BT-Drucksache 18/965

Visaerteilungen im Jahr 2013

Vom 31. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/965
18. Wahlperiode 31.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Jan Korte, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,
Niema Movassat, Petra Pau, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Visaerteilungen im Jahr 2013

Wie aus Antworten der Bundesregierung auf regelmäßige Anfragen der Frak-
tion DIE LINKE. zur Visapraxis hervorgeht, sind die Ablehnungsquoten in Be-
zug auf einzelne Länder, aber auch innerhalb eines Landes höchst unterschied-
lich (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksache 17/12755). Insbesondere in ärmeren
Regionen oder Ländern, aus denen viele Asylsuchende kommen, werden
Visumanträge überdurchschnittlich häufig abgelehnt. Während die Ablehnungs-
quote im Jahr 2012 weltweit 6,6 Prozent betrug, lag sie in Afghanistan bei fast
40 Prozent. In der Türkei (gesamt) betrug sie 8,9 Prozent, in Ankara hingegen
14,2 Prozent. In den subsaharischen Ländern Angola, Elfenbeinküste, Ghana,
Guinea, Kamerun, Kongo, Mali, Nigeria, Senegal und Sudan reichten die Ab-
lehnungsquoten von etwa 25 bis zu über 53 Prozent (Guinea).
Allerdings sind in diesen Quoten Fälle nicht erfasst, in denen Betroffene ange-
sichts hoher Anforderungen oder empfundener Schikanen ein Visumverfahren
nicht länger betreiben und aufgeben oder mangels Erfolgsaussichten erst gar
keinen Antrag stellen. In der Praxis reicht nach Information der Fragesteller für
eine Ablehnung oftmals bereits aus, keine minderjährigen Kinder zu haben und/
oder über keine regelmäßig hohen Einkünfte zu verfügen. Daraus wird auf eine
angeblich „mangelnde familiäre bzw. wirtschaftliche Verwurzelung“ im Her-
kunftsland bzw. eine „mangelnde Rückkehrbereitschaft“ geschlossen. Solche
Ablehnungen sind für die Betroffenen oft nicht nachvollziehbar, zumal in der
Regel nur ein pauschal vorgegebener Standardsatz angekreuzt wird, etwa „Ihre
Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aus-
zureisen, konnte nicht festgestellt werden“.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Dezember
2013 in der Rechtssache „Koushkaki“ ist zumindest geklärt, dass Reisende einen
Anspruch auf Erteilung eines Schengenvisums haben, soweit kein rechtlicher
Versagungsgrund vorliegt. Bei der Prüfung, ob „begründete Zweifel“ an der
Rückkehrabsicht bestehen, haben die Mitgliedstaaten zwar einen weiten Beur-
teilungsspielraum, es muss jedoch auch keine „Gewissheit“ bestehen, dass die
Reisenden vor Ablauf des Visums wieder ausreisen.
91 Prozent aller im Jahr 2012 durch die Bundesrepublik Deutschland weltweit
erteilten Visa waren EU-Schengenvisa, dabei machten Geschäftsvisa 40 Prozent
aus, Familienvisa 22 Prozent und touristische Visa 17 Prozent (vgl. Bundestags-
drucksache 17/12755).

Drucksache 18/965 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
In den Jahren von 2009 bis 2012 wurden die im Visabereich weltweit einge-
setzten Mitarbeiterkapazitäten um 6,4 Prozent reduziert, trotz eines Anstiegs
der Visazahlen um 11,4 Prozent; in der Türkei gab es einen Personalabbau um
13,4 Prozent bei einem Anstieg der Visazahlen um 23 Prozent (errechnet aus den
Bundestagsdrucksachen 17/8221, S. 12/13 und 17/12755, S. 78, im Jahr 2012
wurde das Personal aufgestockt). Es kam – und kommt noch immer – zu er-
heblichen Wartezeiten im Verfahren, die zum Teil deutlich über dem EU-Richt-
wert von zwei Wochen liegen (vgl. z. B. Bundestagsdrucksachen 17/10022 und
17/12476). Dem will die Bundesregierung vor allem durch den Einsatz externer
Dienstleister begegnen (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/8221 und 18/57). Bei
der Auslagerung der Antragsannahme auf private Dienstleister wurden die
Reisenden zum Teil nur unzureichend darauf hingewiesen, dass nach EU-Recht
immer auch die Möglichkeit einer kostenlosen Antragstellung in den Visa-
stellen besteht bzw. wurde und wird dies nur unter eingeschränkten Bedingun-
gen ermöglicht (vgl. www.migazin.de/2013/04/09/rechtswidrige-privatisierung-
visumverfahren/). Inzwischen wurden zwar diesbezügliche Hinweise auf den
Internetseiten der Generalkonsulate korrigiert, jedoch liest sich, etwa in Hin-
blick auf die Türkei, die Alternative einer Antragstellung über den Dienstleister
iDATA (der seine Preise inzwischen auf 23 Euro erhöht hat) bzw. über die staat-
lichen Visastellen wie eine Werbung für Ersteren (Antragstellung ohne Termin
und ohne persönliche Vorsprache möglich, „kürzestmögliche Bearbeitungs-
zeit“) bzw. wie eine Warnung vor Letzterem (vorherige Terminvereinbarung
innerhalb nur einer Stunde in der Woche und persönliche Vorsprache erfor-
derlich, Ausgabe von Terminen „nur in begrenzter Anzahl und nach Verfüg-
barkeit […] wegen der knappen Schalterkapazitäten“; www.istanbul.diplo.de/
Vertretung/istanbul/de/07-visa/01-schengen-visa/00-schengen-visa.html). Der
Teilprivatisierung des Verfahrens ging also eine Verschlechterung der Mitarbei-
terkapazitäten im staatlichen Bereich voraus und mit Einführung der privaten
Dienstleister wurde – jedenfalls in Istanbul – die Terminvergabe zur Vorsprache
in den staatlichen Visastellen erschwert. Dies verstößt gegen die Verpflichtung
des EU-Visakodex, ein kundenfreundliches und qualitativ hochwertiges Dienst-
leistungsangebot im Visumverfahren zu gewährleisten (Artikel 38 Absatz 1 des
Visakodex), denn dies gilt unabhängig davon, ob private Dienstleister bei der
Antragsannahme eingesetzt werden oder nicht.
Die Bundesregierung rechtfertigt in ihrer Vorbemerkung auf Bundestagsdruck-
sache 18/57 ihr Vorgehen bei der Externalisierung der Antragsannahme ganz
grundsätzlich „Angebote privater Dienstleistungserbringer“ seien „zu einer Nor-
malität geworden“, „für ein zusätzliches Entgelt“ gebe es „einen größeren Kom-
fort“ gegenüber der öffentlichen Verwaltung, „Unterschiede im Umgang und in
der Qualität der Dienstleistung“ seien „daher selbstverständlich“. Die Bundes-
regierung spricht von einem „Paradigmenwechsel“ in Ländern, in denen die An-
tragsannahme ausgelagert wurde, hin zu einer „stärker an der Nachfrage orien-
tierten Ressourcenplanung“. Somit ist aber der Verdacht offenkundig begründet,
dass die Externalisierung der Antragsannahme nicht etwa, wie es das EU-Recht
erfordert, als „letztes Mittel“ erfolgte, sondern in wichtigen Herkunftsländern
ganz gezielt betrieben wurde, weil dies als vorteilhaft erachtet wird.
Sowohl wegen überlanger Wartezeiten im Visumverfahren als auch wegen des Ein-
satzes externer Dienstleister prüft die Europäische Kommission derzeit Schritte ge-
gen die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Bundestagsdrucksache 18/57).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch war die Zahl der im Jahr 2013 beantragten, erteilten bzw. abgelehn-

ten Visa (bitte tabellarisch und in der Differenzierung und Darstellung wie zu
Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 17/12755 antworten, jedoch in Tabelle 1b
zusätzlich auch die jeweiligen Ablehnungsquoten in Prozent angeben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/965
2. Wie haben sich die Zahlen erteilter Visa bzw. die Ablehnungsquoten im Jahr
2013 im Vergleich zum Vorjahr prozentual entwickelt (bitte nach Ländern
differenzieren und bei Ländern mit mehreren Auslandsvertretungen deren
Werte gesondert ausweisen)?

3. Wie viele Ausnahmevisa wurden im Jahr 2013 an den Grenzen von der Bun-
despolizei bzw. beauftragten Behörden der Länder erteilt (bitte zusätzlich
nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern und den Gründen bzw. der
Rechtsgrundlage differenziert darstellen)?

4. Wie viele der im Jahr 2013 erteilten Schengenvisa waren Jahres-, 2-Jahres-,
3-Jahresvisa, 5-Jahres- bzw. insgesamt Jahres- bzw. Mehrjahresvisa (bitte
auch die Vergleichswerte des Vorjahres nennen und darstellen und differen-
zieren wie zu Frage 4 bzw. der entsprechenden Anlage auf Bundestagsdruck-
sache 17/12755, jedoch bei Ländern mit mehreren Auslandsvertretungen
auch die jeweiligen Gesamtsummen aufführen, wie auf der genannten Bun-
destagsdrucksache bereits ausdrücklich, jedoch vergeblich, erbeten), und wie
hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil von Mehrjahresvisa
an allen Schengenvisa in den anderen EU-Mitgliedstaaten?

5. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass nach dem Bericht
der Europäischen Kommission „EU Home Affaires. Background sta-
tistics“ vom 10. März 2014 (http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/e-library/
docs/infographics/ha-in-numbers/home_affairs_in_numbers_en.pdf, Seite 10)
Deutschland bei dem Anteil von Mehrfachvisa an allen erteilten Schengen-
visa im Jahr 2012 mit 18,9 Prozent im Schengenvergleich an viertletzter
Stelle lag und elf Schengenstaaten Quoten in Höhe von 48 bis 97 Prozent
aufwiesen, die also mindestens doppelt bis fünf Mal so hoch waren, wie die
deutschen, und hält sie angesichts dieser Vergleichswerte den Anteil von
Mehrfachvisa an allen durch Deutschland erteilten Schengenvisa für ausrei-
chend (bitte begründen)?

6. Was sind die Gründe für den im Schengenvergleich sehr niedrigen Anteil von
durch deutsche Auslandsvertretungen erteilten Mehrfach- bzw. Mehrjahres-
visa an allen Schengenvisa (bitte darlegen)?

7. Mit welcher Begründung ist die Bundesregierung gegebenenfalls der Auf-
fassung, dass die Nachbarländer Deutschlands Schweiz, Österreich, Belgien,
Luxemburg, Polen und die Niederlande die EU-Visaregeln zu locker hand-
haben, und wenn dies nicht der Fall ist, wieso ergreift die Bundesregierung
nicht wirksame Maßnahmen, um den Anteil der Mehrfachvisa deutlich zu
erhöhen und mindestens an den EU- bzw. Schengendurchschnitt anzupas-
sen, da sich die bisherigen diesbezüglichen Weisungen offenkundig als un-
zureichend erwiesen haben und die großzügige Erteilung von Mehrfachvisa
ein wirksames und von der Europäischen Kommission empfohlenes Mittel
zur Entlastung der Behörden und zur Beschleunigung der Visaverfahren dar-
stellt (bitte ausführlich darlegen)?

8. Wieso konnte die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/8823 zu
Frage 8 keine Angaben zum Anteil der Mehrjahresvisa an allen erteilten Visa
bezüglich anderer EU-Mitgliedstaaten machen, obwohl diese Daten erfasst
werden, in welcher Weise veröffentlicht die Europäische Kommission (oder
andere EU-Behörden, etwa EUROSTAT) diese und andere Daten im Zusam-
menhang der Visaerteilung (bitte mit Quellenangabe und Turnus der Ver-
öffentlichung nennen), und inwieweit werden die Mitgliedstaaten von der
Kommission oder anderen EU-Behörden über diese Daten wann informiert?

9. Wie viele Visa wurden im Jahr 2013 nach Artikel 25 Absatz 1 des Visakodex
mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt (bitte auch nach den 15 wichtigs-
ten Staatsangehörigkeiten und soweit möglich auch nach den Gründen bzw.
Fallkonstellationen entsprechend Artikel 25 Absatz 1 ai bis iii und b des
Visakodex differenzieren)?

Drucksache 18/965 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
10. Welche Erkenntnisse und Aussagen lassen sich aus dem Visainformations-
system (VIS) zu den maßgeblichen Gründen der Visumablehnungen durch
Deutschland bzw. auch durch andere Mitgliedstaaten ableiten (vgl. Arti-
kel 12 Absatz 2 a bis g der VIS-Verordnung; bitte so differenziert wie mög-
lich darstellen, d. h. nach – gegebenenfalls auch nur einzelnen – Herkunfts-
ländern und Gründen differenziert darstellen sowie Angaben für das Jahr
2013 bzw. hilfsweise soweit Daten vorliegen machen)?

11. Welche weiteren konkreten Anweisungen oder Erlasse zur Erleichterung
des Visumverfahrens bzw. der Visumerteilung hat es seit der Antwort der
Bundesregierung zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 17/12755 gegeben,
und inwieweit und mit welchem Ergebnis wurde evaluiert, ob das Visum-
verfahren infolge früherer Erlasse tatsächlich vereinfacht bzw. erleichtert
wurde (bitte ausführen)?

12. In welchen Ländern bzw. Auslandsvertretungen gab es gegenüber der Ant-
wort der Bundesregierung zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 17/12755
Veränderungen in Bezug auf den Einsatz externer Dienstleister, und in wel-
chen Ländern wurden insbesondere aus welchen Gründen externe Dienst-
leister neu eingesetzt (bitte differenziert beantworten)?

13. Welche Veränderungen bei Visaerleichterungsabkommen gab es seit der Ant-
wort der Bundesregierung zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 17/12755?

14. Wie lauten die statistischen Angaben über die Visaerteilung im Jahr 2013,
differenziert nach Aufenthaltszwecken und Schengen- bzw. nationalen Visa
(bitte wie zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 17/12755 antworten)?

15. Wie hoch waren im Jahr 2013 im Visabereich die Personalkosten, wie viele
MAK (statistisch in Vollzeit arbeitende Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter)
gab es, wie viele Fälle pro MAK wurden im Jahr 2013 bearbeitet (bitte auch
nach Kontinenten und den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenziert
darstellen und jeweils die prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vor-
jahr nennen; bitte wie in der Antwort zu Frage 12 auf Bundestagsdruck-
sache 17/12755 darstellen, jedoch auch die dort vergessenen Gesamtzahlen
weltweit nennen), und wie werden entsprechende Veränderungen begründet?

16. Wie hoch war die Zahl von Remonstrationen und/oder Klagen gegen ableh-
nende Visumbescheide im Jahr 2013 im Bereich der Kurzzeit- bzw. Lang-
zeitvisa (bitte so differenziert wie möglich angeben und Vergleichswerte des
Vorjahres nennen), und in welchem Umfang wurden im Jahr 2013 nach
einer Klageerhebung Visa erteilt (bitte auch solche Fälle berücksichtigen, in
denen Visa infolge eines gerichtlichen Vergleichs oder auch nach Klage-
rücknahme nach Zusicherung der Behörde zur Visumerteilung erteilt wur-
den)?

17. Wie hoch waren die Gebühreneinnahmen im Visumverfahren im Jahr 2013
(bitte auch nach den 20 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

18. Wie viele gefälschte bzw. „erschlichene“ (bitte differenzieren) Visa wurden
im Jahr 2013 bzw. im Jahr 2012 von bundesdeutschen Behörden entdeckt
(etwa bei Zurückschiebungen/Zurückweisungen), und welche genaueren
Angaben hierzu lassen sich machen (z. B. in welchen Ländern wurden die
Visa beantragt, von welchen Ländern wurden sie ausgestellt, welche Perso-
nen- bzw. Fallkonstellationen sind auffällig usw.)?

19. Welche Erkenntnisse liegen dazu vor, wie viele Personen in den Jahren 2013
bzw. 2012 nach Ablauf der Gültigkeit eines Schengenvisums nicht bzw. zu
spät wieder ausgereist sind und was die Gründe dafür waren, und welche
sonstigen „Missbrauchsfälle“ gab es im Zusammenhang der Visaerteilung
bzw. -nutzung (bitte so konkret wie möglich beantworten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/965
20. Wie ist der aktuelle Stand der Implementierung des VIS und der Visawarn-
datei, und welche Erfahrungen oder Probleme gibt es diesbezüglich, auch
hinsichtlich des Datenabgleichs zwischen Visawarn- und Antiterrordatei
(welche empirischen Daten liegen diesbezüglich vor bzw. werden erfasst)?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Präsentation des Bundesverwal-
tungsamts vom 15. Mai 2013 „Im Einsatz: EU Visa Informationssystem.
Praktische Erfahrungen; www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/
Veranstaltungen/ITSiKongress/2013/Fares_Rahmun_15052013.pdf?__blob=
publicationFile), in der es heißt, dass
a) die „Speicherung von 10 Fingern“ im VIS „ca. 7–9 min zusätzlich pro

Antrag“ bedeutet und deshalb „viele EU MS […] Antragserfassung out-
sourcen“ wollen (a. a. O., S. 7; siehe auch S. 20: „EU MS Arbeitsgruppe:
Auslagern der Visumantragserfassung an externe Dienstleister (Haupt-
ursache: zusätzliche Zeit durch Biometrie)“) – sind diese Angaben zu-
treffend, und wie ist das geplante Outsourcen der Antragsannahme vor
dem Hintergrund dieser Begründung der zeitaufwändigen Erfassung der
biometrischen Daten damit vereinbar, dass eine Externalisierung der An-
tragsannahme nach Artikel 40 des Visakodex nur als letztes Mittel und
unter bestimmten Bedingungen ergriffen werden darf;

b) „erhöhte Kontrollzeiten bei der Grenzkontrolle“ infolge des VIS von
„mind. 30 sek zusätzlich (bis zu 10 min)“ auftreten können (ebd., S. 8) –
sind diese Angaben zutreffend, welche Erfahrungen liegen diesbezüglich
inzwischen vor, und wie beurteilt die Bundesregierung diese möglichen
erheblichen Verzögerungen bei der Grenzkontrolle infolge der Nutzung
des VIS (bitte ausführen);

c) es „Kapazitätsprobleme“ („Mengengerüst war veraltet“) sowie „hohe Ant-
wortzeiten, Time-Outs“ bei der alphanumerischen Suche gebe und „Tref-
ferqualität entspricht nicht nationalen Anforderungen“ – ist dies zutref-
fend (bitte ausführen), inwieweit treten diese, aber auch die weiteren in
dieser Präsentation genannten Probleme in der Praxis weiterhin auf, und
was unternimmt die Bundesregierung oder unternehmen andere Stellen
gegebenenfalls zur Problemlösung;

d) ein „PRO“ für die „Nutzung von Externen Dienstleistern (ESP) im Rah-
men der Antragserfassung“ ein „Geringeres Investitionsrisiko für Behör-
den (Biometrie!)“ sei – wie ist diese Aussage genau zu verstehen, sollen
die Investitionsrisiken der biometrischen Datenerfassung auf private
Dienstleister übertragen werden, und wenn ja, wie wäre dies zu rechtfer-
tigen, insbesondere da es sich bei der biometrischen Datenerfassung mit
der Begründung öffentlicher (Sicherheits-)Interessen um eine genuin
staatliche/hoheitliche Aufgabe handelt (bitte ausführen)?

22. Wie lang sind derzeit die Wartezeiten für privat bzw. geschäftlich Reisende
(bitte differenzieren) für einen Termin zur Visumantragstellung in den ver-
schiedenen deutschen Auslandsvertretungen in den 20 wichtigsten visum-
pflichtigen Ländern weltweit (bitte wie in der Antwort zu Frage 19 auf Bun-
destagsdrucksache 17/12755 antworten, und soweit externe Dienstleister
eingesetzt werden, bitte auch gesondert die Wartezeit für die Antragstellung
direkt in den Visastellen nennen)?

23. In welchen Ländern bzw. Auslandsvertretungen, bei denen die Antrags-
annahme auf externe Dienstleister übertragen wurde, beträgt die Wartezeit
auf einen Termin zur Antragseinreichung direkt in den Visastellen derzeit
mehr als zwei Wochen (bitte nach Auslandsvertretungen differenziert mit
Wartezeit und Gründen angeben)?

Drucksache 18/965 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
24. Wie ist es zu erklären, dass laut der Antwort zu Frage 3 auf Bundestagdruck-
sache 18/57 vor allem in Russland (Moskau, Jekaterinburg und Kaliningrad)
die Zwei-Wochen-Frist zur Antragstellung weiterhin zum Teil deutlich über-
schritten wurde, obwohl zum Beantwortungszeitpunkt (November 2013)
keine Hauptreisezeit war?

25. Wie ist der aktuelle Stand des Pilotverfahrens der Europäischen Kommis-
sion (4194/12/HOME) in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland
wegen überlanger Wartezeiten und dem Einsatz externer Dienstleister im
Visumverfahren (siehe Vorbemerkung der Fragesteller auf Bundestags-
drucksache 18/21), was waren die letzten Schritte der Bundesregierung bzw.
nach Kenntnis der Bundesregierung der Kommission, und welche weiteren
Schritte sind nunmehr zu erwarten?

26. Wie lang sind derzeit die Wartezeiten für einen Termin zur Visumantragstel-
lung nach nationalem Recht (bitte soweit möglich auch nach entsprechen-
den Aufenthaltszwecken differenzieren) in den verschiedenen deutschen
Auslandsvertretungen in den 20 wichtigsten visumpflichtigen Ländern welt-
weit?

27. Inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass die hohe, über 90-
prozentige Quote der Antragstellung über externe Dienstleister (wo dies
möglich ist, siehe die Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 18/57)
nicht auf einer bereitwilligen Inkaufnahme des Serviceentgeltes beruht, wie
von ihr dargestellt, sondern z. B. darauf, dass Reisende über die Möglichkeit
der weiterhin kostenlosen Beantragung in den Visastellen nicht oder unzu-
reichend informiert waren und/oder dass dies auch ein Ergebnis dessen ist,
dass nach Auffassung der Fragesteller die Vorsprachebedingungen direkt in
den Visastellen, z. B. in Istanbul, mit der Externalisierung des Verfahrens
auf Dienstleister verschlechtert wurden (z. B. durch eine Terminbeantra-
gung vor Ort innerhalb eines Zeitfensters von nur einer Stunde in der Wo-
che, bitte darlegen)?

28. Mit welcher sachlichen Begründung soll die uneingeschränkte Notwendig-
keit persönlicher Vorsprachen bei einer Erstantragstellung in den Visastellen
gerechtfertigt werden, wenn es die Bundesregierung zugleich für ausrei-
chend hält, bei einer Erstantragstellung über einen externen Dienstleister im
Regelfall auf solche persönlichen Vorsprachen zu verzichten und dies damit
begründet, dass zum Ausgleich intensivere Prüfungen der schriftlichen An-
tragsunterlagen möglich seien und in Zweifelsfällen ein klärendes Gespräch
in der Visastelle veranlasst werden könne (Bundestagsdrucksache 18/57,
Antwort zu Frage 16), was ja genauso auch bei einer schriftlichen Antrag-
stellung in den Visastellen möglich wäre, zumal nach Angaben der Bundes-
regierung an Orten, an denen externe Dienstleister zum Einsatz kommen,
eine solche intensivere Prüfung der Unterlagen jetzt schon in über 90 Pro-
zent aller Fälle vorgenommen wird (vgl. ebd., Antwort zu Frage 7, bitte aus-
führen)?

29. Ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 auf Bundestagsdruck-
sache 18/57 („Im Rahmen der persönlichen Antragsabgabe […] kann ein
Gespräch […] geführt werden“) so zu verstehen, dass es nicht regelmäßig,
sondern nur in Zweifelsfällen zur persönlichen Befragung von Visuman-
tragstellenden bei einem Erstantrag in den Visastellen kommt (dies war
die – insoweit unbeantwortet gebliebene – Frage), und wenn ja, welchen
Sinn macht dann die generelle Pflicht zur persönlichen Antragseinreichung,
und wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine entsprechende
Änderung von Artikel 10 des Visakodex einsetzen, so dass eine Vertre-
tungsmöglichkeit oder schriftliche Erstantragstellung auch bei Antragstel-
lung in den Visastellen möglich wird (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/965
30. Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine Änderung von Arti-
kel 10 des Visakodex einsetzen, so dass generell eine Vertretungsmöglich-
keit oder schriftliche Erstantragstellung möglich wird, weil sich die Ver-
pflichtung zur persönlichen Antragstellung nach der Rechtsauffassung der
Bundesregierung durch eine Antragstellung über externe Dienstleister ein-
fach umgehen lässt (vgl. die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 15
und 16 auf Bundestagsdrucksache 18/57, bitte begründen), und wenn nein,
wie will sie dem Vorwurf begegnen, dass die Ungleichbehandlung in Bezug
auf die Pflicht zur persönlichen Vorsprache vor allem deshalb aufrechterhal-
ten werden soll, um Reisende zur Inanspruchnahme privater Dienstleister zu
bewegen (bitte begründen)?

31. Hält es die Bundesregierung für ausreichend und mit EU-Recht für verein-
bar, wenn nach Auffassung der Fragesteller auf der Internetseite der deut-
schen Auslandsvertretungen in China zunächst der Eindruck erweckt wird,
Anträge müssten über externe Dienstleister gestellt werden („NEUES AN-
TRAGSVERFAHREN FÜR SCHENGEN-VISA: Die deutschen Auslands-
vertretungen in China haben die Annahme von Visaanträgen für Schengen-
Visa an einen externen Dienstleister ausgelagert.“, www.china.diplo.de/
Vertretung/china/de/01-Konsularservice/visa/0-ubs.html), und dann erst im
Frage-Antworten-Bereich an hinterer Stelle erläutert wird: „Jeder Antrag-
steller kann seinen Antrag auch unmittelbar bei der Botschaft stellen. Hierzu
wird es bei den Auslandsvertretungen auch künftig eine begrenzte Anzahl
von Terminen geben“, wobei für das Generealkonsulat in Shanghai bei zu-
fälligem Abruf am 5., 18. und 19. März 2014 jeweils kein einziger Termin
innerhalb eines Monats zur Verfügung stand und danach liegende Termine
noch nicht buchbar waren, was ein eindeutiger Verstoß gegen die zweiwö-
chige Regelvorgabe nach Artikel 9 Absatz 2 des Visakodex ist, und wie ist
die Angabe von einer „begrenzten“ Anzahl von Terminen damit zu verein-
baren, dass auch bei einer Antragstellung in den Visastellen die Vorgabe des
EU-Visakodex einer im Regelfall maximal zweiwöchigen Wartefrist gilt
und Vorsprache- und Bearbeitungskapazitäten der Visastellen entsprechend
angepasst werden müssen (vgl. auch Artikel 38 Absatz 1 des Visakodex,
bitte ausführen)?

32. Welchen Sinn macht ein Terminvergabesystem bzw. warum sollten Antrag-
steller überhaupt einen Termin über dieses System beantragen, wenn die
Angabe der Bundesregierung zutreffend sein sollte, dass ein „Termin auch
persönlich in der Visastelle zu vereinbaren [ist], sollten die über das elek-
tronische Terminvergabesystem bereitgestellten Termine kurzfristig er-
schöpft sein“ (Antwort zu Frage 21 auf Bundestagsdrucksache 18/57), zu-
mal es in der Anlage zu Frage 3 in Fußnote 4 ergänzend heißt, dass in diesen
Fällen ein „Termin innerhalb von 14 Tagen beantragt werden“ könne (bitte
ausführen), und inwieweit werden Reisende – etwa auf der Internetseite des
entsprechenden Generalkonsulats – darauf aufmerksam gemacht, dass diese
Möglichkeit besteht (bitte konkret nachweisen), und wenn dies nicht der
Fall ist, was ist dann diese Aussage wert (bitte darlegen)?

33. Wie begründet das Auswärtige Amt seine z. B. in dem Gerichtsverfahren
VG Berlin 4 L 285.11 V (Beschluss vom 2. September 2011, S. 3) geäußerte
Auffassung, dass von „familiären Bindungen […] regelmäßig […] nur aus-
gegangen werden“ könne, „wenn es sich um unterhaltsberechtigte Angehö-
rige handle, die im Heimatland zurückgelassen würden“ (bitte darlegen), ist
dies immer noch die Auffassung des Auswärtigen Amts, und inwieweit ent-
spricht eine solche Argumentation der üblichen Prüfpraxis des Auswärtigen
Amts?

34. Wird weiterhin von Auslandsvertretungen in der Entscheidungspraxis oder
durch Prozessbevollmächtigte des Auswärtigen Amts in Gerichtsverfahren

Drucksache 18/965 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
die Auffassung vertreten, dass die Visumerteilung „auch bei angenommener
Rückkehrbereitschaft […] in ihrem [Bundesrepublik Deutschland, vertreten
durch das Auswärtige Amt] Ermessen“ stehe (VG 4 L 285.11 V, Beschluss
vom 2. September 2011, S. 3), also auch beim Vorliegen aller übrigen Er-
teilungsvoraussetzungen und wenn keine weiteren Zurückweisungs- oder
Versagungsgründe vorliegen, und wenn ja, wie ist dies mit dem Urteil des
EuGH vom 19. Dezember 2013 in der Rechtssache „Koushkaki“ vereinbar?

35. Wird die vom Verwaltungsgericht Berlin (VG 4 L 285.11 V, Beschluss vom
2. September 2011, S. 5) vertretene Auffassung geteilt, dass über „allge-
meine Zweifel“ hinausgehende Informationen zu konkreten Zweifeln vor-
liegen müssen, um ein Visum mit der Begründung von Zweifeln an der
Rückkehrbereitschaft versagen zu können, dass es also mit anderen Worten
nicht reicht, z. B. allgemein auf die ärmlichen Bedingungen in einem Her-
kunftsland oder fehlende familiäre Bindungen einer Person an sich hinzu-
weisen, um eine fehlende Rückkehrbereitschaft anzunehmen (bitte ausfüh-
ren), und wenn ja, was unternimmt das Auswärtige Amt, damit es in der Pra-
xis nicht weiter zu Visumablehnungen mit solchen Begründungen kommt,
bzw. wenn nein, wie ist dies mit dem Urteil des EuGH vom 19. Dezember
2013 in der Rechtssache „Koushkaki“ vereinbar?

36. Welche Änderungen oder Erlasse hat das Auswärtige Amt infolge und zur
Umsetzung und Beachtung des Urteils des EuGH vom 19. Dezember 2013
in der Rechtssache „Koushkaki“ vorgenommen (bitte detailliert darlegen)?

37. Inwieweit kann die Bundesregierung Berichte über Korruption bei der Visa-
terminvergabe für die Botschaft in Beirut (oder auch in anderen Ländern) be-
stätigen (vgl. www.migazin.de/2014/02/07/wie-termine-visumstelle-beirut/ –
ein Kommentar auf dieser Seite weist auf ähnliche Zustände in Amman/
Jordanien hin; bitte den Sachstand und die genaue Art und Weise der Ter-
minvergabe und des Betrugs darstellen), wie ist nach Kenntnis der Bundes-
regierung der Stand etwaiger strafrechtlicher oder interner Ermittlungsver-
fahren, inwieweit liegen Hinweise auf eine Mitbeteiligung von Botschafts-
oder Ortskräften vor, und was plant das Auswärtige Amt, um solche oder
ähnliche Praktiken in der Zukunft zu verhindern?

38. Wann hat das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft (bitte differenzieren) in
welcher Weise und von wem das erste Mal von dem Verdacht/Vorwurf er-
fahren, dass Vorsprachetermine in Beirut für viel Geld (z. B. 500 oder 800
Dollar) „verkauft“ wurden, was hat sie wann hiergegen unternommen (bitte
genau darstellen), in Bezug auf welche Auslandsvertretungen gibt es ver-
gleichbare Vorfälle oder Verdachtsmomente, und was wird unternommen,
um solche Praktiken generell weltweit wirksam zu verhindern?

39. Sind dem Auswärtigen Amt Beschwerden darüber bekannt, dass nach Infor-
mation der Fragesteller selbst deutsche Staatsangehörige (insbesondere mit
Migrationshintergrund des jeweiligen Landes) von Sicherheits- oder Orts-
kräften der Auslandsvertretungen unfreundlich und abweisend behandelt
werden (etwa, indem ihnen der Zutritt zur Botschaft verwehrt wird, obwohl
sie entsprechend der Aufforderung von Botschaftsbediensteten lediglich
weitere Unterlagen nachreichen wollen), und welche Maßnahmen wurden
diesbezüglich bislang ergriffen (bitte ausführen)?

Berlin, den 26. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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