BT-Drucksache 18/9508

Verwendung von bewaffneten Drohnen der MALE-Klasse ab Frühjahr 2019

Vom 30. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9508
18. Wahlperiode 30.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,
Heike Hänsel, Inge Höger, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu,
Harald Petzold (Havelland), Alexander Ulrich, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Verwendung von bewaffneten Drohnen der MALE-Klasse ab Frühjahr 2019

Anfang des Jahres 2017 will die Bundesregierung in Berlin mit Airbus und dem
israelischen Hersteller IAI einen Vertrag zur Beschaffung bewaffnungsfähiger
Drohnen unterzeichnen (vgl. hierzu und zu den weiteren Angaben der Vorbemer-
kung die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/9431). Zwei Jahre später sollen die ersten Exemplare des Typs
„Heron TP“ zur Verfügung stehen. Nach gegenwärtigem Zeitplan wäre eine Be-
waffnungsfähigkeit spätestens im Frühjahr 2019 gewährleistet. Die neuen Bun-
deswehrdrohnen sollen komplett aus Israel beschafft werden, einschließlich ihrer
Bewaffnung. Die konkrete Ausrüstung mit Munition (etwa Lenkbomben oder Ra-
keten) wird derzeit verhandelt. Aus Rücksicht auf die israelische Regierung hält
das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) jede Angabe zu den verfügba-
ren Waffensystemen geheim. Aber auch die Wünsche oder Forderungen des Bun-
desverteidigungsministeriums werden nicht benannt.
Auch die Stationierung, der Alltagsbetrieb und die Ausbildung der Piloten sollen
in Israel erfolgen. Das erschwert die parlamentarische Kontrolle aus Sicht der
Fragesteller erheblich. Aus Israel würden die „Heron TP“ in Einsatzgebiete der
Bundeswehr verlegt, dort von Airbus technisch betreut und – wie in Afghanis-
tan – vermutlich auch gestartet und gelandet. Von der Entscheidung für ein isra-
elisches und gegen ein US-amerikanisches System profitiert vor allem Airbus.
Bis zum Jahr 2025 wollen die Regierungen aus Deutschland, Frankreich, Italien
und Spanien eine eigene Drohne entwickeln, der Konzern übernimmt die Füh-
rungsrolle. Als Dienstleister betreibt Airbus bereits fünf Drohnen für die Bundes-
wehr in Afghanistan, für den Einsatz in Mali kommen drei weitere hinzu.
Mit der Politik ferngesteuerter Hinrichtungen hat die US-Regierung die Kriegs-
führung aus Sicht der Fragesteller völkerrechtlich und räumlich entgrenzt. Auch
deutsche Drohnen können derart eingesetzt werden. DIE LINKE. lehnt die israe-
lische Übergangslösung ebenso ab, wie die gleichzeitige Entwicklung einer Eu-
rodrohne. Militärische Aufrüstung sichert nicht nur Profite, sondern ist auch der
unverkennbare Eckpfeiler einer Außenpolitik, in der Krieg wieder zum Mittel der
Politik wird. Wer Krieg als Mittel der Politik weltweit glaubwürdig ächten will,
muss aus Sicht der Fragesteller bei der Ab- und nicht bei der Auf- und Umrüstung
neue Wege aufzeigen.

Drucksache 18/9508 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche über die Beantwortung der Kleinen Anfrage „Zeitplan zur Beschaf-
fung von fünf bewaffnungsfähigen Drohnen der MALE-Klasse“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/9431) hinausgehenden Angaben kann die Bundesregie-
rung zum geplanten Dienstleistungsvertrag mit Airbus und den Regierungs-
vereinbarungen (MoU) mit der Regierung Israels machen?

2. Wie viele Regierungsvereinbarungen für welche einzelnen Inhalte sollen
nach gegenwärtigem Stand geschlossen werden?

3. Aus welchem Grund sollen die Stationierung, der Grundbetrieb und das Trai-
ning in Israel erfolgen?

4. In welcher Stückzahl sollen die Drohnen nach gegenwärtigem Stand be-
schafft werden?

5. Welche der Drohnen sollen mit „elektro-optischen Sensoren im visuellen
und infraroten Spektralbereich sowie Radarsensoren“ ausgerüstet werden?

6. Welche der ausgelieferten Exemplare werden mit Aufhängepunkten zur Be-
waffnung versehen?

7. Wie viele Flugstunden der Drohnen fordert die Bundesregierung von Airbus
als Auftragnehmer?

8. Worin besteht die von Airbus und IAI geforderte Realisierung des „Grund-
betriebs“ der Drohnen in Israel?
a) Inwiefern beinhaltet dies auch Übungsflüge der Drohnenpiloten zum Er-

halt ihrer Fluglizenz?
b) Sofern diese Übungsflüge zum Erhalt der Fluglizenz nicht in Israel statt-

finden, wo sollen diese nach gegenwärtigem Stand erfolgen?
9. An welchen Standorten würden die „Heron TP“ nach gegenwärtigem Stand

in Israel stationiert, bzw. welche Vorschläge hat die israelische Regierung
hierzu bislang gemacht?

10. An welchen israelischen Standorten und in welchen Gebieten des Landes
würde die Ausbildung der deutschen Besatzungen erfolgen?

11. Worin besteht die „technisch-logistische Betreuung“ durch Airbus „in einem
eventuellen Einsatz“ konkret?
a) Inwiefern sollen die Technikerinnen und Techniker des Rüstungskon-

zerns auch für Starts und Landungen der Drohnen „Heron TP“ verant-
wortlich sein?

b) Inwiefern sollen auch die Drohnen des Typs „Heron 1“ für den Einsatz
der Bundeswehr in Mali von Airbus gestartet und gelandet und in erst in
einer bestimmten Flughöhe an die Luftwaffe übergeben werden?

12. In welchem Monat des Herbstes 2016 rechnet die Bundesregierung mit der
Vorlage eines verbindlichen Angebots durch Airbus?
a) Welche vorläufigen Kostenschätzungen sind der Bundesregierung bereits

aus den Verhandlungen des Bundesamtes für Ausrüstung, Informations-
technik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und des BMVg mit
dem Rüstungskonzern bekannt?

b) Was ist der Bundesregierung als Verfahrensbeteiligte darüber bekannt,
aus welchen Gründen die Firma General Atomics die „Entscheidung über
die Vergabeart“ vor der Vergabekammer des Bundes beanstandet und
überprüfen lässt?

c) Wann soll das Verfahren nach Kenntnis der Bundesregierung beendet
sein, und für welche Termine sind Verhandlungstage angesetzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9508

13. Bezüglich welcher erbrachten und/oder nicht abgerufenen Leistungsanteile,

welcher Investitionen oder welcher entgangenen Gewinnerwartung sollen –
nach dem derzeitigen Planungsstand – Vereinbarungen getroffen werden,
aufgrund derer Auftragnehmer oder Unterauftragnehmer im Falle einer au-
ßerordentlichen Kündigung der Auftraggeber (Ausgleichs-)Zahlungen als
Restabgeltung (vgl. Bundestagsdrucksache 18/9431, Antwort zu Frage 1c)
beanspruchen können sollen?
In welcher Höhe und welchem prozentualen Anteil des Vertragspreises sol-
len derartige Forderungen geltend gemacht werden können, und um welche
Größenordnung der Beträge geht es dabei jeweils für die einzelnen Phasen
der Vertragsabwicklung?

14. Welche finanziellen Ansprüche könnten die vorgesehenen Auftragnehmer
oder Unterauftragnehmer für den Fall, dass es doch nicht zum Vertrags-
schluss kommt, für vorausgegangene Arbeiten geltend machen (etwa für vor-
vertragliche Abstimmungen, Kostenvoranschläge, abgestimmte Planungen,
Auftragsdefinition, Aufwendungen im Kontext des Vergabeverfahrens, An-
gebotserstellung etc.)?

15. Welche über die Beantwortung der Kleinen Anfrage „Zeitplan zur Beschaf-
fung von fünf bewaffnungsfähigen Drohnen der MALE-Klasse“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/9431) hinausgehenden Angaben kann die Bundesregie-
rung zu den „elektro-optischen Sensoren im visuellen und infraroten Spekt-
ralbereich sowie Radarsensoren“ machen, mit denen die „Heron TP“ ausge-
rüstet werden soll?
a) Mit welchen Forderungen zur Leistungsfähigkeit und technischen Spezi-

fikationen verhandelt die Bundesregierung hierzu mit der israelischen Re-
gierung und dem Auftragnehmer Airbus?

b) Welche Hersteller der bereits in das System „Heron TP“ integrierten Sen-
soren sind der Bundesregierung bekannt?

c) Inwiefern greifen die Sensoren zur „kontinuierlichen Überwachung von
Bodenaktivitäten im vorgesehenen Zielgebiet“ auch auf Muster in Daten-
banken zurück, um eigenes und gegnerisches militärisches Gerät automa-
tisiert zu erkennen, und wo werden diese Datenbanken geführt?

16. Welche über die Beantwortung der Kleinen Anfrage „Zeitplan zur Beschaf-
fung von fünf bewaffnungsfähigen Drohnen der MALE-Klasse“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/9431) hinausgehenden Angaben kann die Bundesregie-
rung zu dem „Peripheriegerät“ machen, das „aus der zur Steuerung des Luft-
fahrzeuges und der Datenübermittlung bzw. -auswertung benötigten Boden-
station und den dazugehörigen Datenübertragungsgeräten, Bodendienst- und
Prüfgeräten sowie Werkzeugsätzen“ besteht?
a) Welche Hersteller dieser Bodenstationen und dazugehörigen Datenüber-

tragungsgeräten sind der Bundesregierung bekannt?
b) Welche „Datenverteilanlage“ ist in der Antwort der Bundesregierung auf

Bundestagsdrucksache 18/9431 gemeint, die „bereits für Heron 1 be-
schafft wurde“, wo ist diese installiert, und auf welche Weise wird diese
derzeit genutzt?

c) Welche SATCOM-Fähigkeiten sollen die israelische Regierung bzw. der
Auftragnehmer Airbus zur Verfügung stellen bzw. mit welchen Forderun-
gen geht die Bundesregierung hierzu in Verhandlungen mit der israeli-
schen Regierung?

Drucksache 18/9508 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
d) Inwiefern sollen für den „Grundbetrieb“ der „Heron TP“ oder im Einsatz
für die Bundeswehr auch ortsfeste Relaisstationen in Israel genutzt wer-
den bzw. mit welchen Forderungen geht die Bundesregierung hierzu in
Verhandlungen mit der israelischen Regierung?

e) Über welche Möglichkeiten zur Steuerung und Auswertung der Aufklä-
rungsdaten verfügen die israelischen Relaisstationen nach Kenntnis der
Bundesregierung?

f) Welche weiteren Regierungen außer Japan, Frankreich, USA und Kanada
haben nach Kenntnis der Bundesregierung „Interesse“ an dem Europäi-
schen Datenrelaissystem (EDRS) des Rüstungskonzerns Airbus gezeigt
(Bundestagsdrucksache 18/9191), und inwiefern planen diese Interessen-
ten wie die kanadische Regierung ihre radarbasierten Erdbeobachtungs-
systeme an das EDRS-System „anzukoppeln“?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Abhörsicherheit des Systems „Heron
TP“ und aus welchen Gründen bevorzugt die Bundesregierung die „Kryptie-
rung“ des Systems durch „nationale Anbieter“?

18. Welche Forderungen zur „Bereitstellung der Kryptierung“ soll der Auftrag-
nehmer Airbus erfüllen?

19. Wer hat die Forderungen, Anforderungen und Fähigkeiten der gewünschten
Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen definiert?

20. Aus welchem Grund wird die Bewaffnung im Rahmen eines MoU mit der
israelischen Regierung verhandelt und vereinbart und nicht mit dem Haupt-
auftragnehmer Airbus?

21. Mit welchen Forderungen und Anforderungen verhandelt die Bundesregie-
rung die Bewaffnungsfähigkeit der „Heron TP“ mit dem israelischen Vertei-
digungsministerium und der israelischen Luftwaffe?

22. Über welche Fähigkeiten sollen in die „Heron TP“ eingerüstete „angetrie-
bene und nicht angetriebene Luft-Boden-Effektoren“, „Präzisionsbewaff-
nung“ oder Zielbeleuchtungsgeräte aus Sicht der Bundesregierung verfügen?

23. Über welche einzelnen Aufhängepunkte für welche Art von Luft-Boden-
Lenkflugkörpern und Präzisionsbewaffnung verfügen die „Heron TP“?

24. Sofern die Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag weiterhin
keine Angaben zu Munition und Aufhängepunkten der „Heron TP“ machen
will und auch ihre eigenen Forderungen und Anforderungen nicht beschrei-
ben will, wann soll die vorvertragliche Klärungsphase mit der Regierung Is-
raels abgeschlossen sein?

25. Wann sollen die Freigabebeschränkungen („Geheim“) seitens der israeli-
schen Regierung hinsichtlich der Bewaffnungsfähigkeit der „Heron TP“ auf-
gehoben werden?

26. Welche der mit der israelischen Regierung und dem Hauptauftragnehmer
Airbus verhandelte Technologie der „Heron TP“ (etwa Bewaffnung, Senso-
rik, Kryptierung, Datenübertragung) soll nach Kenntnis der Bundesregierung
als „Blackbox“ ausgeliefert werden, also ohne dass die Bundeswehr Kennt-
nis über die konkrete Funktionsweise oder die verwendeten Komponenten
erhält?

27. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob Airbus als Hauptauftrag-
nehmer bereits einen Antrag auf Zulassung als Musterprüfleitstelle gestellt
bzw. die Genehmigung als luftfahrttechnischer Betrieb beantragt hat?

28. Inwiefern hat das BMVg mittlerweile Prognosen der Zulassbarkeit der
„Heron TP“ eingeholt, die sich auch auf den deutschen Luftraum im Beson-
deren beziehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9508

29. Wann soll das „Food for Thought Paper“ der Remotely Piloted Aircraft Sys-

tems Airworthiness Regulatory Framework Working Group (RPAS ARF
WG) der Europäischen Verteidigungsagentur zum „Anpassungsbedarf“ un-
ter Berücksichtigung der von den beteiligten Regierungen gemachten Erfah-
rungen abgestimmt und veröffentlicht werden?

30. Welche Aussagen trifft das Papier zur Anpassung der EMAR (European Mi-
litary Airworthiness Requirement) an die Bedürfnisse Drohnen und zur Er-
stellung eines Drohnen-spezifischen Regelwerks, und welche dieser Aussa-
gen hält die Bundesregierung im Abstimmungsprozeß für unverzichtbar?

Berlin, den 30. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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