BT-Drucksache 18/9186

Einrichtung einer Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich

Vom 8. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9186
18. Wahlperiode 08.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Martina Renner, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke, Katrin Kunert, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Einrichtung einer Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. Juni 2016 („Behörde
soll Verschlüsselungen knacken“) plant die Bundesregierung die Einrichtung ei-
ner Zentralstelle, die „Techniken für die Überwachung des Internets und von
Messenger-Diensten entwickeln soll“. Dort sollten bis zu 400 Mitarbeiter Tech-
niken entwickeln, mit denen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste
in die Lage versetzt werden sollen, in der Telekommunikation verwendete Ver-
schlüsselungstechniken zu überwinden. Damit sollen die Behörden in die Lage
versetzt werden, auch verschlüsselte Telefonate und Textnachrichten mitzuhören
bzw. mitzulesen.
Bereits seit dem Jahr 2008 bestehen Planungen im Bundesministerium des Innern,
Kompetenzen und Ressourcen für Telekommunikationsüberwachung und die
Überwachung informationstechnischer Systeme zu bündeln. Im Jahr 2009 wurde
die „Zentralstelle für Kommunikationstechnologien“ im Bundesverwaltungsamt
(BVA) eingerichtet. Teil der Zentralstelle ist das „Servicezentrum Telekommu-
nikationsüberwachung“, das für Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA)
Telekommunikationsüberwachung technisch durchführt (Aufzeichnung, Spei-
cherung, etc.). Das ursprünglich ebenfalls in der Zentralstelle angesiedelte Kom-
petenzzentrum Telekommunikationsüberwachung (CC-TKÜ) wurde nach Ein-
richtung des Strategie- und Forschungszentrums Telekommunikation (SFZ TK)
aufgelöst. Es stellt nach Angaben der Bundesregierung „eine Kommunikations-
plattform für die bedarfstragenden Behörden Bundeskriminalamt, Bundesamt für
Verfassungsschutz und Bundespolizei dar“ und wurde per Erlass am 16. März
2011 eingerichtet (vgl. Bundestagsdrucksache 18/6846, Antwort auf die Schrift-
liche Frage 18). Auf Ebene der Bundesländer wird die Einrichtung von gemein-
samen Zentren für technologische Entwicklung und Durchführung von Telekom-
munikationsüberwachung geplant oder ist bereits in Umsetzung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Treffen die Pressemeldungen über die Einrichtung einer „Zentralstelle für

Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ (Zitis) zu, und was sollen die
Aufgabenschwerpunkte dieser Zentralstelle sein?

2. Wo soll Zitis organisatorisch eingebunden sein, und wie sollen die Dienst-
und Fachaufsicht gestaltet werden?

3. Wie viele Personalstellen hält das Bundesministerium des Innern (BMI) für
den Aufbau bzw. den späteren Betrieb von Zitis für sachgerecht?

Drucksache 18/9186 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Mit welchen Kosten für die personelle und sachliche Ausstattung rechnet die
Bundesregierung in den kommenden fünf Jahren jeweils?

5. Über welche Aufbauorganisation soll Zitis nach derzeitigem Planungsstand
verfügen?

6. Welche Stellen, Abteilungen, Referate u. a. Teile der Aufbauorganisation der
Behörden des Bundes mit polizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Zu-
ständigkeiten und weitere Einrichtungen existieren zum gegenwärtigen Zeit-
punkt, deren Aufgabe (u. a.) in der Entwicklung von Techniken für die Über-
wachung der leitungsgebundenen Kommunikation besteht (bitte mit jeweili-
gen Tätigkeitsschwerpunkten auflisten)?

7. Wie soll nach Einrichtung des Zitis mit den bei den Behörden des Bundes
für dieselben Aufgaben zuständigen Organisationseinheiten oder gemeinsa-
men Einrichtungen verfahren werden?

8. Ist die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in
die bisherigen Planungen zum Zitis beteiligt, und wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

9. Inwieweit ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
bzw. einzelne Abteilungen oder Mitarbeiter in den Aufbau von Zitis invol-
viert?

10. Welche externen Beraterinnen und Berater sind beim Aufbau von Zitis in
welcher Form und Funktion tätig, und welche Kosten enstehen dadurch je-
weils (bitte entsprechend nach den genannten Kategorien auflisten und dif-
ferenzieren)?

11. Was ist der Bundesregierung bekannt dazu,
a) ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die vom Kompetenzzentrum in-

formationstechnische Überwachung (CC-ITÜ) entwickelte Software zur
Quellen-TKÜ nutzt oder sich nach der dort entwickelten Standardisierten
Leistungsbeschreibung (SLB) erstellte Software entwickelt oder sich er-
stellen lässt,

b) ob und welche Landeskriminalämter die vom Kompetenzzentrum infor-
mationstechnische Überwachung (CC-ITÜ) entwickelte Software zur
Quellen-TKÜ nutzen oder sich nach der dort entwickelten Standardisier-
ten Leistungsbeschreibung (SLB) erstellte Software entwickeln oder sich
erstellen lassen,

c) ob und welche Landesämter für Verfassungsschutz die vom Kompetenz-
zentrum informationstechnische Überwachung (CC-ITÜ) entwickelte
Software zur Quellen-TKÜ nutzen oder sich nach der dort entwickelten
Standardisierten Leistungsbeschreibung (SLB) erstellte Software entwi-
ckeln oder sich erstellen lassen?

12. Welche Stellen, Abteilungen, Referate u. a. Teile der Aufbauorganisation der
Behörden des Bundes mit polizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Zu-
ständigkeiten existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt, deren Aufgabe (u. a.)
in der operativen Durchführung von TKÜ und ITÜ-Maßnahmen für die ei-
gene Organisation oder im Rahmen von Amts- oder Organhilfe für welche
anderen Behörden besteht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9186
 

13. In welchem Umfang (Datenvolumen) und wie oft haben Behörden des Bun-
des in den vergangenen fünf Jahren jeweils aufgezeichnete verschlüsselte
Kommunikation zur Entschlüsselung an ausländische Stellen abgegeben,
und
a) welche Vereinbarungen existieren hierzu mit welchen ausländischen Stel-

len,
b) mit welchen ausländischen Stellen existiert hierzu eine ständige Übung

ohne schriftliche Vereinbarung,
c) wie wurde in den Fällen, in denen verschlüsselte Kommunikationsdaten

an ausländische Stellen zur Auswertung gegeben wurden, von dieser
Stelle nach Entschlüsselung jeweils mit den Rohdaten und den entschlüs-
selten Daten verfahren?

14. Werden TKÜ-Maßnahmen von BKA und Bundespolizei nach aktuellem
Stand allein durch das „Servicezentrum Telekommunikationsüberwachung“
(SC-TKÜ) beim Bundesverwaltungsamt durchgeführt?
a) Wenn nein, in welchem Verhältnis stehen durch das SC-TKÜ und durch

die beiden genannten Behörden selbst durchgeführte TKÜ-Maßnahmen
über den Zeitraum der vergangenen zwei Jahre?

b) Welche weiteren Behörden wickeln TKÜ-Maßnahmen über das SC-TKÜ
beim BVA ab?

c) Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Rechtsposition fest, dass es
zur Bündelung der TKÜ beim SC-TKÜ keiner eigenen Rechtsgrundlage
bedürfe (vgl. 23. Tätigkeitsbereicht des Bundesbeauftragten für den Da-
tenschutz, S. 157), und mit welchen Argumenten?

d) Wie werden die für die unterschiedlichen Bedarfsträger und auf unter-
schiedlicher Rechtsgrundlage durch das SC-TKÜ erhobenen Daten tech-
nisch voneinander getrennt aufbewahrt?

e) Erfolgt die Auswertung der überwachten Kommunikationsvorgänge aus-
schließlich durch die jeweilige Überwachung veranlassenden Behörden
des Bundes oder durch SC-TKÜ?

f) Werden die durch das SC-TKÜ erhobenen Daten unmittelbar nach Abruf
durch die Bedarfsträger gelöscht, und wenn nein, wie lange, und zu wel-
chem Zweck verbleiben sie beim BVA?

15. In welchem Umfang hat die Bundespolizei in den Jahren 2011 bis 2016 je-
weils
a) im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung nach § 10 Absatz 1 Nummer 1 des

Bundespolizeigesetzes (BPolG) den Betrieb von Funkanlagen durch
fremde Nachrichtendienste oder vom Bundesamt für Verfassungsschutz
beobachtete Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen erfasst (Zahl
der Anlagen),

b) im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung nach § 10 Absatz 1 Nummer 2
BPolG Funkverkehre fremder Nachrichtendienste oder der vom Bundes-
amt für Verfassungsschutz beobachteten Personenzusammenschlüsse und
Einzelpersonen ausgewertet (erfasstes und ausgewertetes Datenvolumen),

c) im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung nach § 10 Absatz 1 Nummer 3
BPolG Unterlagen, Geräte und Aufzeichnungen fremder Nachrichten-
dienste oder der vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachteten
Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen funkbetrieblich ausge-
wertet (Zahl der ausgewerteten Asservate),

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d) Personenmannstunden für die in den Fragen 15a bis 15c bezeichneten
Aufgaben aufgewendet,

e) Sachkosten für die in den Fragen 15a bis 15c bezeichneten Aufgaben auf-
gewendet?

16. Was ist der Bundesregierung zum Stand der Überlegungen der Länder be-
kannt, gemeinsame Zentren im Bereich der TKÜ zu schaffen?

Berlin, den 7. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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