BT-Drucksache 18/9659

Verkauf von Bahnhöfen und Bahnhofsgebäuden durch die Deutsche Bahn AG

Vom 16. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9659
18. Wahlperiode 16.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Caren Lay, Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter,
Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Birgit Menz,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke
und der Fraktion DIE LINKE.

Verkauf von Bahnhöfen und Bahnhofsgebäuden durch die Deutsche Bahn AG

In der ZDF-Zoom-Reportage „Auf dem Abstellgleis – Die Bahn in der Krise“
wurde berichtet, dass die Deutsche Bahn AG (DB AG) immer mehr Anteile am
deutschen Regionalverkehr verliert (ZDF, 10. August 2016). Seit dem Jahr 2000
sind bisher über eintausend Bahnhofsgebäude von der DB AG an private Inves-
toren oder Kommunen verkauft worden. Im Jahr 2014 kündigte die DB AG an,
2 436 Bahnhofsgebäude, die sich nicht mehr rentieren würden, veräußern zu wol-
len (DB Welt. Nr. 6, 2014).
Ein Beispiel dafür ist der Bahnhof in der Stadt Köthen. Es wurden Pläne bekannt,
dass die DB AG das Bahnhofsgebäude an die Stadt Köthen veräußern wolle und
an einer anderen Stelle in der Stadt eine neue Ersatz-Station plant. Die Stadt be-
sitzt aber nicht die finanziellen Mittel, um ihr Vorverkaufsrecht wahrzunehmen
(Mitteldeutsche Zeitung, 8. Juli 2016). Die Stadt befürchtet nun einen Verkauf an
private Unternehmen, welche das historische Empfangsgebäude vernachlässigen
könnten, wie es in vielen anderen Orten geschehen ist. In Bad Bentheim wurden
vor einigen Monaten im Sinne der „Barrierefreiheit“ die Bahnsteige erhöht, nicht
aber der Boden des Bahnhofsgebäudes, das der DB AG nicht mehr gehört. Mit
der Folge, dass sich die Türen des Bahnhofsgebäudes nicht mehr öffnen können
und Fahrgäste einen Umweg laufen müssen oder durch das Fenster auf den Bahn-
steig klettern („Bahn baut Bahnhofstür zu – und das mit voller Absicht“, Berliner
Morgenpost vom 28. April 2016, “Realer Irrsinn: Zu hoher Bahnsteig in Bad
Bentheim“, NDR vom 24. August 2016).
Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt,
äußerte jüngst in einem „Spiegel-Online“-Interview, das oberste Ziel der DB AG
sei nicht die Gewinnmaximierung, sondern der Konzern habe die gesellschaftli-
che Funktion der Personenbeförderung und solle also möglichst viele Regionen
bedienen und dabei möglichst viele Menschen transportieren (SPIEGEL
ONLINE, 25. Juli 2016). In ihrem Koalitionsvertrag haben die Regierungspar-
teien vereinbart, dass der „Verkehrsträger Schiene weiter gestärkt und ausgebaut“
werden soll und dass auf „eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur und mo-
derne sowie barrierefreie Bahnhöfe“ gesetzt wird. Die Abkopplung historischer
Bahnhofsgebäude vom Bahnbetrieb und der damit verbundene Verzicht auf Ser-
viceleistungen für Fahrgäste oder auf witterungsgeschützte Wartebereiche wider-
sprechen diesem Ziel. Es ist zudem schwer vermittelbar, dass die Bundesregie-
rung millionenschwere Förderprogramme für Städtebau, Denkmalschutz oder

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funktionierende Stadt- und Ortsteilzentren auflegt, während die Bahn als zu
100 Prozent in Bundesbesitz befindliches Unternehmen Bahnhöfe als stadtbild-
prägende Gebäude aufgibt und verfallen lässt.
Neben der Absichtserklärung der Regierungskoalition, im Koalitionsvertrag das
„Steuerungskonzept für die DB AG unter Berücksichtigung des Aktienrechts“ zu
überarbeiten, lassen auch aktuelle Äußerungen des Bundesverkehrsministers, die
Bundesregierung werde auf die Dividendenauszahlung der DB AG verzichten, wenn
die Summe in die Bahninfrastruktur investiert werde (vgl. www.sueddeutsche.
de, 26. Juli 2016), darauf schließen, dass die Bundesregierung in Führung und
Zustand des bundeseigenen Unternehmens Defizite sieht. Des Weiteren wirft die
Aussage Fragen darüber auf, was bisher mit der Dividende der DB AG geschehen
ist, da laut Koalitionsvertrag sowieso „alle Gewinne der Eisenbahninfrastruktur-
unternehmen des Bundes in die Infrastruktur zurückfließen“ sollten.
Die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bund, DB AG und Ländern, gemäß den
Entscheidungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung zum parlamentarischen Fragerecht infolge der Bahnreform (Anlage 1 auf
Bundestagsdrucksache 13/6149 vom 18. November 1996), die in der 194. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 1. Oktober 1997 angenommen wurde sowie
zur Stärkung des parlamentarischen Fragerechts (Bundestagsdrucksache 16/8467
vom 10. März 2008) sind den Fragestellern bezüglich der Fragen, die in die un-
ternehmerische Verantwortung der DB AG fallen, bekannt. Den Fragestellern ist
außerdem bekannt, dass die Bundesregierung die DB AG direkt zu ihrem Ge-
schäftsverhalten befragen kann (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13008 vom
9. April 2013).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Gibt es im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)

schon einen Entwurf zur Änderung des Steuerungskonzeptes für die DB AG?
Wenn ja,
a) wie soll es unter Wahrung des Aktienrechtes genau geändert werden, und
b) wann soll der Entwurf vorgelegt werden?

2. In welchen konkreten Bereichen, die derzeit in die unternehmerische Verant-
wortung der DB AG fallen, möchte die Bundesregierung stärker Einfluss
nehmen, um den Verkehrsträger Schiene, eine leistungsfähige Schienen-
infrastruktur sowie moderne und barrierefreie Bahnhöfe zu stärken und aus-
zubauen?

3. Wie will die Bundesregierung den Verkehrsträger Schiene stärken, wenn die
DB AG gleichzeitig an der Praxis festhält, Bahnhöfe für den Personen- und
Güterverkehr zu schließen oder zu veräußern?

4. Wird die Bundesregierung ihre im Koalitionsvertrag festgelegte Zielsetzung
der Bundesregierung, „moderne sowie barrierefreie Bahnhöfe“ zu „Marken-
zeichen“ der Bahn zu machen, erreichen, wenn die DB AG ihre Ankündi-
gung umsetzt, weitere Bahnhofsgebäude zu veräußern?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den vergangenen
und geplanten Verkäufen von Bahnhöfen bzw. Bahnhofsgebäuden an private
Käufer bezüglich ihres Ziels, den Verkehrsträger Schiene zu stärken und aus-
zubauen?

6. Gibt es Überlegungen und Pläne seitens der Bundesregierung oder des Bun-
desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), unter Be-
rücksichtigung der unternehmerischen Eigenverantwortung der DB AG, die
Verkäufe von Bahnhöfen bzw. Bahnhofsgebäuden zu verhindern?

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7. Gibt es Vereinbarungen seitens der Bundesregierung mit der Konzernfüh-
rung der DB AG zum Verzicht der nächsten Dividendenauszahlung?
Wenn ja, gibt es eine Zweckbindung für die Verwendung des Betrags zur
Finanzierung von Investitionen in die Infrastruktur, und wie wird diese
Zweckbindung überprüft?
Wenn nein, warum nicht?
Ist der Vorschlag aus dem BMVI mit dem Bundesministerium der Finanzen
(BMF) abgestimmt worden?

8. Bedeutet die Aussage des Bundesverkehrsministers, man würde auf die Di-
vidende der DB AG verzichten, wenn die Summe in die Infrastruktur inves-
tiert würde, dass die Gewinne der DB AG und anderer Eisenbahnunterneh-
men des Bundes zwischen den Jahren 2013 und 2015 nicht in die Infrastruk-
tur investiert wurden?
Wenn ja, welchem Verwendungszweck sind diese zugekommen?

9. Gibt es im BMVI oder im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit Überlegungen oder schon bestehende Angebote,
Kommunen beim Erwerb von Bahnhofsgebäuden zu unterstützen?

10. In welcher städtebaulichen Verantwortung sieht die Bundesregierung Unter-
nehmen wie die DB AG, und welche Bemühungen hat sie unternommen, die
DB AG als Partnerin für ihre nationale Stadtentwicklungspolitik zu gewin-
nen?

11. Wer ist nach Meinung der Bundesregierung bei durch die DB AG veräußer-
ten und zurückgepachteten oder gemieteten Bahnhöfen gegenüber der Bun-
desnetzagentur für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Zugangs verant-
wortlich – der Besitzer oder der Pächter?

12. Muss nach Kenntnis der Bundesregierung der Verkauf eines Bahnhofes
durch die DB AG von der Bundesnetzagentur geprüft bzw. gestattet werden,
wenn dadurch der öffentliche Zugang zu der Bahninfrastruktur nicht mehr
gesichert ist?

13. Gibt es nach den barrierefreien Ausbauten von Bahnhöfen, die durch Bun-
desfördermittel finanziert wurden, eine Verkaufssperre bzw. Nutzungsdau-
erverpflichtung für die DB AG?

Berlin, den 16. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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