BT-Drucksache 18/9470

Entsendungen - Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie

Vom 23. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9470
18. Wahlperiode 23.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, Dr. Thomas Gambke und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entsendungen – Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie

Die Entsenderichtlinie (96/71/EG) schreibt vor, dass auch für entsandte Beschäf-
tigte die Mindestarbeitsbedingungen des Ziellandes bezüglich Arbeitszeit, Lohn,
Urlaub, Mutterschutz, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Regelungen zur
Gleichstellung von Männern und Frauen gelten.
Die Praxis zeigt jedoch, dass den entsandten Beschäftigten häufig diese Mindest-
arbeitsbedingungen verwehrt bleiben (Badische Zeitung, 19. Juli 2016). Die ent-
sandten Beschäftigten sind in der Regel über ihre Rechte nicht ausreichend infor-
miert. In der Folge können sie ihre Ansprüche weder einfordern noch vor Gericht
durchsetzen. Zudem werden Briefkastenfirmen ohne tatsächliche Geschäftstätig-
keit im Herkunftsland zur angeblichen Entsendung genutzt, um nationale Vor-
schriften zu Arbeitsbedingungen und Sozialversicherung zu umgehen (DGB,
5. Juli 2016).
Im Frühjahr 2014 veröffentlichte die Europäische Kommission deshalb die
Durchsetzungsrichtlinie (2014/67/EU) zur Entsenderichtlinie, um den Schutz der
entsandten Beschäftigten zu verbessern. Diese Richtlinie musste bis Juni 2016 in
nationales Recht umgesetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele entsandte Beschäftigte arbeiten aktuell in Deutschland?

a) Wie viele entsandte Beschäftigte arbeiteten durchschnittlich in den
Jahren 2014 und 2015 in Deutschland?

b) In welchen 10 Branchen werden derzeit die meisten entsandten Be-
schäftigten eingesetzt?

c) Aus welchen 10 Herkunftsländern kommen aktuell die meisten ent-
sandten Beschäftigten?

2. Wurde die Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU fristgerecht und vollständig
umgesetzt?
Wenn nein, welche notwendigen Änderungen stehen noch aus und warum?

Drucksache 18/9470 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um den Zugang zu Informationen für
Unternehmen über ihre Pflichten und für entsandte Beschäftigte über ihre
Rechte sicherzustellen, und sind aus Sicht der Bundesregierung damit die Ver-
pflichtungen aus der Durchsetzungsrichtlinie erfüllt?
Wenn nein, warum nicht?
a) Auf welcher offiziellen Plattform erhalten entsandte Beschäftigte In-

formationen über ihre Rechte, und welche Mindestarbeitsbedingungen
werden dort veröffentlicht?

b) In welchen Sprachen werden diese Informationen bereitgestellt?
c) In welcher Form werden entsandte Beschäftigte in den Herkunftslän-

dern bzw. in Deutschland auf die Plattform aufmerksam gemacht?
d) Wie wird sichergestellt, dass auch Menschen mit Behinderungen der

Zugang zu Informationen ermöglicht wird?
e) In welcher Form wurden die Sozialpartner an der Bereitstellung dieser

Informationen beteiligt?
f) Gibt es bereits Erkenntnisse darüber, wie die Plattform genutzt wird,

und besteht Verbesserungsbedarf?
4. Mit welchen Maßnahmen wurden die Beschwerde- und Beratungsmög-

lichkeiten von entsandten Beschäftigten in Deutschland und in den Her-
kunftsländern verbessert, und sind aus Sicht der Bundesregierung damit
die Verpflichtungen aus der Durchsetzungsrichtlinie erfüllt?
Wenn nein, warum nicht?
a) Wie viele Beschwerde- und Beratungsstellen gibt es aktuell in

Deutschland unter welcher Trägerschaft und in welchen Städten?
b) Wie viele Beraterinnen und Berater unterstützen in diesen Stellen die

entsandten Beschäftigten, und welche Branchen stehen dabei beson-
ders im Fokus?

c) Wie hoch sind die finanziellen Mittel aktuell, mit denen die Beratungs-
stellen unterstützt werden, und wie hoch waren sie in den Jahren 2014
bzw. 2015?

d) Wie viele Mittel werden in den nächsten Jahren zur Verfügung ge-
stellt, und für welchen Zeitraum ist die Finanzierung der Beratungs-
stellen abgesichert?

e) Ist der weitere Ausbau der Beratungsinfrastruktur bzw. sind weitere
Beratungsstellen geplant?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

5. Mit welchen Maßnahmen wurde die Durchsetzung der Rechte von ent-
sandten Beschäftigten in Deutschland und in den Herkunftsländern ver-
bessert, und sind aus Sicht der Bundesregierung damit die Verpflichtun-
gen aus der Durchsetzungsrichtlinie erfüllt?
Wenn nein, warum nicht?
a) Wie hat die Bundesregierung sichergestellt, dass Gewerkschaften

bzw. Dritte die entsandten Beschäftigten bei der gerichtlichen Durch-
setzung ihrer Rechte besser unterstützen können?

b) Wird die Bundesregierung ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaf-
ten bei Fragen der Entsendung einführen?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9470

6. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Art und Häufigkeit von

Beschwerden von entsandten Beschäftigten?
Wenn nein, warum nicht?
a) In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2014, 2015 und bislang im

Jahr 2016 bei der Beratung von entsandten Beschäftigten vermutet,
dass Mindestarbeitsbedingungen missachtet wurden?

b) In wie vielen Fällen konnten die entsandten Beschäftigten in den Jah-
ren 2014, 2015 und bislang im Jahr 2016 mithilfe der Beratungsstellen
ihre Rechte durchsetzen?

c) Welche 5 Mindestarbeitsbedingungen werden nach Erkenntnissen der
Bundesregierung am häufigsten missachtet?

7. In welcher Form hat die Bundesregierung die Begriffsbestimmung der Ent-
sendung geschärft, um entsandte Beschäftigte besser zu schützen sowie die
Nutzung von Briefkastenfirmen erschwert, und können diese Maßnahmen
als erfolgreich bezeichnet werden?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

8. Mit welchen Maßnahmen wurden die Kontrollen von Entsendevorgän-
gen verbessert, und sind aus Sicht der Bundesregierung damit die Ver-
pflichtungen aus der Durchsetzungsrichtlinie erfüllt?
Wenn nein, warum nicht?
a) Wie viele Entsendungen wurden in den Jahren 2014, 2015 und bislang

im Jahr 2016 kontrolliert?
b) In wie vielen Fällen haben die Kontrollen in den Jahren 2014, 2015

und bislang im Jahr 2016 ergeben, dass bei Entsendungen Mindestar-
beitsbedingungen missachtet wurden?

c) Beurteilt die Bundesregierung die personelle Ausstattung der Finanz-
kontrolle Schwarzarbeit für den Bereich der Entsendungen als ausrei-
chend?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

9. Mit welchen Maßnahmen wurde die Zusammenarbeit mit den Herkunfts-
ländern verbessert, um effektive Kontrollen bei Entsendungen durchfüh-
ren zu können, und sind aus Sicht der Bundesregierung damit die Ver-
pflichtungen aus der Durchsetzungsrichtlinie erfüllt?
Wenn nein, warum nicht?
a) Wie lange dauert es durchschnittlich, bis die zuständigen deutschen

Kontrollbehörden im Zuge des Amtshilfeverfahrens Informationen
über die Gültigkeit von A1-Bescheinigungen erhalten, und hat sich
dieser Zeitraum verringert?
Wenn nein, warum nicht?

b) In wie viel Prozent der Fälle funktioniert die Zusammenarbeit mit den
Herkunftsländern (beispielsweise bei den A1-Bescheinigungen), da-
mit die korrekte Einhaltung der Vorschriften bei Entsendungen effek-
tiv kontrolliert werden kann?

Drucksache 18/9470 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welche Mitgliedstaaten sind für eine gute und schnelle Zusammenar-
beit und als kooperativ bekannt?

d) Welche Mitgliedstaaten verweigern die Zusammenarbeit, wenn es um
den Informationsaustausch und die Vollstreckung von Sanktionen so-
wie Geldbußen im Zusammenhang mit Entsendevorgängen geht?

e) Plant die Bundesregierung weitere Maßnahmen, um die Zusammenar-
beit zu verbessern?
Wenn nein, warum nicht?

10. Sind die Sanktionen und Geldbußen, die bei nicht korrekt erfolgten Ent-
sendevorgängen verhängt werden, aus Sicht der Bundesregierung wirk-
sam, verhältnismäßig und abschreckend?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, welche Änderungen plant die Bundesregierung?

Berlin, den 23. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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