BT-Drucksache 18/9724

Aktueller Stand der geplanten Reform der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz (Limbach-Kommission)

Vom 20. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9724
18. Wahlperiode 20.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Frank Tempel, Nicole Gohlke,
Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Jan Korte, Cornelia Möhring,
Norbert Müller (Potsdam), Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Aktueller Stand der geplanten Reform der Beratenden Kommission im
Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter,
insbesondere aus jüdischem Besitz (Limbach-Kommission)

Die „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfol-
gungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ (Lim-
bach-Kommission) konstituierte sich am 14. Juli 2003. Das Gremium kann in
Streitfällen über die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt abhanden gekomme-
nen Kulturgütern, die sich heute in Museen, Bibliotheken, Archiven und anderen
öffentliche Einrichtungen befinden, angerufen werden. Die Einsetzung der Kom-
mission fand in Abstimmung zwischen dem Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien und der Kultusministerkonferenz der Länder und den kom-
munalen Spitzenverbänden statt.
In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Kritik an Zusammensetzung und
Arbeitsweise der Kommission. So haben Vertreterinnen und Vertreter von jüdi-
schen Organisationen und Opferverbänden – zuletzt in einem Offenen Brief an
die Bundesregierung vom 9. März 2016 – immer wieder Reformen gefordert.
Diese sollen vor allem die Themen Transparenz, Einbeziehung von Vertreterin-
nen und Vertretern von jüdischen Organisationen und Opferverbänden bei der
Besetzung der Kommission, die einseitige Anrufbarkeit der Kommission und die
Verbindlichkeit der Empfehlungen der Kommission beinhalten.
Dieses Ansinnen wurde bereits im November 2015 im Kontext einer Konfe-
renz des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste unter anderem von Prof. Dr.
Dr. hc. mult. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbe-
sitz, unterstützt.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin
Monika Grütters, tauschte sich im Rahmen des fünften kulturpolitischen Spitzen-
gespräches am 17. Juni 2016 mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbän-
den über eine Weiterentwicklung der Beratenden Kommission aus und kündigte
in der Pressemitteilung vom selben Tag die Einsetzung einer gemeinsame Ar-
beitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu diesem
Thema an.
Am 7. August 2016 informierte die Beauftragte für Kultur und Medien im Rah-
men eines dpa-Interviews, dass die angekündigten Reformen der „Beratenden
Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt ent-
zogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ bis zum Herbst 2016
umgesetzt werden sollen.

Drucksache 18/9724 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Kenntnis, wann konkret die von der Beauftragten
für Kultur und Medien Monika Grütters am 7. August 2016 über „dpa“ an-
gekündigten Reformen der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit
der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere
aus jüdischem Besitz“ (Limbach-Kommission) umgesetzt werden sollen?

2. Wie sieht der konkrete Zeitplan zur Umsetzung der angekündigten Reform-
maßnahmen in Bezug auf die „Beratenden Kommission im Zusammenhang
mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbeson-
dere aus jüdischem Besitz“ aus?

3. Wann hat die von der Beauftragten für Kultur und Medien Monika Grütters
in der Pressemitteilung vom 17. Juni 2016 angekündigte, gemeinsame Ar-
beitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden ihre Ar-
beit aufgenommen, wie oft hat die Arbeitsgruppe bisher getagt, und wer ist
Mitglied dieser Arbeitsgruppe (bitte mit Angabe von Namen und Funktion)?

4. Hat die eingesetzte Arbeitsgruppe bereits konkrete Vorschläge zu einer Wei-
terentwicklung der Kommission erarbeitet, und wenn ja, welche?

5. Mit welcher Begründung werden zwar die Mitglieder der Kommission selbst
wie auch Vertreter von Ländern und Kommunen über die Pläne zu einer Wei-
terentwicklung der Kommission informiert und in ihre Erarbeitung einbezo-
gen, nicht aber der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundes-
tages?

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob und wenn ja, wann konkret
die Beauftragte für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, beabsich-
tigt, den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages über
die Pläne zu einer Weiterentwicklung der Kommission zu informieren und
diese in diesem Gremium zu erörtern?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Beauftragte für Kultur und
Medien, Monika Grütters, beabsichtigt, das Konzept zur Weiterentwicklung
der Kommission, welches von der besagten Arbeitsgruppe in Zusammenar-
beit mit der BKM erarbeitet werden soll, vor dessen Umsetzung zu veröf-
fentlichen, und wenn ja, wann?

8. Werden bei der Erarbeitung eines Konzeptes zur Weiterentwicklung der
Kommission auch Vertreterinnen und Vertreter von jüdischen Organisatio-
nen und Opferverbänden einbezogen?

9. Ist geplant, bei der Besetzung der Kommission auch einen oder zwei Vertre-
terinnen und Vertreter von jüdischen Organisationen und Opferverbänden
oder Einzelpersonen aus dem jüdischen Leben einzubeziehen, und wenn ja,
wie viele Mitglieder können zukünftig entweder von jüdischen Vertreterin-
nen und Vertretern oder durch Einzelpersonen des jüdischen Lebens gestellt
werden?

10. Plant die Bundesregierung, mit der Weiterentwicklung der Kommission die
von Opfer-Vertretern und Anwälten in dem Offenen Brief vom 9. März 2016
gestellten Forderungen zur Reform der Kommission vollumfänglich umzu-
setzen, und wenn nein, warum nicht, und welchen Forderungen soll entspro-
chen werden?

11. In welcher Höhe sollen zukünftig finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um
im Zweifelsfall zusätzliche externe Gutachterinnen und Gutachter beauftra-
gen zu können, und werden diese Mittel bereits im Bundeshaushalt 2017 be-
reitgestellt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9724

12. Entspricht es den Tatsachen, dass zukünftig die Mitglieder der Kommission

nicht mehr auf Lebenszeit gewählt werden sollen, und gilt dies erst für neu
hinzukommende Mitglieder?

13. Wie lang soll zukünftig die Amtszeit eines Mitgliedes der Kommission sein?
14. Plant die Bundesregierung, Mitglieder für die Kommission vorzuschlagen,

die keine langjährigen deutschen Staatsdiener sind oder waren?
15. Plant die Bundesregierung, bei der Weiterentwicklung der Kommission zu-

künftig eine einseitige Anrufbarkeit der Kommission zu ermöglichen, wenn
nein, warum nicht?

16. Plant die Bundesregierung, dass die Empfehlungen der Kommission zukünf-
tig als verbindliche Entscheidungen für die öffentliche Hand gelten, wenn
nein, warum nicht?

17. Plant die Bundesregierung, die Maßstäbe nach denen die Kommission ent-
scheiden soll, gesetzlich festzulegen, wenn nein, warum nicht?

18. Plant die Bundesregierung, für die Arbeit der Kommission eine Verfahrens-
ordnung zu verabschieden und zu veröffentlichen, wenn nein, bitte begrün-
den warum nicht?

19. Plant die Bundesregierung, in dieser Verfahrensordnung festzulegen, dass
die Kommission zukünftig für Dritte Informationen bereithalten muss, wie
dies auch eine öffentliche Einrichtung tun muss, entgegen der bisherigen Ar-
gumentation seitens der Kommission, dass sie keine öffentliche Einrichtung
sei und damit auch die Vorschriften über Informationszugang der Öffentlich-
keit für sie nicht gälten (Verwaltungsgericht Magdeburg 6 A 81/15)?

20. Strebt die Bundesregierung an, die Maßstäbe, nach denen die Kommission
entscheiden soll, (gesetzlich oder anderweitig) etwa im Bereich der Beweis-
lastverteilung festzulegen, wenn nein, warum nicht, und wenn ja, sollen
grundsätzlich die Maßstäbe der Handreichung von 2001/2007 gelten?

21. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass die
Arbeit der Kommission zukünftig den von jüdischen Organisationen und Op-
ferverbänden geforderten Transparenz-Standards entspricht?

22. Wie wird derzeit die Unabhängigkeit der Kommission sichergestellt, obwohl
das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste als Geschäftsstelle der Kommission
fungiert?

23. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob es den Tatsachen entspricht,
dass nach wie vor Kultureinrichtungen, die von Rückgabeforderungen be-
troffen sind, in der Regel eine lückenlose Beweiskette fordern und nicht be-
reit sind, stattdessen aufgrund von kriegsbedingter Zerstörung fehlender Be-
lege Plausibilität gelten zu lassen?

24. Wie erklärt die Kommission die Tatsache, dass sie in ihrer dreizehnjährigen
Amtszeit erst Empfehlungen zu 13 Fällen abgegeben hat, und steht die bis-
herige Verfahrensweise der Kommission damit nicht dem Ziel einer schnel-
len Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt abhandengekommenen Kultur-
gütern entgegen?

Berlin, den 20. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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