BT-Drucksache 18/9563

Bewaffnete Konflikte und Maßnahmen der Europäischen Union in Libyen

Vom 2. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9563
18. Wahlperiode 02.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Bewaffnete Konflikte und Maßnahmen der Europäischen Union in Libyen

In einem Memorandum of Understanding haben die Europäische Union und die
von ihr anerkannte libysche Einheitsregierung Ausbildungsmaßnahmen für die
Küstenwache und die Marine vereinbart (Pressemitteilung Europäischer Auswär-
tiger Dienst vom 23. August 2016). Grundlage ist die Ausweitung von Mandat
und Zeitraum der EU-Militärmission EUNAVFOR MED durch den Rat der Eu-
ropäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21. Juni 2016). Dem-
nach sollen Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau unter Einbezug von weiteren EU-
Agenturen und „anderen internationalen Akteuren“ erfolgen. Als Arbeitsfelder
werden Training auf See, an Land (in EU-Mitgliedstaaten oder in Libyen) sowie
an Bord libyscher Schiffe und Patrouillenboote der Küstenwache und der Marine
genannt. Weitere Details sind unklar, die Bundesregierung sprach zuletzt von
100 Angehörigen der Küstenwache, die in „bis zu 14-wöchigen Kursen“ auf ei-
nem Schiff von EUNAVFOR MED ausgebildet würden (Bundestagsdrucksache
18/9262). Sofern deutsche Soldaten eingesetzt würden, müsste der Deutsche Bun-
destag zustimmen. Auch die Grenzagentur FRONTEX plant eine Zusammenar-
beit. So habe der Verwaltungsrat dem Exekutivdirektor der Agentur das Mandat
erteilt, Verhandlungen zu einem Arbeitsabkommen mit Libyen zu führen. Zu den
Kooperationspartnern gehört die ebenfalls um ein Jahr verlängerte EU-Mission
EUBAM Libya (Pressemitteilung Rat der EU vom 4. August 2016). Sie fokussiert
auf die Bereiche Strafjustiz, Migration, Grenzschutz und Terrorismusbekämp-
fung. Vor einem Einsatz auf libyschem Hoheitsgebiet muss jedoch ein Antrag
einer rechtmäßigen libyschen Behörde vorliegen, eine etwaige Mission würde
dann unter „voller Eigenverantwortung“ Libyens durchgeführt. Der Präsidialrat
habe laut der Bundesregierung „mehrfach öffentlich und in bilateralen Gesprä-
chen angekündigt“, Expertenkommissionen einzurichten, die „mögliche Unter-
stützungsbitten“ formulieren und abstimmen sollen (Bundestagsdrucksache
18/9262). Bisher liege aber kein Antrag der „libyschen Seite“ vor.
Mit EUNAVFOR MED und EUBAM Libya sollen die libyschen Behörden in die
Lage versetzt werden, Aktionen zur Strafverfolgung („law enforcement actions“)
gegen kriminelle Organisationen durchzuführen. Genannt werden der Menschen-
schmuggel und Menschenhandel („smuggling and trafficking in human beings“).
Am Tag der Vertragsunterzeichnung meldete sich Ayyub Gassem, der Sprecher
der libyschen Marine, mit einer umfangreichen Kritik an EUNAVFOR MED
(Libya Herald vom 24. August 2016). Ayyub Gassem beschreibt die Operation
als „italienische Propaganda“, deren Ziel im Verschleiern illegaler Fischerei und
dem Schmuggel von Öl diene. Die Marine benötige daher kein Training, sondern

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Boote und andere Ausrüstung. So verzögere die Regierung in Rom die Heraus-
gabe von vier Patrouillenbooten, die im August 2014 für Wartungsarbeiten nach
Italien verbracht wurden.
Ohnehin ist unklar, welche Außengrenzen die libysche Einheitsregierung über-
haupt kontrolliert und über welche Schiffe sie hierzu verfügt. Nach Erkenntnissen
der Bundesregierung werden weite Teile die See-, Luft- und Landgrenzen von der
„teilweise parallel agierenden Regierung in Tobruk“ durch ein Milizenbündnis
der ihr zuzurechnenden, sogenannten Libyschen Nationalarmee kontrolliert
(Bundestagsdrucksache 18/9262). Die libysche Einheitsregierung in Tripolis hat
lediglich die Befehlsgewalt über „Teile“ der Seegrenzen im Raum Tripolis. Der
Einfluss des Präsidialrates sei „nach wie vor“ auf das Stadtgebiet der Hauptstadt
einschließlich des Hafens beschränkt, in der Marine stütze er sich „nur auf die in
Tripolis stationierten Einheiten“. Die Bundesregierung spricht deshalb lediglich
von einer „sogenannten Libyschen Küstenwache“ (Antwort auf die Schriftliche
Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 18/8659). Auch die Flughäfen Mitiga und
Misrata unterstünden Milizkräften, die sich zwar zur Einheitsregierung bekennen,
was laut der Bundesregierung „aber nicht mit einer Kontrolle durch die Einheits-
regierung gleichzusetzen ist“. Derzeit seien über 1 000 Milizen unterschiedlicher
Stärken in Libyen aktiv.
Zudem ist die Lage in den Hoheitsgewässern weiter unübersichtlich. Der in
Tobruk kommandierende Armeechef Khalifa Haftar drohte erneut mit der „Bom-
bardierung“ von Tankern, wenn diese Öl von den im Osten gelegenen Häfen ver-
laden würden (Menas Associates vom 24. August 2016). Ihm unterstehende „Gar-
den zum Schutz der Ölanlagen“ (Petroleum Facilities Guards – PFG) würden die
Häfen Ras Lanuf, Es Sidra and Zueitina diesbezüglich „absichern“. Laut dem
Medienbericht handele es sich bei der Drohung um eine Reaktion auf eine Ver-
einbarung der libyschen Einheitsregierung mit Einheiten der Ölgarde zur Wieder-
aufnahme von Exporten aus den seit zwei Jahren geschlossenen Häfen. Am
20. August 2016 verließ ein griechisch beflaggter Tanker den Hafen Zueitina, ein
italienisches Schiff plane laut dem Bericht eine Verladung im Hafen von Brega.
Bestimmungsort des Öls seien westliche Häfen unter Kontrolle der Einheitsregie-
rung. Auch dort sind Ölgarden für die Sicherung von Raffinerien zuständig, nach
Aussage der Bundesregierung bestehen zwischen den zentralen und östlichen Mi-
lizen der PFG „Streitigkeiten über regionale und inhaltliche Zuständigkeiten“.
Die Auseinandersetzung der konkurrierenden Regierungen und Ölgarden um die
Ölexporte und die einseitige Unterstützung der Einheitsregierung durch die EU-
Mitgliedstaaten könnte aus Sicht der Fragesteller für die angespannte Lage vor
den libyschen Küsten verantwortlich sein. Im April 2016 wurde ein Schiff der
privaten Rettungsorganisation Sea-Watch außerhalb der libyschen Hoheitsgewäs-
ser von bewaffneten Männern gestürmt, deren Schnellboot libysche Hoheitsab-
zeichen trug (Telepolis vom 9. Juni 2016). Dabei fielen auch Schüsse. Angeblich
habe die „sogenannte Libyschen Küstenwache“ das Schiff „für ein Fahrzeug, wel-
ches illegalen Fischereiaktivitäten nachgehen würde“, gehalten (Antwort auf die
Schriftliche Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/8659). Laut Ärzte ohne Gren-
zen wurde am 17. August 2016 das Rettungsschiff „Bourbon Argos“ der Organi-
sation von einem zunächst nicht identifizierten Schnellboot beschossen und ge-
entert (Pressemitteilung vom 26. August 2016). Ärzte ohne Grenzen war zu dem
Zeitpunkt für einen Such- und Rettungseinsatz in internationalen Gewässern,
24 Seemeilen vor der libyschen Küste unterwegs. Die libysche Einheitsregierung
bestätigte schließlich, dass die Schüsse von einem Schiff ihrer Küstenwache ab-
gegeben worden waren (Guardian vom 28. August 2016).

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Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage und die Situation der
Geflüchteten in Libyen?
a) Welche Regionen werden weiterhin vom sogenannten Islamischen Staat

kontrolliert?
b) Von welchen Teilen des Landes und von welchen Milizen wird die liby-

sche Einheitsregierung weiterhin nicht anerkannt?
2. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung zur Stabilisierung der

libyschen Einheitsregierung?
3. Wie bewertet die Bundesregierung ihre Überlassung sondergeschützter Fahr-

zeuge an die libysche Einheitsregierung, und inwiefern kann sich diese
dadurch mittlerweile freier im Land bewegen?

4. Inwiefern ist die von der libyschen Einheitsregierung am 9. Mai 2016 be-
schlossene Einrichtung einer Präsidialgarde und die Aufstellung von Ver-
bänden mittlerweile umgesetzt worden, bzw., sofern dies weiterhin aussteht,
welche Planungen sind der Bundesregierung hierzu bekannt (Bundestags-
drucksache 18/9262)?

5. Welche Außengrenzen werden nach Kenntnis der Bundesregierung von der
libyschen Einheitsregierung derzeit kontrolliert, bzw. welche Änderungen
haben sich seit Beantwortung der Bundestagsdrucksache 18/9262 ergeben?
a) Über welche konkreten seegehenden Einheiten verfügt die laut Sprachge-

brauch der Bundesregierung „sogenannte Libysche Küstenwache“, und
welche neuen Beschaffungen sind geplant?

b) Welche dieser seegehenden Einheiten sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung für den bewaffneten Angriff auf ein Rettungsschiff der Orga-
nisation „Ärzte ohne Grenzen“ verantwortlich (Guardian vom 28. August
2016)?

6. Welcher Ausbildungsbedarf, welche Rahmenbedingungen, welche Anzahl
und Auswahl der Auszubildenden werden nach der Autorisierung der
EUNAVFOR MED-Maßnahmen durch das Politische und Sicherheitspoliti-
sche Komitee mit der libyschen Einheitsregierung verhandelt (Pressemittei-
lung des Rates der Europäischen Union vom 30. August 2016, Bundestags-
drucksache 18/9198)?
a) Welche hierfür benötigten „zusätzlichen Kräfte“ sollen der Operation zur

Verfügung gestellt werden, „um auch weiterhin parallel den Kernauftrag
der Schleuserbekämpfung durchführen zu können“?

b) Welche weiteren Ausbildungsinhalte außer „im Bereich der Navigation“
und SAR-Kapazitäten sollen das Fähigkeitsspektrum libyscher maritimer
Einheiten „in vielfacher Weise erweitern“?

c) Auf welche Weise sollen die Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung auch dazu dienen, dass die libysche Küstenwache zukünftig auch
mit Sicherheitsaufgaben außerhalb der libyschen Gewässern betraut wird
(Bundestagsdrucksache 18/9262)?

d) Wann sollen die Voraussetzungen für den Beginn der Ausbildung vorlie-
gen und schließlich in den europäischen Gremien entschieden werden?

e) Durch welche Maßnahmen und durch wen wird geprüft, ob sich unter den
auszubildenden Angehörigen der Küstenwache „Extremisten“ befinden?

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7. Wo, wann und durch wen sollen diese Maßnahmen nach gegenwärtigem
Stand durchgeführt werden, bzw., sofern noch nicht endgültig vereinbart,
welche Vorschläge von an EUNAVFOR MED beteiligten Regierungen sind
der Bundesregierung hierzu bekannt?

8. Welche Überlegungen, Vorschläge oder Planungen existieren für Trainings
an Land (in EU-Mitgliedstaaten oder in Libyen) sowie an Bord von Schiffen
und Patrouillenbooten der libyschen Küstenwache und der Marine?
a) Mit welchen Kräften bzw. Sachmitteln will sich die Bundesregierung an

entsprechenden Maßnahmen beteiligen?
b) Für welche Maßnahmen bräuchte es aus Sicht der Bundesregierung einen

Beschluss des Deutschen Bundestages, und wann soll dieser entsprechend
befasst werden?

9. Unter Einbezug von welchen weiteren EU-Agenturen und „anderen interna-
tionalen Akteuren“ sollen die Maßnahmen nach gegenwärtigem Stand erfol-
gen, bzw., sofern noch nicht endgültig vereinbart, welche Vorschläge von an
EUNAVFOR MED beteiligten Regierungen oder EU-Agenturen sind der
Bundesregierung hierzu bekannt?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann die EU-Grenzagen-

tur FRONTEX Verhandlungen zu einem Arbeitsabkommen mit Libyen,
Tunesien, und Ägypten beginnen will, und welchen Inhalt haben diese?

b) Was ist der Bundesregierung über weitere Diskussionen oder Planungen
für schwimmende „Hotspots“ für Geflüchtete auf dem Mittelmeer
bekannt (www.statewatch.org/news/2016/may/eu-migration-docs.html),
und wie positioniert sich die Bundesregierung hierzu?

10. Welchen konkreten Inhalt haben die Sicherheitsabkommen, die von den
Regierungen Ägyptens und Deutschlands im Juli 2016 unterzeichneten
(Pressemitteilung der Regierung Ägyptens vom 14. Juli 2016), obwohl Men-
schenrechtsgruppen zufolge die Repression gegen die Zivilbevölkerung
drastisch zunahm nachdem der Innenminister Magdy Abdel Ghaffar im März
2015 seinen Dienst antrat (Pressemitteilung Amnesty International vom
13. Juli 2016)?
a) Welche Maßnahmen bestehen in den Bereichen Informationsaustausch

von Polizei und Geheimdiensten, Internetkriminalität und Internetüber-
wachung, Terrorismus, Geldwäsche, Ausforschung von Finanzströmen,
Fortführung der Ausbildung ägyptischer Polizei in Deutschland, Doku-
mentensicherheit, Biometrie und Grenzüberwachung?

b) Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung auch die Mili-
tärmission EUNAVFOR MED in die Zusammenarbeit mit Ägypten zur
Grenzüberwachung eingebunden werden?

11. Auf welche Weise soll die auf dem NATO-Gipfel in Warschau beschlossene
Umwandlung der Operation „Active Endeavour“ sowie der Operation gegen
Fluchthelfer in der Ägäis in eine einzige Operation „Sea Guardian“ die Be-
kämpfung von „Menschenschmuggel“ und „Menschenhandel“ umsetzen
(EU Observer vom 10. Juli 2016)?
a) Welche Planungen existieren zur direkten Zusammenarbeit mit den Ope-

rationen EUBAM Libya und EUNAVFOR MED?
b) Inwiefern sollen zur Aufklärung nordafrikanischer Küsten nach Kenntnis

der Bundesregierung ab dem Jahr 2017 die neuen „Global Hawk“-Droh-
nen der NATO eingesetzt werden, die seit diesem Jahr in Sizilien statio-
niert sind?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9563

12. Was ist der Bundesregierung aus eigenen Erkenntnissen oder ihrer Mitarbeit

in EUNAVFOR MED und EUBAM Libya über einen von den beiden kon-
kurrierenden Regierungen Libyens geplanten technischen und organisatori-
schen Ausbau von Grenzüberwachungs- oder -kontrollsystemen an den See-
und Landgrenzen bekannt?

13. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über Mandatsumfang und Pla-
nungsstand einer im Rahmen „P3+5“ (USA, Frankreich, Großbritannien, Ita-
lien, Spanien, Deutschland, Vereinte Nationen, Europäische Union) geplan-
ten, multinationalen, militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission
LIAM bekannt (Bundestagsdrucksache 18/8593)?
a) Sofern die Planungen in enger Abstimmung mit den Bemühungen der

„United Nations Support Mission in Libya“ (UNSMIL) seit September
2015 in Rom immer noch nicht abgeschlossen sind, wann rechnet die
Bundesregierung mit einer „stringenten Formulierung eigener Vorstellun-
gen zu Gestaltung und Aufbau der libyschen Sicherheitsstrukturen durch
die libysche Einheitsregierung“?

b) Was ist der Bundesregierung über Angebote oder Pläne der britischen,
französischen, italienischen und US-amerikanischen Regierung zur Ent-
sendung von Truppen oder Gendarmerie-Einheiten im Rahmen der LIAM
bekannt, und inwiefern würden diese mit den Anstrengungen der Europä-
ischen Union verzahnt?

14. Wann sollen die im Rahmen einer „Ertüchtigungsinitiative“ mit dem tunesi-
schen Verteidigungsministerium vereinbarten mobilen und ortsfesten Anla-
gen für die elektronische Grenzüberwachung an der tunesisch-libyschen
Grenze ausgeliefert werden (Bundestagsdrucksache 18/9262)?
a) Wo und von wem werden die ortsfesten Anlagen installiert?
b) Wann und wo soll die im Rahmen der bilateralen Kooperation des Bun-

desministeriums der Verteidigung mit Tunesien vereinbarte Maßnahme
zur „Evaluierung“ stattfinden?

c) Inwiefern wurden die Projektierung und weitere Ausplanung von Unter-
stützungsmaßnahmen für Tunesien für das Jahr 2017 inzwischen begon-
nen bzw. mit welchem Ergebnis wurden diese abgeschlossen?

15. Was ist der Bundesregierung über Planungen oder bereits feststehenden
Maßnahmen im Rahmen der abermals verlängerten EU-Mission EUBAM
Libya in den Bereichen Strafjustiz, Migration, Grenzschutz und Terrorismus-
bekämpfung bekannt?

16. Inwiefern hat eine rechtmäßige libysche Behörde inzwischen eine vorläufige
Ankündigung verlautbart oder einen Antrag vorgelegt, die Missionen oder
EUBAM Libya oder EUNAVFOR MED auf libyschem Hoheitsgebiet tätig
werden zu lassen?
a) Inwiefern sind die „mehrfach öffentlich und in bilateralen Gesprächen“

angekündigten Expertenkommissionen, die „mögliche Unterstützungsbit-
ten“ formulieren und abstimmen sollen, inzwischen eingerichtet (Bundes-
tagsdrucksache 18/9262)?

b) Sofern ein solcher Antrag nicht vorliegt und auch die Expertenkommissi-
onen nicht eingerichtet wurden, welche Gründe sind der Bundesregierung
hierzu bekannt?

Drucksache 18/9563 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

17. Was ist der Bundesregierung über den Umfang und die Akteure eines „Men-

schenhandels“ in Libyen bekannt, der im Rahmen des neuen Mandates von
EUNAVFOR MED bekämpft werden soll, und wodurch unterscheidet sich
dieser durch den ebenfalls in Libyen zu bekämpfenden „Menschenschmug-
gel“ („smuggling and trafficking in human beings“)?
a) Wie grenzt die Bundesregierung die Begriffe „Menschenschmuggel“,

„Menschenhandel“, „Zwangsarbeit“ und „Sklaverei“ gegeneinander ab?
b) Wann wird die Bundesregierung die vollständige Umsetzung der Richtli-

nie 2011/36/EU zur Bekämpfung von Menschenhandel vollziehen?
18. Was ist der Bundesregierung aus eigenen Erkenntnissen oder aus ihrer Be-

teiligung in EUNAVFOR MED über Kritik, Gegenmaßnahmen oder sogar
Sabotage libyscher Regierungsangehöriger gegenüber EUBAM Libya und
EUNAVFOR MED bekannt, und wie wird dem im Rahmen der Missionen
begegnet?
a) Was ist der Bundesregierung über Vorwürfe oder tatsächliche Zwischen-

fälle bekannt, wonach europäische Schiffe vor den Küsten Libyens der
illegalen Fischerei nachgehen?

b) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Regie-
rung in Rom die Herausgabe von vier Patrouillenbooten, die im August
2014 für Wartungsarbeiten nach Italien verbracht wurden, verweigert,
und welche Gründe sind ihr hierzu bekannt?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage in den einzelnen liby-
schen Häfen, die zur Verladung und Verschiffung von Öl oder Benzin geeig-
net sind, und welche Regierungen bzw. welche Milizen üben dort die Kon-
trolle aus?

20. Was ist der Bundesregierung mittlerweile darüber bekannt, auf welche Weise
sich die neue Einheitsregierung zur Frage äußerte, welche Aufgaben oder
Maßnahmen zur Sicherung westlicher Ölanlagen von dieser übernommen
werden sollen (Bundestagsdrucksache 18/9262)?

21. Was ist der Bundesregierung über Vorwürfe von Angehörigen der Einheits-
regierung oder der Regierung in Tobruk bekannt, wonach EUNAVFOR
MED eine nicht rechtmäßige Verladung und Verschiffung oder, wie es die
Regierung in Tobruk erklärt, sogar den Schmuggel von Öl befördert?
a) Was ist der Bundesregierung über eine Vereinbarung der libyschen Ein-

heitsregierung mit Einheiten der Ölgarde zur Wiederaufnahme von Ex-
porten aus zuvor geschlossenen Häfen bekannt?

b) Worin bestehen die laut der Bundesregierung unter den östlichen und
westlichen Ölgarden bestehenden „Streitigkeiten über regionale und in-
haltliche Zuständigkeiten“ konkret (bitte auf einzelne Häfen bzw. geogra-
fisch eingrenzen)?

c) Welche Schiffe unter der Flagge welcher europäischen Länder haben in
der jüngeren Zeit entsprechende Häfen unter Zuständigkeit der östlichen
Ölgarde angesteuert, und wohin wurde das verladene Öl oder Benzin ver-
schifft?

d) Woher stammte das Öl, und inwiefern waren deutsche Firmen in die För-
derung, Verladung oder den Verkauf des Öls involviert?

e) Inwiefern wurden die Öltransporte auch im Rahmen von EUNAVFOR
MED beobachtet oder sogar gesichert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9563

22. Bei welchen Gelegenheiten haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung

ihre Behörden oder Ministerien, der Europäische Auswärtige Dienst oder der
Sondergesandte der UN-Unterstützungsmission in Libyen Martin Kobler mit
dem heutigen Marinechef Ayyub Gassem getroffen, und was war das Ergeb-
nis dieser Gespräche?

23. Zu welchem Zeitpunkt erfuhr die Bundesregierung von dem bewaffneten
Angriff auf das Schiff der Rettungsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Guar-
dian vom 28. August 2016), und welche Maßnahmen zum Schutz auch deut-
scher Rettungsorganisationen im Mittelmeer hat sie daraufhin unternom-
men?
a) Wann und durch wen wurde die Mission EUNAVFOR MED von dem

Angriff unterrichtet, und welche Maßnahmen wurden daraufhin eingelei-
tet?

b) Welche Konsequenzen ziehen die Beteiligten an EUNAVFOR MED ins-
besondere aus dem bewaffneten Angriff, zu dem sich mittlerweile die
libysche Küstenwache bekannte, hinsichtlich der geplanten Ausbildung
und Zusammenarbeit mit der Marine und der ihr unterstehenden Küsten-
wache?

24. Welche weiteren Details sind der Bundesregierung im Jahr 2016 zu Angrif-
fen oder Aufgriffen von Schiffen privater Rettungsorganisationen und die
mutmaßlichen Urheber bekannt (Schriftliche Frage 13 auf Bundestagsdruck-
sache 18/8659)?

25. Welche dieser Angriffe oder Aufgriffe wurde nach Kenntnis im Rahmen von
EUNAVFOR MED beobachtet, und welche Maßnahmen wurden daraufhin
eingeleitet?

26. Wann und wo soll das nächste SHADE MED-Treffen im Herbst 2016 statt-
finden, und welche konkreten Inhalte sind der Bundesregierung zu den Ta-
gesordnungspunkten „Internationale Schifffahrt, rechtliche Aspekte, Such-
und Rettungsoperationen, Migration, Schleuserkriminalität und deren Be-
kämpfung sowie den Informationsaustausch im Mittelmeerraum“ bekannt
(Bundestagsdrucksache 18/9198)?

Berlin, den 2. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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