BT-Drucksache 18/962

Bedrohungslage in Somalia und die Rolle von EUTM Somalia

Vom 31. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/962
18. Wahlperiode 31.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Christine Buchholz, Annette Groth, Andrej
Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Bedrohungslage in Somalia und die Rolle von EUTM Somalia

Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)
beschloss die Europäische Union am 25. Januar 2010 Ausbildungskräfte nach
Uganda zu schicken, um Truppen der somalischen „Übergangsregierung“ aus-
zubilden. Ab April 2010 begannen dann EU-Soldaten die Verlegung nach
Uganda, um die Mission European Training Mission for Somalia (EUTM SOM)
im westugandischen Bihanga Training Camp beginnen zu lassen.
Am 22. Januar 2013 beschloss der Rat der Europäischen Union, die Mission
fortzuführen und „möglicherweise nach Somalia“ zu verlegen (Beschluss 2013/
44/GASP des Rates vom 22. Januar 2013 zur Änderung und Verlängerung des
Beschlusses 2010/96/GASP über eine Militärmission der Europäischen Union
als Beitrag zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte).
Zu Beginn des Jahres 2014 wurden die Einheiten der EUTM SOM aus Bihanga
nach Mogadischu verlegt. Bereits Mitte 2013 kündigte die Bundesregierung an,
dass die Bundeswehrsoldaten aufgrund fehlender „Rahmenbedingungen zum
Schutz“, „adäquater medizinischer und logistischer Versorgung“ sowie „Infra-
struktur“ der EUTM SOM nicht mit nach Mogadischu verlegt werden würden
(www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-einsatz-keine-deutsche-beteiligung-an-
somalia-mission-12213736.html).
Mit dem Ausbildungsende in Uganda endete die Beteiligung der Bundeswehr am
20. Dezember 2013 (www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw). Als
Grund für den Abzug wurden von der Bundesregierung angemeldete Sicher-
heitsbedenken angegeben. Es fehle im somalischen Mogadischu an den „Rah-
menbedingungen zum Schutz“, einer „adäquaten medizinischen und logistischen
Versorgung“ und der nötigen Infrastruktur (www.spiegel.de/politik/ausland/
bundeswehr-beendet-eutm-ausbildungsmission-fuer-somalia-a-943022.html).
Die Bundesregierung plant nun – ohne, dass dargelegt wurde, dass sich etwas an
den Rahmenbedingungen geändert hat – eine erneute Beteiligung an EUTM
SOM (Bundestagsdrucksache 18/857). Immer wieder, wie zuletzt am 17. März
2014 (www.aljazeera.com/news/africa/2014/03/somalia-car-bomb-targets-
african-union-convoy-2014317173549961807.html), werden Anschläge auf die
AMISOM-Truppen (AMISON = Mission der Afrikanischen Union in Somalia)
durchgeführt. Die Sicherheitslage scheint weiterhin katastrophal zu sein.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell die allgemeine Sicherheitslage in

Somalia ein?

Drucksache 18/962 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Inwiefern hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Sicherheits-
lage in Somalia seit Beginn der Mission im Jahr 2010 zu welchem Zeitpunkt
mit welcher Tendenz in welche Richtung wie verändert?

3. Welche Faktoren waren nach Einschätzung der Bundesregierung hierfür
maßgeblich?

4. Welche Sachverhalte lagen den Sicherheitsbewertungen des Jahres 2013, in
deren Folge – angesichts der Verlegung der Ausbildungsstätten von Uganda
nach Somalia – die Beteiligung der Bundeswehr an der Mission eingestellt
wurde, zugrunde (bitte anhand einiger konkreter Beispiele darstellen)?

5. Auf welche Kriterien wurde im Rahmen dieser Sicherheitsbewertungen
maßgeblich abgestellt (bitte anhand konkreter Beispiele darlegen)?

6. Welche Veränderungen der Sachlage – bezogen auf die zu Frage 4 themati-
sierten Sachverhalte – haben zu welchem Zeitpunkt zu einer Revision der
Bewertung der Sicherheitslage geführt, die nun einer erneuten Beteiligung
der Bundeswehr an EUTM SOM zugrunde liegen soll (bitte anhand einiger
konkreter Beispiele darstellen)?

7. Auf welche Kriterien wurde bei dieser neuerlichen Sicherheitsbewertung
maßgeblich abgestellt (bitte anhand konkreter Beispiele darlegen)?

8. Welche Erfahrungen hat die Bundeswehr bei ihrem letzten Einsatz im
Rahmen von EUTM SOM gesammelt, inwieweit hat insoweit eine Evalua-
tion stattgefunden, welche Konsequenzen wurden hieraus gezogen, und in-
wieweit soll dies im Zuge einer neuerlichen Beteiligung an der Mission Be-
rücksichtigung finden?

9. Wie schätzt die Bundesregierung die aktuelle Sicherheitslage der EUTM-
Kräfte in Mogadischu ein?

10. Welche AMISOM-Kräfte sind abgestellt, um für die Sicherheit der EUTM
in Somalia zu sorgen (bitte genaue Auflistung der Herkunft der Soldaten)?

11. Hat es seit der Verlegung von EUTM SOM nach Mogadischu sicherheitsre-
levante Zwischenfälle gegen die EUTM-Kräfte gegeben?
Wenn ja, wo haben diese genau stattgefunden?
Gab es dabei Verletzte?
Wer waren die vermutlichen Angreifer?

12. Wo sollen sich die EUTM-SOM-Kräfte aufhalten, und wie sind die Be-
wegungen zwischen diesen Stationierungsorten geplant?
Welcher Art soll die Absicherung der Transporte zwischen den Stationie-
rungsorten sein, und wer wird sie vornehmen?

13. Welche Teile der Ausbildung der EUTM SOM werden in der so genannten
„Villa Somalia“ geplant?

14. Befindet sich der Flughafen von Mogadischu unter der militärischen Kon-
trolle von AMISOM?

15. Wann plant die Europäische Union eine Truppenstellerkonferenz in Brüssel
auszurichten?

16. Hat die Bundesregierung eine Evaluation der bisherigen EUTM SOM in
Uganda erarbeitet?
Wenn ja, wann wird diese veröffentlicht?
Wenn nein, warum nicht, und plant sie dies in näherer Zukunft?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/962
17. Wie viele Angehörige der im Rahmen der EUTM ausgebildeten somali-
schen Sicherheitskräfte sind bislang nach Kenntnis der Bundesregierung in
Kampfhandlungen getötet worden?

18. Wie schätzt die Bundesregierung die Pressefreiheit in Somalia angesichts
von Erklärungen der National Union of Somali Journalists (NUSOJ), die
Anfang Februar 2014 berichtete, dass mehrere Journalisten in Baidoa von
Regierungssicherheitskräften eingeschüchtert, gefangengenommen und
misshandelt wurden (www.nusoj.org/2014/02/06/journalist-arrested-beaten-
and-detained-briefly-in-southwest-somalia/), ein?

19. Wie viele somalische Soldaten wurden im Rahmen von EUTM SOM bis-
lang insgesamt ausgebildet?

20. Wie viele somalische Soldaten haben zu irgendeinem Zeitpunkt das Ausbil-
dungsprogramm begonnen, aber nicht zu Ende geführt?

21. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung zu den Gründen für diese
vorzeitigen Beendigungen des Ausbildungsprogramms?

22. Wie viele der in dem Programm ausgebildeten somalischen Soldaten haben
alle erforderlichen Prüfungen bestanden?

23. Welche Konsequenzen hat (bzw. hatte) das Nichtbestehen welcher Prüfun-
gen?

24. Wie viele und welche Prüfungen mussten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bestanden werden, um im Anschluss an das Programm Dienst beim
somalischen Militär zu leisten?

25. Welche der zu absolvierenden Prüfungen wurden am häufigsten nicht be-
standen?

26. Wie viele der somalischen Soldaten, die das Ausbildungsprogramm erfolg-
reich durchlaufen haben, haben nach Kenntnis der Bundesregierung die
somalische Armee innerhalb der ersten drei Monate nach Bestehen notwen-
diger Prüfungen verlassen?

27. Wie viele der somalischen Soldaten, die das Ausbildungsprogramm erfolg-
reich durchlaufen haben, haben nach Kenntnis der Bundesregierung die
somalische Armee zu irgendeinem späteren Zeitpunkt verlassen?

28. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung zu den Gründen für das
Ausscheiden der Soldaten, die das somalische Militär zu irgendeinem Zeit-
punkt nach erfolgreichem Durchlaufen des Ausbildungsprogramms verlas-
sen haben?

29. Wie viele der im Rahmen von EUTM SOM erfolgreich ausgebildeten Sol-
daten sind nach Kenntnis der Bundesregierung heute noch im Dienst?

30. Haben alle Soldaten, die zu irgendeinem Zeitpunkt im Rahmen von EUTM
SOM an dem Ausbildungsprogramm teilgenommen haben, sämtliche ihnen
ausgehändigten Waffen (bis zu oder spätestens nach ihrem Ausscheiden aus
dem somalischen Militär) zurückgegeben?

31. In wie vielen Fällen wurden von Teilnehmern und/oder Absolventen des
Ausbildungsprogramms welche und wie viele Waffen mit welcher Begrün-
dung (bis zu oder spätestens nach ihrem Ausscheiden aus dem somalischen
Militär) nicht zurückgegeben?

32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Rate von desertieren-
den somalischen Soldaten angesichts eines im Jahr 2008 erstellten Berich-
tes der Vereinten Nationen, in dem geschätzt wurde, dass circa 80 Prozent
der Sicherheitskräfte der damaligen somalischen Übergangsregierung de-
sertiert waren (news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7779525.stm)?

Drucksache 18/962 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Welche Fälle von desertierten Soldaten, die im Rahmen der EUTM SOM
ausgebildet wurden, sind der Bundesregierung bekannt?

b) Um wie viele Fälle handelte es sich?
c) In wie vielen Fällen haben die desertierten Soldaten ihre Waffen mitge-

nommen?
d) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung zu den Gründen für

die Desertion der Soldaten?
33. Inwiefern findet eine Koordination des in Deutschland stationierten Afrika-

nischen Kommandos der US-Streitkräfte (AFRICOM) – welches sich für
verschiedene Drohneneinsätze in Somalia verantwortlich zeichnet – mit
EUTM SOM statt?

34. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die illegale Verteilung
von Waffen in Somalia an verschiedenste Akteure – unter anderem die
radikal-islamistische Al-Shahab-Miliz, zu deren Bekämpfung die Vereinten
Nationen ihr Waffenembargo ja gelockert hatten – wie es Presseberichte
jüngst berichteten (uk.reuters.com/article/2014/02/13/uk-somalia-arms-un-
idUKBREA1C07D20140213)?

35. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausbildung von so-
malischen Soldaten durch die türkischen Streitkräfte, wie sie im Jahr 2010
(english.peopledaily.com.cn/90001/90777/90854/6995275.html) und erneut
im Jahr 2014 (hiiraan.com/news4/2014/Feb/53428/somalia_and_turkey_
reach_military_deal.aspx) vertraglich vereinbart wurde?

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausbildung von so-
malischen Soldaten durch die italienischen Streitkräfte, wie sie im Jahr
2013 vertraglich vereinbart wurde (laanta.net/?p=299)?
In welchem Verhältnis steht – nach Kenntnis der Bundesregierung – die ita-
lienische Ausbildung zur EUTM SOM?

37. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Ausbildung von so-
malischen Soldaten durch die US-amerikanischen Streitkräfte, wie sie im
Jahr 2013 begonnen wurden (www.washingtonpost.com/world/national-
security/us-has-deployed-military-advisers-to-somalia-officials-say/2014/
01/10/b19429f2-7a20-11e3-af7f-13bf0e9965f6_story.html)?
a) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung dazu, in welchem Ver-

hältnis dieses Programm zum „Targeted Killing“ und Drohnenprogramm
von US-Stellen und den Aktivitäten von AFRICOM steht?

b) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung dazu, in welchem Ver-
hältnis dieses Programm zu EUTM SOM steht?

38. Wie viele somalische Soldaten – jenseits von EUTM SOM – wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung insgesamt von Streitkräften der NATO- und
EU-Staaten seit dem Jahr 2010 ausgebildet?
a) Welche Größe haben die somalischen Streitkräfte nach Kenntnis der

Bundesregierung?
b) Welche Größe hatten sie, bevor EUTM SOM angelaufen war?

39. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Tätigkeit der britisch-
südafrikanischen Söldnerfirma „Saracen International“, die angeblich in
verschiedenen Teilen Somalias Militärs ausbildet (www.iol.co.za/news/
africa/private-firm-flouts-un-embargo-in-somalia-1.1242748)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/962
40. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Erschießungen von soma-
lischen Soldaten, wie sie beispielsweise im Januar 2014 durchgeführt wur-
den (www.bbc.co.uk/news/world-africa-25626176)?
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von

Soldaten, die von der EUTM SOM ausgebildet wurden, bei Erschießun-
gen in Somalia?

b) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über von somalischen
Soldaten im Dienst begangene schwere Straftaten?

c) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Beteiligung
somalischer Soldaten an Erschießungskommandos, die von Militärge-
richten verhängte Todesurteile exekutieren?

d) Was hat die Bundesregierung unternommen, um auszuschließen, dass im
Rahmen von EUTM SOM ausgebildete Soldaten sich an der Verhängung
oder Exekution der Todesstrafe beteiligen?

41. Plant die Bundesregierung angesichts der Eröffnung eines Länderbüros von
EUCAP Nestor (Regional Maritime Capacity Building für das Horn von
Afrika im westlichen Indischen Ozean) in der abtrünnigen somalischen Pro-
vinz Somaliland (somalilandsun.com/index.php/development-aid/5266-
somaliland-eucap-nestor-opens-country-office) die diplomatische Aner-
kennung der Unabhängigkeit Somalilands?
Wenn nein, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass angesichts der
Eröffnung eines Länderbüros nicht separatistische Bestrebungen zunehmen
und einer Anerkennung durch andere Länder der Weg bereitet wurde?

42. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sie mittelfristig Somaliland
als unabhängigen Staat anerkennen wird?

43. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine mögliche diploma-
tische Anerkennung der Unabhängigkeit Somalilands durch andere Staaten
(beispielsweise www.unpo.org/article/10712)?

44. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell die allgemeine Sicherheitslage in
der abtrünnigen Provinz Somaliland ein?

Berlin, den 26. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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