umfang haben die Dokumente, und wer gehört nach Kenntnis der
Bundesregierung zu den Empfängern?

5. Welches regelmäßige Procedere zur Vorlage der gemeinsamen „Bedro-
hungsanalysen“ von Europol und INTCEN wurde nach Kenntnis der Bun-
desregierung verabredet?

6. Welche Methodologie und welche Datentypen wurden hierfür nach Kenntnis
der Bundesregierung festgelegt?

7. Welche Einstufung tragen die gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ von Eu-
ropol und INTCEN nach Kenntnis der Bundesregierung?

8. Nach welcher Maßgabe können nach Kenntnis der Bundesregierung außer-
halb der regelmäßigen Berichte auch Sofortberichte nach besonderen Lagen
angefordert oder unaufgefordert erstellt werden?

9. Auf welche Weise werden nach Kenntnis der Bundesregierung welche wei-
teren Agenturen der Europäischen Union bzw. Behörden der Mitgliedstaaten
an der Erstellung der gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ von Europol und
INTCEN beteiligt?

10. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im Eu-
ropol-Auswerteschwerpunkt „Travellers“ als „ausländische Kämpfer“ ge-
speichert, und wie viele davon sind von Europol als solche bestätigt?
a) Was ist der Bundesregierung über die Zahl der Zulieferungen der Dritt-

parteien INTERPOL und US Customs and Border Protection an den Eu-
ropol-Auswerteschwerpunkt „Travellers“ bekannt, obwohl diese nicht
mit diesem Auswerteschwerpunkt assoziiert sind (Bundestagsdrucksache
18/8324, bitte für den Stichtag 15. September 2016 darstellen)?

b) Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit nach
Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses (im SIS II – Schengener Informati-
onssystem der zweiten Generation) zur sofortigen, verzugslosen Meldung
gespeichert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9836

11. Welche Treffen haben in dem vom Bundeskriminalamt bei Europol geleite-

ten Projekt „Konsolidierung einer Internetauswertungskoordinierungs-
gruppe“ im Jahr 2016 stattgefunden, welche „Internetauswertegruppen“ wel-
cher Behörden nahmen daran teil, und was wurde dort besprochen (siehe
Bundestagsdrucksache 18/6699)?
a) Welche Behörden welcher Länder nehmen an der „Koordinierungs-

gruppe“ derzeit teil?
b) Welche Erfahrungen im Bereich der Internetrecherche und bei der Be-

kämpfung von „Terrorismus“ oder „Extremismus“ im Internet haben
Bundesbehörden bislang im Projekt „Konsolidierung einer Internetaus-
wertungskoordinierungsgruppe“ vorgestellt?

c) Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Anbietern von Kommu-
nikationsplattformen im Internet (bspw. soziale Netzwerke, Messenger-
dienste) haben Bundesbehörden seit Gründung des Projekts „Konsolidie-
rung einer Internetauswertungskoordinierungsgruppe“ dort vorgestellt?

d) Welche Open-Source-Recherchemöglichkeiten im Internet bzw. Soft-
ware-Tools zu Recherchen im Internet haben Bundesbehörden seit Grün-
dung des Projekts „Konsolidierung einer Internetauswertungskoordinie-
rungsgruppe“ dort vorgestellt?

12. Wann und wo haben nach Kenntnis der Bundesregierung Treffen des Euro-
pol-Projekts „Maßnahmen gegen inkriminierte Kommunikationsplattfor-
men“ stattgefunden, und was wurde dort besprochen?

13. Wann wurden bzw. werden nach Kenntnis der Bundesregierung die gemein-
samen „Bedrohungsanalysen“ von Europol und INTCEN in der RAG „Ter-
rorismus“ vorgestellt und behandelt?

14. Mit welchem Ergebnis wurde nach Kenntnis der Bundesregierung diskutiert,
bei der erweiterten polizeilich-geheimdienstlichen Zusammenarbeit im Rah-
men der RAG „Terrorismus“ und im COSI keine Verantwortlichkeiten von
eigentlich nationalen Zuständigkeiten zu übernehmen?

15. Welche Untergruppen oder „Expertengruppen“ wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung bislang im COSI eingerichtet?

16. Welche Ratsarbeitsgruppen arbeiten nach Kenntnis der Bundesregierung
dem COSI zu bzw. werden dort koordiniert?

17. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise Schlussfol-
gerungen und Politikempfehlungen aus den gemeinsamen „Bedrohungsana-
lysen“ von Europol und INTCEN erarbeitet werden sollen?
a) Auf welche Weise werden der EU-Anti-Terrorismus-Koordinator und der

Europäische Auswärtige Dienst in die Erarbeitung der Schlussfolgerun-
gen und Politikempfehlungen des COSI eingebunden?

b) Inwiefern haben die Anregungen oder Forderungen des EU-Anti-Terro-
rismus-Koordinators und des Europäischen Auswärtigen Dienstes emp-
fehlenden Charakter oder müssen verbindlich berücksichtigt werden?

18. Inwiefern sollen die gemeinsamen „Bedrohungsanalysen“ von Europol und
INTCEN nach Kenntnis der Bundesregierung auch der „Counter Terrorism
Group“ (CTG) bzw. deren „operativer Plattform“ in Den Haag zugänglich
gemacht werden?

19. Zu welchen Treffen des Rates für Justiz und Inneres oder zu Ratsarbeitsgrup-
pen wurde die CTG nach Kenntnis der Bundesregierung bislang eingeladen
(siehe Bundestagsdrucksache 18/9323), und an welchen dieser Treffen nah-
men auch Europol und INTCEN teil?

Drucksache 18/9836 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Welche konkreten Datenfelder aus dem Phänomenbereich Islamistischer

Terrorismus werden in der „CTG-Datenbank“ des als „operative Plattform“
bezeichneten Geheimdienstzentrums in Den Haag nach Kenntnis der Bun-
desregierung verarbeitet?

21. Wann sollen nach Kenntnis der Bundesregierung Ergebnisse des Austau-
sches zur Frage vorliegen, inwieweit die Zusammenarbeit von Europol und
der CTG „intensiviert werden kann“ (siehe Bundestagsdrucksache 18/9323)?

22. Inwiefern ist mittlerweile „absehbar“, mit welchen weiteren Maßnahmen die
„weitere Optimierung des Informationsaustausches“ die bereits als „sehr eng
und vertrauensvoll“ beschriebene Zusammenarbeit mit der „Counter Terro-
rism Group“ intensiviert werden soll (siehe Bundestagsdrucksache 18/9323)?

Berlin, den 21. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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