BT-Drucksache 18/9558

Rechtssicherheit und Transparenz bei Lebensmittelkontrollen endlich herstellen

Vom 6. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9558
18. Wahlperiode 06.09.2016
Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Harald Ebner, Renate Künast, Friedrich
Ostendorff, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Britta Haßelmann, Bärbel
Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian
Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Markus Tressel, Dr. Julia
Verlinden, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechtssicherheit und Transparenz bei Lebensmittelkontrollen endlich
herstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bereits 2010 einigten sich die Verbraucherministerinnen und -minister der Länder auf
die Einführung einer bundesweit einheitlichen Hygienekennzeichnung an den Türen
von Restaurants und Imbissen. Danach sollen die Ergebnisse der Lebensmittelkontrol-
len beispielsweise in Form eines Smileys oder Hygienebarometers für Verbraucherin-
nen und Verbraucher sichtbar gemacht werden. Weitere Beschlüsse und konkrete Vor-
schläge der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) für eine solche Kennzeich-
nung folgten.
Seitdem haben es die unterschiedlichen CSU-Landwirtschaftsministerinnen und -mi-
nister aber nicht geschafft, die dafür notwendige rechtliche Grundlage zu schaffen.
Stattdessen blockiert die Bundesregierung die Umsetzung der Beschlüsse der VSMK
und verweigert Verbraucherinnen und Verbrauchern Transparenz bezüglich der Hygi-
enebedingungen.
Zudem ignoriert sie, dass diese Kennzeichnung sich als äußerst praxistauglich erwie-
sen hat. Der Smiley in Dänemark, das Smiley-Projekt in Berlin-Pankow und die Pilot-
projekte in Duisburg und Bielefeld finden in der Öffentlichkeit, aber auch immer stär-
ker bei den Gastronomen großen Anklang. Die Beanstandungen in Dänemark und den
deutschen Städten, in denen Pilotprojekte stattfinden, sind messbar zurückgegangen
und die Bewertungen der Betriebe haben sich stetig verbessert.
Verbesserungen sind auch dringend notwendig, wie der jährliche Bericht zur Lebens-
mittelsicherheit des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
zeigt. Seit Jahren wird konstant jeder vierte Betrieb von der behördlichen Lebensmit-
telüberwachung beanstandet. Daher ist eine Hygienekennzeichnung auch eine Chance
für einen positiven Wettbewerb um Qualität, Sicherheit und Sauberkeit.
Eine Hygienekennzeichnung am Betrieb sollte für die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher anhand von Farben und Einordnung in ein Punktesystem leicht verständlich und

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nachvollziehbar sein. Zudem sollten die Ergebnisse auch der letzten Kontrollen sicht-
bar und im Internet abrufbar sein.
Neben der fehlenden Hygienekennzeichnung direkt am Betrieb können die Länder
noch nicht einmal, wie im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) vorgese-
hen, auf ihren Internetseiten über festgestellte Verstöße informieren. Aufgrund ver-
schiedener Gerichtsurteile und unklarer Rechtsgrundlage im bestehenden § 40 Absatz
1a LFGB findet ein Vollzug des LFGB in diesem Bereich faktisch nicht statt. Die
Folge: Solange Hygienemängel oder Grenzwertverstöße nicht zu einer direkten Ge-
sundheitsgefährdung führen, erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher nichts von
ihnen, selbst wenn Gaststätten immer wieder durch Verstöße auffallen.
Dieses Problem wird im Koalitionsvertrag zwar aufgegriffen, aber bislang wurde ein
Gesetzentwurf zur Änderung des LFGB nicht im Kabinett beraten und damit nicht ins
parlamentarische Verfahren eingebracht. Als Folge dessen geht NRW als einzelnes
Land jetzt voran und führt ein eigenes System für eine Hygienekennzeichnung ein.
Der im Ernährungsbericht 2016 erwähnte und auf der Internetseite des BMEL veröf-
fentlichte Gesetzentwurf des Bundesministeriums würde keine Rechtssicherheit schaf-
fen. Er berücksichtigt lediglich einen Teil der von den Ländern per Bundesratsbe-
schluss (BR-Drs. 789/12 (B), BR-Drs. 151/13 (B)) erbetenen Änderungen.
Nicht geändert wird die wesentliche Regelung zu den notwendigen Doppeluntersu-
chungen. Weiterhin werden mindestens zwei unabhängige Untersuchungen vorausge-
setzt, statt dass, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, die bestehende Validierungspraxis
bei Beanstandungen durch ein akkreditiertes amtliches Labor ausreicht. Damit bleibt
diese Regelung impraktikabel und führt vor allem zu zeitlicher Verzögerung der Ver-
öffentlichung, da in den meisten Bundesländern spezialisierte Untersuchungen (z. B.
Rückstände, Kontaminanten) zentralisiert nur an einer Stelle stattfinden.
Auch die Verknüpfung der Veröffentlichung an eine erwartete Bußgeldhöhe von min-
destens 350 Euro wurde beibehalten, obwohl sie willkürlich und keinesfalls eindeutig
ist, da ein einheitlicher Bußgeldkatalog nicht existiert.
Angesichts der weit verzweigten und intransparenten Warenströme des globalisierten
Lebens- und Futtermittelmarktes ist zudem eine Weiterentwicklung der Kontrollsys-
teme hin zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit notwendig, um zukünftige Le-
bensmittelskandale zu verringern bzw. zu verhindern. Daher hat die VSMK 2010 zur
Verbesserung des Datenaustauschs zwischen den Ländern ein elektronisches Früher-
kennungs- und Informationssystems im gesundheitsbezogenen Verbraucherschutz
(eFI) für die Lebensmittelüberwachung beschlossen. Im Pilotprojekt zur Einrichtung
einer solchen gemeinsamen Datenbank wurde festgestellt, dass die derzeitige Rechts-
lage nicht ausreicht, um alle Daten zu übermitteln. In einem Beschluss (Beschluss der
LAV in ihrer 23. Sitzung zu TOP 12) stellt die LAV dies fest und bittet das BMEL,
diese bei der Überarbeitung des LFGB zu schaffen. Dieser Notwendigkeit ist das Bun-
desministerium bisher nicht nachgekommen.
Zusätzlich zum besseren Datenaustausch zwischen den Ländern muss die Herstellung
von Vergleichbarkeit bei den amtlichen Kontrollen über die Definition von Mindest-
standards und Vereinheitlichung der Qualitätssicherung gewährleistet werden. Für
eine effiziente staatliche Aufsicht und Kontrolle braucht es zudem eine Konkretisie-
rung der Eigenkontroll-, Dokumentations-, Offenlegungs- und Informationspflichten
der Unternehmen.
Neben den erforderlichen Änderungen im LFGB ist für bessere Transparenz eine
grundlegende Erweiterung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) notwendig. In
der verbraucherpolitischen Diskussion der vergangenen Jahre wurde wiederholt und
zu Recht die Forderung erhoben, neben den Stellen der öffentlichen Verwaltung auch
die Unternehmen unmittelbar in den Auskunftsanspruch nach dem VIG einzubeziehen,

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da viele Informationen, insbesondere über Herstellungsmethoden, Herkunft von Roh-
stoffen, ökologische Aspekte oder ethische Fragen des fairen Handels, Kinderarbeit
oder Tiergerechtigkeit nur dort verfügbar sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Möglichkeit zur aktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit durch Behörden im
LFGB und VIG unmissverständlich und verbraucherfreundlich zu regeln,

2. die Informationspflicht der Behörden in § 40 1a LFGB rechtssicher auszugestal-
ten, unter der Berücksichtigung der ergangenen Gerichtsurteile, den Berichten
aus den Ländern und der Bundesratsbeschlüsse (BR-Drs. 789/12 (B), BR-Drs.
151/13 (B)),

3. eine sichere Rechtsgrundlage für eine bundeseinheitliche Hygienekennzeichnung
für Gaststätten und lebensmittelverarbeitende Betriebe in Form eines Hygieneba-
rometers oder Smileys zu schaffen und die Einsicht der Kontrollergebnisse im
Internet zu ermöglichen,

4. die gesetzliche Ermächtigung und die Rechtsverordnung für die Ausgestaltung
einer solchen einheitlichen Hygienekennzeichnung zu regeln,

5. eine Überarbeitung des Verbraucherinformationsgesetzes vorzulegen, die einen
gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher ge-
genüber Unternehmen schafft und Transparenz insbesondere hinsichtlich Kenn-
zeichnung, Rückverfolgbarkeit und besonders ausgelobter Eigenschaften der Le-
bensmittel schafft,

6. eine Konkretisierung der Eigenkontroll-, Dokumentations-, Offenlegungs- und
Informationspflichten der Unternehmen zu erarbeiten,

7. die Herstellung von Vergleichbarkeit bei den amtlichen Kontrollen der Lebens-
mittelüberwachung (u. a. Definition von Mindeststandards und Vereinheitlichung
der Qualitätssicherung) gemeinsam mit den Bundesländern zu erarbeiten und

8. die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Ländern, unter Be-
rücksichtigung der Erfahrungen mit dem laufenden Pilotprojekt, die Einrichtung
einer übergreifenden Kontrolldatenbank herzustellen, indem eine Rechtsgrund-
lage für den Datenaustausch im LFGB geschaffen wird.

Berlin, den 21. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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