BT-Drucksache 18/9299

Förderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung

Vom 27. Juli 2016


 

Deutscher Bundestag Drucksache 18/9299
18. Wahlperiode 27.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Jan Korte,
Katrin Werner, Birgit Wöllert und der Fraktion DIE LINKE.

Förderung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung

In den letzten Jahren hat der internationale Wettbewerb im Behindertensport wei-
ter zugenommen. Das Interesse am Spitzensport von Menschen mit Behinderung
nimmt zu, Weltmeisterschaften, Weltcupveranstaltungen und andere internatio-
nale Wettkämpfe finden inzwischen in fast allen Teilen der Welt statt. Das inter-
nationale Leistungsniveau und die Leistungsdichte im Spitzensport von Men-
schen mit Behinderung steigen seit einigen Jahr kontinuierlich an. Immer mehr
Staaten und nationale Sportverbände fördern den Leistungssport von Menschen
mit Behinderung im gleichen Umfang, wie den Leistungssport von Menschen
ohne Behinderung.
Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes e. V. (DBS), Friedhelm
Julius Beucher, sagte u. a. während des Parlamentarischen Frühstücks in Berlin
am 11. Mai 2016 mit Blick auf die Paralympics in Rio de Janeiro, dass mit den
derzeitigen Mitteln der Leistungsstand im internationalen Vergleich nicht zu hal-
ten sei. Bereits im Jahr 2013 wurde gegenüber dem Bundesinnenministerium ein
Finanzbedarf von 4,7 Millionen Euro artikuliert. Dem stehen aktuell 3,2 Millio-
nen Euro gegenüber. Der DBS braucht vergleichbare professionelle Strukturen
wie die konkurrierenden Sportverbände. Derzeit verfügt der DBS über sieben
hauptamtliche Bundestrainer. Die Mehrzahl der 44 Nationalmannschaften wird
durch Honorarkräfte betreut. Es fehlen Mittel für hauptamtliche Trainerinnen und
Trainer, für ein ganzjähriges professionelles Training und die Teilnahme an in-
ternationalen Wettkämpfen. Ebenso fehlen barrierefreie Sportanlagen für den
Spitzen- und den Breitensport.
Wenn die Bundesrepublik Deutschland auch künftig eine der führenden Nationen
im sportlichen Wettkampf von Menschen mit Behinderung bleiben möchte, müs-
sen die Sportverbände die Rahmenbedingungen für die Sportlerinnen und Sport-
ler, Trainingsumfang und -methoden anpassen, Wettkampfstrukturen weiter ent-
wickeln und auch eine ganzjährige Teilnahme an internationalen Veranstaltungen
gewährleisten. Daraus erwachsen eine Reihe neuer Anforderungen hinsichtlich
Professionalisierung und Finanzierung des Sports. Hierzu müssen auch der Bund
und die Länder einen angemessenen Beitrag leisten. Das betrifft sowohl Fragen
der Finanzierung, der Nachwuchsgewinnung und der Förderung von Spitzen-
sportlerinnen und Spitzensportlern mit Behinderung. Getreu dem Motto: „Ohne
Breite keine Spitze und ohne Spitze keine Breite“ stehen auch neue Herausforde-
rungen für die Entwicklung des Schulsportes (einschließlich des Sports an Be-
rufsschulen und Hochschulen) sowie des Breitensports.
Es reicht auch nicht aus, den Sport von Menschen mit Behinderung gleicherma-
ßen zu fördern, wie den Sport von Menschen ohne Behinderung, denn eine
Gleichbehandlung von Ungleichen verfestigt Ungleichheit. Im Behindertensport

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bestehen deutlich höhere Aufwendungen für Sportgeräte und -anlagen, an Betreu-
ungspersonal und für Reisekosten. So besteht zum Beispiel ein großer finanzieller
Unterschied zwischen einer Basketballmannschaft und einer Rollstuhlbasketball-
mannschaft. Diese behindertenbedingten Nachteile müssen – so auch die sich aus
der UN-Behindertenrechtskonvention ergebenen Verpflichtungen des Staates –
ausgeglichen werden. Hinzu kommt, dass im Nichtbehindertensport deutlich
mehr private Gelder von Sponsoren sowie durch Werbung und Fernsehübertra-
gungen zur Verfügung stehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der internationale

Wettbewerb im Behindertensport in den letzten Jahren weiter zugenommen
hat, und dass das internationale Leistungsniveau und die Leistungsdichte im
Spitzensport von Menschen mit Behinderung seit einigen Jahr kontinuierlich
ansteigen?

2. Inwieweit ist es ein Anliegen der Bundesregierung, dass die Bundesrepublik
Deutschland auch künftig eine der führenden Nationen im sportlichen Wett-
kampf von Menschen mit Behinderung bleibt?

3. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bundesregierung zur För-
derung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung in Deutschland,
und welchen Beitrag müssen dafür aus Sicht der Bundesregierung die Sport-
verbände sowie die Länder leisten?

4. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bundesregierung zur För-
derung des Schul- und Breitensports von Menschen mit Behinderung in
Deutschland, und welchen Beitrag müssen dafür aus Sicht der Bundesregie-
rung die Sportverbände sowie die Länder leisten?

5. Wie viele Sportlerinnen und Sportler sind derzeit nach Kenntnis der Bundes-
regierung im Bundeskader (bitte aufschlüsseln nach A-, B- und C-Kadern,
Geschlecht sowie Sportlern mit und ohne Behinderung)?

6. Wie viele dieser und weiterer im Spitzen- bzw. Leistungssport aktiven Sport-
lerinnen und Sportler sind derzeit beim Bund beschäftigt (bitte aufschlüsseln
nach Bundesbehörden sowie getrennt nach Behinderten- und Nichtbehinder-
tensport sowie Geschlecht)?

7. Wie viele dieser Sportlerinnen und Sportler sind darüber hinaus nach Kennt-
nis der Bundesregierung im öffentlichen Dienst in Ländern und Kommunen
beschäftigt und können dadurch im erforderlichen Umfang ihren Sport aus-
üben (bitte aufschlüsseln nach Ländern sowie Sportlerinnen und Sportler mit
und ohne Behinderung)?

8. Wie viele Trainerinnen und Trainer, Sportfunktionäre und sonstiges Personal
(Mediziner, Sportwarte usw.) sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Spitzensport hauptamtlich tätig (bitte aufschlüsseln nach Trainern,
Sportfunktionären und sonstigem Personal für den Spitzensport von Men-
schen mit bzw. ohne Behinderung)?

9. Wie viele dieser im Spitzen- bzw. Leistungssport tätigen Trainerinnen und
Trainer, Sportfunktionäre und sonstigen Beschäftigten sind derzeit beim
Bund beschäftigt (bitte aufschlüsseln nach Bundesbehörden sowie getrennt
nach Behinderten- und Nichtbehindertensport)?

10. Wie viele dieser im Spitzen- bzw. Leistungssport tätigen Trainerinnen und
Trainer, Sportfunktionäre und sonstigen Beschäftigten sind derzeit mit För-
derung durch den Bund bei Sportverbänden beschäftigt (bitte aufschlüsseln
nach Art der Tätigkeit, nach Behinderten- und Nichtbehindertensport sowie
Sportverbänden)?

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11. Wie viele Guides für Spitzenathletinnen und -athleten mit Behinderung wer-
den gefördert, und wie viele davon sind beim Bund beschäftigt (bitte auf-
schlüsseln nach Bundesbehörden)?

12. Welche Veränderungen hat es seit März 2014 bezüglich der Anzahl der im
Spitzen- bzw. Leistungssport aktiven Sportlerinnen und Sportler sowie Trai-
nerinnen und Trainer und sonstigen Sportpersonal, die beim Bund beschäf-
tigt sind, gegeben (bitte aufschlüsseln nach Bundesbehörden, nach Sportlern,
Trainern und sonstigem Personal sowie getrennt nach Behinderten- und
Nichtbehindertensport)?

13. Wie hoch ist die aktuelle Schwerbehindertenquote im Bund (bitte aufschlüs-
seln nach Ausbildung und Arbeit sowie Bundesbehörden)?

14. Welche Anstrengungen hat das BMI in den letzten drei Jahren unternommen,
um weitere Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Spitzenathletinnen und -ath-
leten mit Behinderung zu suchen, die es ermöglichen, professionelleres Trai-
ning mit Beruf und Ausbildung in Einklang zu bringen?
Welche Ergebnisse wurden dabei erreicht?
Worin liegen aus Sicht der Bundesregierung die Ursachen, trotz aller An-
strengungen nicht bessere Ergebnisse erreicht zu haben?
Ist es beabsichtigt, die Beschäftigungsinitiative auszuweiten, wenn ja, durch
welche Maßnahmen?
Wenn nein, warum nicht?

15. Wie viele der in Bundesbehörden geschaffenen Ausbildungs- und Arbeits-
plätze für Spitzenathletinnen und -athleten mit Behinderung sind aktuell
nicht besetzt, und welche Anstrengungen wird das BMI unternehmen, um
diese Stellen zu besetzen?

16. In welchem Umfang fördert der Bund den Spitzensport sowie den Breiten-
sport in den Jahren 2014 bis 2016 und welche Förderungen sind für 2017 auf
Grundlage des von der Bundesregierung beschlossenen Entwurfs des Bun-
deshaushaltsplanes vorgesehen (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Förderun-
gen für den olympische Spitzensport, den nichtolympischen Spitzensport,
den paralympischen Spitzensport und die Deaflympics; für den Breitensport
von Menschen mit bzw. ohne Behinderungen; nach Zuweisungen an die
Sportverbände, Personal- und Sachkosten des Bundes in den jeweiligen Bun-
desbehörden sowie Projektförderungen und sonstige Förderungen in den je-
weiligen Bundesministerien)?

17. Mit welchen Maßnahmen unterstützt bzw. beabsichtigt die Bundesregierung,
die zunehmende Professionalisierung im Spitzensport für Menschen mit Be-
hinderungen zu unterstützen?

18. Inwieweit gewährleistet die Bundesregierung, dass der im Spitzensport von
Menschen mit Behinderungen gestiegenen Professionalisierung Rechnung
getragen werden kann und der Deutsche Behindertensportverband (DBS) so-
wie der Gehörlosenverband (DGS) im internationalen Vergleich wettbe-
werbsfähig bleiben?
Inwieweit schlägt sich das zukünftig in der Finanzierung des Spitzensports
von Menschen mit Behinderungen nieder?

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19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des DBS, dass sich das gegenwär-
tige Leistungsniveau im Spitzensport von Menschen mit Behinderung nur
annähernd aufrechterhalten lässt, sofern die Sportjahresplanung auf 5 Milli-
onen Euro aufgestockt wird?
Wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus für das Finanzierungsjahr
2017 bzw. die Folgejahre?
Wenn nein, warum nicht?

20. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt
der Inklusion zur frühzeitigen Talentfindung und -förderung im Nachwuchs-
bereich des Spitzensports von Menschen mit Behinderungen?

21. In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung den Sportler Markus
Rehm und den DBS in ihren Bemühungen, auch mittels internationaler Gut-
achten das Startrecht bei internationalen Wettkämpfen im Nichtbehinderten-
sport zu bekommen?

Berlin, den 27. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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