BT-Drucksache 18/9497

Salafistische Propaganda gegenüber Flüchtlingen

Vom 30. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9497
18. Wahlperiode 30.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, Ralph Lenkert,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Kersten Steinke und
der Fraktion DIE LINKE.

Salafistische Propaganda gegenüber Flüchtlingen

Teils über materielle Unterstützung, teils über ideelle bzw. ideologische Beein-
flussung versuchen salafistische Organisationen, Flüchtlinge für sich anzuwer-
ben. Dabei zielen sie auch auf unbegleitete jugendliche Flüchtlinge. Die Frage-
steller gehen davon aus, dass solche Anwerbeversuche nur zu einem sehr kleinen
Teil erfolgreich verlaufen, nicht zuletzt, weil viele der Flüchtlinge auch vor dem
Terror dschihadistischer Organisationen in ihren Herkunftsländern geflohen sind.
Konkrete Angaben zum Umfang und zum Erfolg solcher Anwerbeversuche bzw.
Kontaktaufnahmen konnte die Bundesregierung zwar in ihrer Antwort auf Bun-
destagsdrucksache 18/6468 nicht machen. Angesichts der Bedeutung, die der
Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat und ähnliche Terrororganisati-
onen hat, gehen die Fragesteller allerdings davon aus, dass die Erfassung solcher
Anwerbeversuche bzw. Kontaktaufnahmen mittlerweile besser organisiert ist und
die relevanten Akteure auch auf Bundesebene unbeschadet der jeweiligen föde-
ralen Zuständigkeit einen Überblick über entsprechende Aktivitäten der salafisti-
schen Szene haben. Zu diesen Akteuren zählen die Fragesteller unter anderem die
Bundessicherheitsbehörden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bundeszent-
rale für politische Bildung usw.
Neben einer besseren Erfassung solcher Tätigkeiten ist aus Sicht der Fragesteller
unbedingt eine verbesserte Präventionsarbeit nötig. Dazu gehört auch salafisti-
scher und dschihadistischer Propaganda die Rahmenbedingungen zu erschweren,
etwa durch pädagogische Betreuung, verstärkten Einsatz von Sozialarbeitern, er-
leichterte Asylverfahren und verbesserten Integrationsangeboten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der salafistischen Propaganda

gegenüber Flüchtlingen in Deutschland sowie ihrer Bekämpfung und Be-
obachtung zu?

2. Welche Bedeutung misst die salafistische Szene nach Kenntnis der Bundes-
regierung der Propaganda unter Flüchtlingen zu, und wie stellt sie diese unter
ihren eigenen Anhängern dar?

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3. Wie haben sich Versuche, unter Flüchtlingen salafistische Propaganda zu
treiben, seit Beantwortung der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache
18/6468) im Oktober 2015 nach Kenntnis der Bundesregierung allgemein
entwickelt?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über konkrete Maßnahmen der
salafistischen Szene zur Beeinflussung von Flüchtlingen?
Welche diesbezüglichen Aufrufe salafistischer Prediger und Verbände mit
welchem Inhalt und welcher Verbreitung sind der Bundesregierung dabei be-
kannt?

5. Wie häufig und in welcher Form kam es nach Kenntnis der Bundesregierung
zu konkreten Anwerbeversuchen bzw. Beeinflussungsversuchen gegenüber
Flüchtlingen?
a) Inwiefern finden solche Anwerbe- oder Beeinflussungsversuche vor oder

in Flüchtlingsunterkünften statt?
b) Welche regionalen Schwerpunkte und bevorzugte Lokalitäten bzw. Ein-

richtungen sind dabei festzustellen, sind ggf. bestimmte Flüchtlingsunter-
künfte besonders betroffen?

6. Welcher strategischen Ansätze bedient sich die salafistische Propaganda ge-
genüber Flüchtlingen?
Inwiefern stehen dabei bestimmte Herkunftsländer im Vordergrund (ggf.
bitte angeben, welche)?
Welche Themen werden angesprochen, inwiefern wird auf die konkrete Si-
tuation und Erfahrung von Flüchtlingen eingegangen?
Welche Rolle spielen theologisch-ideologische und (tages-)politische The-
men sowie konkrete materielle Unterstützung?
Wie schätzt die Bundesregierung den jeweiligen Effekt dieser Methoden ein?

7. Welche Rolle spielen nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung
soziale Netzwerke (bitte benennen) bei der Verbreitung salafistischer Propa-
ganda und der Anwerbung oder Beeinflussung von Flüchtlingen?

8. Inwiefern stoßen Anwerbe- bzw. Beeinflussungsversuche von Salafisten
nach Kenntnis der Bundesregierung auf Resonanz unter Flüchtlingen?
Welche Einschätzungen oder Zahlen hat die Bundesregierung hierzu?
Für wie hoch hält die Bundesregierung die Zahl von Salafisten unter Flücht-
lingen?
Wie viele Flüchtlinge konnten von Salafisten nach Kenntnis der Bundesre-
gierung erfolgreich angeworben werden?

9. Inwiefern sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) nach Einschät-
zung der Bundesregierung besonders gefährdet, von Salafisten beeinflusst zu
werden?

10. Mit welchen Themen nähern sich nach Kenntnis der Bundesregierung Sa-
lafisten insbesondere umF an?
Welche besonderen Strategien verfolgen sie dabei?

11. Inwiefern sind der Bundesregierung konkrete Anwerbeversuche und ggf. Er-
folge von umF durch Salafisten bekannt?
Welche Zahlen oder Informationen liegen ihr dafür vor?
Inwiefern unterscheidet sich diesbezüglich die Situation von umF, die in
Aufnahmeeinrichtungen, Jugendheimen, betreuten Wohngruppen, bei Ver-
wandten oder Pflegeeltern leben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9497

12. Welche Dispositionen bei Flüchtlingen sowohl hinsichtlich der Biographie

als auch der aktuellen Lebenssituation in Deutschland bieten nach Einschät-
zung der Bundesregierung eine besondere Anfälligkeit für salafistische Pro-
paganda?
Welche Rolle spielen dabei die konkrete Lebenssituation in Deutschland,
Dauer und Verlauf des Asylverfahrens, das Angebot von bzw. der Mangel
an Integrationsangeboten und weitere „äußere“ Faktoren, und welche Rolle
spielen „innere“ Faktoren wie etwa enttäuschte Erwartungen, Traumata, der
psychische und physische Zustand usw.?

13. Inwieweit können Salafisten nach Kenntnis der Bundesregierung bei ihren
Werbebemühungen um Flüchtlinge auf Gleichgesinnte unter den Flüchtlin-
gen zurückgreifen, um Kontakte in Flüchtlingsunterkünfte zu bekommen?

14. Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle bekannt geworden, in denen in-
nerhalb von Flüchtlingsunterkünften salafistische oder dschihadistische
Werbung entdeckt wurde?

15. Welche Konzepte gibt es, um salafistischen Anwerbeversuchen – sowohl
hinsichtlich erwachsener als auch unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge –
entgegenzuwirken?
Welche weiteren Konzepte werden derzeit von wem entwickelt, und inwie-
fern werden diese umgesetzt oder von der Bundesregierung gefördert?

16. Welche Möglichkeiten gibt es derzeit, Vertretern salafistischer Organisatio-
nen bzw. einzelnen Salafisten den Zugang zu Flüchtlingsunterkünften zu ver-
wehren, inwiefern werden solche Möglichkeiten nach Kenntnis der Bundes-
regierung genutzt, und inwiefern können sie auch tatsächlich wirksam durch-
gesetzt werden?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus?

17. Inwiefern sieht die Bundesregierung eine Mitverantwortlichkeit des Bundes
bei der Bekämpfung salafistischer Propaganda gegenüber Flüchtlingen, und
mit welchen konkreten Maßnahmen kommt sie dieser ggf. nach?
Welche weiteren Maßnahmen sind diesbezüglich in Planung?

18. Inwiefern ist beim Thema Bekämpfung salafistischer Propaganda gegenüber
Flüchtlingen ein Austausch zwischen Kommunen und Ländern untereinan-
der sowie mit dem Bund gewährleistet?
a) Über welche Instanzen oder Gremien erfolgt dieser?
b) Inwiefern strebt die Bundesregierung an, angesichts der bundesweiten

Relevanz salafistischer Bestrebungen den Austausch mit den zuständigen
Landesbehörden zu optimieren und selbst einen Überblick über konkrete
salafistische Aktivitäten zu erhalten?

c) Welche konkreten Maßnahmen hat sie diesbezüglich eingeleitet bzw. sind
noch vorgesehen?

19. Welche Behörden sind auf Bundes- sowie Landesebene vorrangig für die
Beobachtung bzw. Bekämpfung salafistischer Propaganda gegenüber
Flüchtlingen zuständig, und mit welchen Maßnahmen kommen sie ihrer Auf-
gabe nach?
Inwiefern ist eine Kooperation zwischen diesen Behörden gewährleistet, und
welche Mechanismen werden dazu genutzt?

20. Welche Resonanz haben die Aufrufe salafistischer Organisationen bzw. Pre-
diger zur Beeinflussung von Flüchtlingen in der Basis salafistischer Organi-
sationen?

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21. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, inwiefern der sogenannte

Islamische Staat bzw. ähnliche terroristische Organisationen dazu aufrufen,
Flüchtlinge in Deutschland zu beeinflussen oder zu rekrutieren?
Welche Resonanz haben solche Aufrufe?

22. Inwiefern bietet salafistische Propaganda gegenüber Flüchtlingen bzw. kon-
kret dazu verwendete Materialien Ansatzpunkte für eine strafrechtliche Ver-
folgung, und in welchem Umfang werden tatsächlich strafrechtliche Schritte
eingeleitet?

Berlin, den 30. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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