BT-Drucksache 18/944

Zu- und Abwanderung von ausgebildeten Medizinerinnen und Medizinern

Vom 25. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/944
18. Wahlperiode 25.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), Christine
Buchholz, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Andrej Hunko, Katja Kipping, Kathrin
Vogler, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Zu- und Abwanderung von ausgebildeten Medizinerinnen und Medizinern

Bis vor einigen Jahren wurde in diversen öffentlich zugänglichen Quellen
wiederholt davon gesprochen, dass die Anzahl der in Deutschland ausgebildeten
und aus Deutschland auswandernden Medizinerinnen und Medizinern die
Anzahl der im Ausland ausgebildeten und von dort zugewanderten kontinuier-
lich deutlich übersteigen würde (Netto-Abwanderung). In diesem Zusammen-
hang wurden auch die Deutschland dadurch entstehenden Milliarden-Verluste
beklagt (siehe SZ vom 19. Mai 2010; Schiner, Sabine, 2009: Die Abwanderung
von Ärzten kostet den deutschen Staat Milliarden, Ärztezeitung vom 28. Sep-
tember 2009; siehe außerdem die verschiedenen dazu genannten Quellen auf
www.arztwiki.de/wiki/%C3%84rzteflucht).
Mittlerweile bestehen mit der ab dem Jahr 2012 eingeführten Blauen Karte der
Europäischen Union (EU) modifizierte Bedingungen der Zuwanderung. Schon
deshalb ist nicht auszuschließen, dass aus der vormaligen angeblichen Netto-
Abwanderung eine Netto-Zuwanderung von Medizinerinnen und Medizinern
geworden ist.
Geändert haben sich inzwischen auch die Meinungsäußerungen von manchen
Politikerinnen und Politikern wie auch Einschätzungen seitens der Presse. „In
Deutschland hat die bayerische CSU mit der Parole ,Wer betrügt, der fliegtʻ
Front gegen Bulgaren und Rumänen gemacht. … Die Fakten sprechen eine an-
dere Sprache als die Populisten. … Es sind die besten Köpfe des Ostens, die in
den Westen migrieren. Die Rede ist von IT-Spezialisten, von Medizinern und
Facharbeitern, aber auch von Pflegekräften“ (Lausitzer Rundschau, 20. Januar
2014, www.lr-online.de/nachrichten/Tagesthemen-Die-andere-Seite-der-Frei-
zuegigkeit-Saugt-der-Westen-Osteuropa-aus;art1065,4455726; siehe auch die
Zahlen der nach Hessen eingewanderten Medizinerinnen und Mediziner in der
Frankfurter Rundschau vom 3. Januar 2014 sowie die Zahlen für ganz Deutsch-
land in Vera Demary/Oliver Koppel: Der Arbeitsmarkt für Humanmediziner und
Ärzte in Deutschland – Zuwanderung verhindert Engpässe, iw-Trends 3/2013,
September 2013).
Laut aktuellen Meldungen stammen die meisten Arbeitsimmigrantinnen und
Arbeitsimmigranten mit medizinischer Ausbildung aus Rumänien, Griechen-
land, Ungarn, Bulgarien und Syrien (Märkische Online-Zeitung, 8. Januar 2014:
www.moz.de/lokales/artikel-ansicht/dg/0/1/1232353/) und damit aus Her-
kunftsländern, die ein deutliches Wohlstandsgefälle gegenüber Deutschland auf-
weisen. Folglich besteht die Gefahr, dass durch die Abwanderung Lücken in der
gesundheitlichen Versorgung in den Herkunftsländern gerissen werden und dass
für die von der jeweiligen Gesellschaft getragenen Kosten des Medizinstudiums
keine entsprechende Gegenleistung erbracht wird.

Drucksache 18/944 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zudem stellt sich die Frage, ob und wie das Wissen der zugewanderten Medizi-
nerinnen und Mediziner durch schnellen, praktischen Einsatz gesichert werden
kann, ohne dabei die Qualität der Versorgung zu beeinträchtigen.
Denn zum einen entsprechen die sprachlichen Fähigkeiten der eingewanderten
Medizinerinnen und Mediziner selbstverständlich nicht sofort und von selbst
dem für eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation erforderlichen Niveau. Zum
anderen sind die Praxis und das Niveau der sprachlichen Prüfungen, denen sich
aus dem Ausland zugewanderte und die Approbation beantragende Medizine-
rinnen und Mediziner in den einzelnen Bundesländern unterziehen müssen, bis-
lang unterschiedlich.

Wir fragen die Bundesregierung:

A. Zu- und Abwanderung von Medizinerinnen und Medizinern
1. Wie viele in Deutschland ausgebildete Ärztinnen und Ärzte unter 60 Jahren

haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen den Jahren 2000 bis
2013 die Bundesrepublik Deutschland verlassen (bitte nach Geschlecht, fach-
ärztlicher Qualifikation, Bundesland und Ziel-Auswanderungsland auf-
schlüsseln)?

2. In welchen Bereichen haben nach Kenntnis der Bundesregierung ausgewan-
derte deutsche Ärztinnen und Ärzte vornehmlich gearbeitet (stationär, ambu-
lant, hausärztlich, fachärztlich)?

3. Welche Kosten entstehen in Deutschland durchschnittlich durch ein Medizin-
studium?

4. Wie viele im Ausland ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner sind nach
Kenntnis der Bundesregierung zwischen den Jahren 2000 und 2013 in die
Bundesrepublik Deutschland eingewandert und haben hier als Ärztinnen und
Ärzte gearbeitet (bitte nach Jahr, Geschlecht, fachärztlicher Qualifikation,
Bundesland und Auswanderungsland aufschlüsseln)?

5. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen der Abwanderung von
medizinischem Fachpersonal nach Deutschland in den entsprechenden Län-
dern ein, also beispielsweise Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Ungarn,
die Tschechische Republik, Polen, Ukraine, Syrien etc.?

6. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 und 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Approba-
tion als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt beantragt (bitte
nach Jahr, Geschlecht, fachärztlicher Qualifikation, Bundesland, in dem die
Approbation beantragt wurde und Herkunftsland aufschlüsseln)?

7. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland abgeschlos-
senem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Approba-
tion als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt erhalten (bitte
nach Jahr, Geschlecht, fachärztlicher Qualifikation, Bundesland, in dem die
Approbation beantragt wurde und Auswanderungsland aufschlüsseln)?

8. Wie viele in den letzten fünf Jahren eingewanderte Medizinerinnen und
Mediziner üben nach Kenntnis der Bundesregierung keine ärztliche Tätigkeit
aus (nicht berufstätig oder andere Arbeitsbereiche, bitte nach Jahr des Zuzugs
aufschlüsseln)?

9. Unter welchen Voraussetzungen wird nach Kenntnis der Bundesregierung für
ausländische Ärztinnen und Ärzte eine Berufserlaubnis und wann eine
Approbation erteilt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/944
10. Inwiefern unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Be-
fugnisse und Arbeitsbedingungen bei einer Berufserlaubnis im Vergleich
zur Approbation (selbständiges Arbeiten, sonstige Befugnisse, Gehalt, Auf-
stiegsmöglichkeiten)?

11. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland abge-
schlossenem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung
zwischen den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die
Approbation als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt erhalten
und haben dabei neben der fachlichen Prüfung auch einen Sprachtest bzw.
eine Prüfung der Beherrschung der deutschen Sprache erfolgreich absol-
viert (bitte nach Jahr, Geschlecht, fachlicher Qualifikation, Bundesland, in
dem ein Sprachtest bzw. eine Sprachprüfung durchgeführt wurde und Aus-
wanderungsland aufschlüsseln)?

12. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Appro-
bation als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt nach Wieder-
holung der fachlichen Prüfung erhalten (bitte nach Jahr, Geschlecht, fach-
ärztlicher Qualifikation, Bundesland und Auswanderungsland aufschlüs-
seln)?

13. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Approba-
tion als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt nach Wieder-
holung des Sprachtests erhalten (bitte nach Jahr, Geschlecht, fachärztlicher
Qualifikation, Bundesland und Auswanderungsland aufschlüsseln)?

14. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland eine Berufs-
erlaubnis, jedoch keine Approbation als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärz-
tin oder Zahnarzt erhalten (bitte nach Jahr, Geschlecht, fachärztlicher Qua-
lifikation, Bundesland und Auswanderungsland aufschlüsseln)?

15. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Appro-
bation als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt endgültig aus
fachlichen Gründen nicht erhalten (bitte nach Jahr, Geschlecht, fachärzt-
licher Qualifikation, Bundesland, in dem die Approbation beantragt wurde
und Auswanderungsland aufschlüsseln)?
Welche Gründe hält die Bundesregierung in diesen Fällen für maßgeblich?

16. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft und mit im Ausland absolvier-
tem Medizinstudium haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
den Jahren 2000 bis 2013 in der Bundesrepublik Deutschland die Approba-
tion als Ärztin oder Arzt bzw. als Zahnärztin oder Zahnarzt aus Gründen
mangelnder Sprachkompetenz nicht erfolgreich abgeschlossen (bitte nach
Jahr, Geschlecht, fachärztlicher Qualifikation, Bundesland, in dem die
Approbation beantragt wurde und Auswanderungsland aufschlüsseln)?
Sieht die Bundesregierung in Bezug auf diese Zahlen Handlungsbedarf?

17. Wie viele Sprachkurse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2011, 2012 und 2013 in den einzelnen Bundesländern für ausländische Ärz-
tinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte durchgeführt?
Auf welche Niveaustufe zielten diese Kurse jeweils, und wer hatte die Kos-
ten zu tragen?
Hält die Bundesregierung diese Maßnahmen für ausreichend?

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18. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil ausländischer
Ärztinnen und Ärzte in der in Deutschland tätigen Ärzteschaft in den letzten
zehn Jahren entwickelt?

B. Folgen der Zu- und Abwanderung in den Herkunftsländern
19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zuwanderung aus den alten EU-Staa-

ten?
Ist diese auch ein Erfolg aus dem europäischen Studierenden-Mobilitätspro-
gramm ERASMUS und SOKRATES?

20. In welchen Ländern ist die Bundesregierung oder der Bundesregierung un-
terstehende oder öffentliche Institutionen aktiv, um medizinisch ausgebilde-
ten Bürgerinnen und Bürgern über eine berufliche Tätigkeit auf medizini-
schem Gebiet bzw. dem Gebiet gesundheitlicher Versorgung in Deutschland
zu informieren bzw. eine solche zu erleichtern bzw. zu einer solchen zu mo-
tivieren (bitte nach Institution, Ziel der Aktivitäten, Beginn der Aktivitäten,
ggf. geplantes Ende der Aktivitäten aufschlüsseln und in welchem Land
finden diese statt)?

21. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um in den Auswan-
derungsländern Anreize zu setzen, mit der die Abwanderungsmotivation
von medizinischem Personal reduziert werden kann?
Falls bislang keine solchen Maßnahmen ergriffen wurden, plant die Bundes-
regierung derzeit solche Maßnahmen?

22. Welche Maßnahmen haben das Bundesministerium für Gesundheit oder an-
dere Ministerien bzw. andere der Bundesregierung unterstehende Institutio-
nen ergriffen, um in Deutschland die von anderen Ländern aufgelegten
Rückkehrprogramme vor allem im Bereich des medizinischen Fachperso-
nals zu unterstützen?
Falls bislang keine solchen Maßnahmen ergriffen wurden, plant die Bundes-
regierung derzeit solche Maßnahmen?
Falls nicht, warum nicht?

23. Welche sonstigen, mit den Fragen 21 und 22 noch nicht erfassten Maß-
nahmen der Kompensation gegenüber den Herkunftsländern hat die Bun-
desregierung ergriffen oder plant sie zu ergreifen?

C. Qualität der Gesundheitsversorgung
24. Welchen Beitrag leisten ausländische Ärztinnen und Ärzte nach Einschät-

zung der Bundesregierung für die Sicherung der Gesundheitsversorgung in
Deutschland?

25. Ist nach Ansicht der Bundesregierung eine gleichwertige Behandlungsqua-
lität (inklusive Aufklärung etc.) gewährleistet, wenn bundesweit unter-
schiedliche Anforderungen an die Sprachkenntnisse gestellt werden?
Falls nein, sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

Berlin, den 25. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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