BT-Drucksache 18/9502

Verweigerung von Ausfuhrgenehmigungen für angereichertes Uran

Vom 30. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9502
18. Wahlperiode 30.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Ralph Lenkert, Birgit Menz, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Verweigerung von Ausfuhrgenehmigungen für angereichertes Uran

Nach unseren Informationen liefern die Uranfabriken in Gronau und Lingen
Uranprodukte unter anderem zum Betrieb von Atomkraftwerken (AKW) in Bel-
gien und Frankreich, die auch nach Einschätzung der Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr Barbara Hendricks, Risiken
bergen. Gegenüber dem WDR hat der Chef der URENCO Deutschland GmbH
(UD) aus Gronau bestätigt, dass sie das Uran für den Betrieb auch der umstritte-
nen Reaktoren in Tihange und Doel liefern. „Die belgische Kernkraftwerkbetrei-
bergesellschaft Synatom ist ein Kunde von uns“, bestätigt Joachim Ohnemus,
UD-Direktor am Standort Deutschland, ohne Umschweife im WESTPOL-Inter-
view, „wir liefern da hin“ (www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/westpol/
video-nrw-uran-fuer-pannen-akw-100.html). Die „Rheinische Post“ berichtete
am 28. Juli 2016 außerdem, dass Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks
(SPD) „sich innerhalb der Bundesregierung für die Stilllegung der umstrittenen
Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau einsetzen“ will.
„Das signalisierte Hendricks in einem Brief an NRW-Umweltminister Johannes
Remmel (Grüne) vom 26. Juli“ (www.presseportal.de/pm/30621/3389598).
In einem Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Sektion der Internationalen
Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.
(IPPNW) von Juli 2016 hat die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm dargelegt,
dass die Bundesregierung zumindest die Lieferungen von Kernbrennstoffen in
Form von angereichertem Uran bzw. als frische Brennelemente unterbinden kann,
indem sie die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen nicht erteilt (www.ippnw.
de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Exportstopp_Brennelemente_Lingen.pdf).
In der Wochenzeitung „Der Freitag“ heißt es am 15. August 2016 dazu: „Die
Juristin Cornelia Ziehm beruft sich dabei auf den Paragrafen 3 des Atomgesetzes,
wonach die Kernbrennstoffe nur dann eine Ausfuhrgenehmigung erhalten dür-
fen, wenn sie ‚nicht in einer die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepub-
lik Deutschland gefährdenden Weise verwendet werden‘“ (www.freitag.de/
autoren/der-freitag/uranfabriken-unter-druck).
In der Stellungnahme der Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm heißt es u. a.:
„Zwingende Genehmigungsvoraussetzung ist es nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Atomge-
setz, dass die auszuführenden Kernbrennstoffe nicht in einer die innere oder äu-
ßere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise verwendet
werden. Dabei werden grundsätzlich alle aus der „Anwendung von Kernenergie“
resultierenden Risiken erfasst. Eine Beschränkung auf eine militärische Perspek-
tive gibt es nicht. Etwas anderes wäre auch mit den Zwecksetzungen des § 1

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Atomgesetz, an denen § 3 Abs. 3 Nr. 2 Atomgesetz ausgerichtet ist, nicht verein-
bar. Erforderlich ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Atomgesetz zudem ein Handeln bereits
aus Vorsorgegründen und nicht erst zur Gefahrenabwehr.
Für eine rechtmäßige Ausfuhr müssen deshalb objektive Anhaltspunkte vorlie-
gen, welche eine Verwendung der Kernbrennstoffe nach den Vorschriften des in-
nerstaatlichen Rechts gewährleisten.
Das Gegenteil ist hier der Fall: Es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass
die Anlagen in Doel, Fessenheim und Cattenom nach dem Atomgesetz nicht oder
mindestens nicht mehr betrieben werden dürften.
Daraus folgt, dass neue Ausfuhrgenehmigungen vom insoweit zuständigen Bun-
desamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nicht erteilt werden dürfen,
bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen können bzw. müssen widerrufen werden“
(www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Exportstopp_Brennelemente_
Lingen.pdf).
In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8582 vom 30. Mai 2016 hatte die Bundes-
regierung eine Liste mit zahlreichen erteilten Ausfuhrgenehmigungen mit Blick
auf die Uranfabrik in Gronau angefügt. Demnach wurden insgesamt 231 Aus-
fuhrgenehmigungen für angereichertes Uran in Form von Uranhexafluorid im Zu-
sammenhang mit dem Betrieb der Uranfabrik in Gronau zwischen den Jahren
2011 und Anfang 2016 erteilt. Darunter sind alle namhaften Brennelementeher-
steller, die auch für Atomkraftwerke in Frankreich und Belgien herstellen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche aktuellen Kenntnisse über Lieferungen von angereichertem Uran aus

Gronau bzw. frischen Uranbrennelementen aus Lingen für französische bzw.
belgische AKW hat die Bundesregierung?

2. Welche Ausfuhrgenehmigungen für bestrahlte Brennelemente aus Lingen
wurden seit dem Jahr 2011 erteilt (bitte nach jeweiliger Ausfuhrgenehmi-
gung, Zeitpunkt der Genehmigung, Genehmigungsinhalt, Genehmigungs-
umfang sowie jeweiligen Endkunden und möglichen Zwischenkunden auf-
schlüsseln)?

3. Aus welchen Gründen wird in der der Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8582 angefügten Liste der
Ausfuhrgenehmigungen im Zusammenhang mit angereichertem Uran aus
der URENCO-Anlage in Gronau als „Endkunde“ die jeweilige Anlage zur
Brennelementeherstellung, nicht aber der am Ende tatsächliche „Endkunde“,
nämlich das jeweilige Atomkraftwerk, genannt?

4. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Synatom (Brüssel)
für die Betreiber der belgischen AKWs in Doel und Tihange für die Beschaf-
fung von angereichertem Uran zur Herstellung von Brennelementen zustän-
dig ist, bzw. was genau ist nach Kenntnis der Bundesregierung Aufgabe der
Synatom, und wem gehört dieses Unternehmen?

5. An welche bzw. für welche AKWs haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die in der Liste genannten End- bzw. Zwischenkunden (Käufer) jeweils
angereichertes Uran von der UD erhalten?

6. An welche AKWs (jeweils mit Angabe für welchen Block der jeweiligen
Anlage) hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Uranfabrik in Lingen
seit Ende des Jahres 2014 bis heute jeweils wie viele Brennelemente ausge-
liefert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9502
7. Welche Anforderungen an die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung nach
dem Atomgesetz bzw. bei angereichertem Uran oder frischen Uranbrennele-
menten müssen gegeben sein, damit diese erteilt werden kann?

8. Welche gesetzlichen Regelungen, Verordnungen, Erlasse, Fachexpertisen
bzw. Stellungnahmen oder Bewertungen werden seitens des BAFA im Zu-
sammenhang mit der Prüfung einer Ausfuhrgenehmigung von angereicher-
tem Uran bzw. Kernbrennstoffen herangezogen, um eine solche Genehmi-
gung zu erteilen?

9. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bislang von der in § 3 Ab-
satz 3 Nummer 2 des Atomgesetzes genannten Möglichkeit, Ausfuhrgeneh-
migungen zu verweigern, wenn diese dazu beitragen, dass „die auszuführen-
den Kernbrennstoffe nicht in einer die internationalen Verpflichtungen der
Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Kernenergie oder die innere
oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise
verwendet werden“, keinen Gebrauch gemacht?

10. In welcher Weise ist aus Sicht der Bundesregierung die Regelung in § 3 Ab-
satz 3 Nummer 2 des Atomgesetzes zu verstehen, nach der zur Erteilung ei-
ner Ausfuhrgenehmigung gewährleistet sein muss, „daß die auszuführenden
Kernbrennstoffe nicht in einer die internationalen Verpflichtungen der Bun-
desrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Kernenergie oder die innere
oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise
verwendet werden“ (bitte ausführlich darlegen)?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die rechtliche Möglichkeit, Ausfuhrge-
nehmigungen von angereichertem Uran bzw. Kernbrennstoffen für diejeni-
gen grenznahen Atomanlagen zu verweigern, die auch aus Sicht der Bundes-
regierung eine Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit für die Be-
völkerung der Bundesrepublik Deutschland in den grenznahen Gebieten dar-
stellen?

12. Welche Maßnahmen bezüglich der Ausfuhrgenehmigungen bzw. in anderer
Weise wird die Bundesregierung bzw. das Bundesumweltministerium unter-
nehmen, damit aus bundesdeutschen Urananlagen keine Lieferungen an
Atomanlagen erfolgen, die ein Risiko für die Bevölkerung der Bundesrepub-
lik Deutschland darstellen können?

Berlin, den 30. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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