BT-Drucksache 18/9173

Abschiebungen im ersten Halbjahr 2016

Vom 13. Juli 2016


 

Deutscher Bundestag Drucksache 18/9173
18. Wahlperiode 13.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Frank Tempel, Sevim Dağdelen,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Abschiebungen im ersten Halbjahr 2016

Nachdem die Zahl der Abschiebungen von 9 617 im Jahr 2007 auf 7 651 im Jahr
2012 gesunken ist, steigt sie seit dem Jahr 2013 – auch infolge gestiegener Asyl-
zahlen – wieder deutlich an. Im Jahr 2014 gab es 10 884 Abschiebungen, 2015
waren es bereits 20 888 (vgl. die Antworten der Bundesregierung auf regelmäßige
Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE., zuletzt auf Bundestagsdrucksache
18/7588). Hinzu kamen 1 481 Zurückschiebungen (innerhalb von sechs Monaten
nach unerlaubter Einreise) und 8 913 Zurückweisungen (direkt an der Grenze, im
Regelfall auf den Flughäfen, nach Einführung von EU-Binnengrenzkontrollen je-
doch auch vermehrt an den Landesgrenzen).
Vor allem Menschen aus den Westbalkanländern Kosovo, Serbien, Albanien,
Mazedonien und Bosnien-Herzegowina waren von Abschiebungen betroffen. Zu-
gleich gab es 3 597 Abschiebungen (Überstellungen) in andere EU- bzw. Schen-
gen-Mitgliedstaaten im Rahmen der EU-Dublin-Verordnung.
Die Zahl der freiwilligen Ausreisen von Ausreisepflichtigen ist größer als die
Zahl der Abschiebungen. Zwar wird diese Angabe statistisch nicht verlässlich er-
fasst (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5862, Frage 29), für das Jahr 2015 gibt die
Bundesregierung jedoch 37 220 durch Bund-Länder-Programme (REAG/GARP)
geförderte freiwillige Ausreisen an (2014: 13 636, Bundestagsdrucksache 18/7588,
Frage 22). Hinzu kommen durch die Bundesländer geförderte freiwillige Ausrei-
sen (2014: 9 400), bei denen es jedoch zu Überschneidungen mit den Bund-Län-
der-Programmen kommen kann (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5862, Frage 29).
Die Bundesregierung erläutert, dass es „eine größere Anzahl“ geförderter freiwil-
liger Ausreisen gebe als aus dem Ausländerzentralregister (AZR) ermittelbar,
weil bei Betroffenen eine Ausreisepflicht noch nicht eingetreten oder noch nicht
im AZR erfasst sein kann (ebd.). Ausreisen von ausreisepflichtigen Personen
ohne Förderung werden nicht erfasst (ebd.).
Aus dem AZR ergibt sich, dass im Jahr 2015 insgesamt 51 575 (in 2015 und den
Jahren zuvor) abgelehnte Asylsuchende „ausgereist“ sind und sich nicht mehr in
Deutschland aufhalten (Bundestagsdrucksache 18/7588, Frage 21) – hierbei wer-
den allerdings auch abgeschobene Personen mitgezählt.
Nach Angaben der Bundespolizei (dpa vom 6. Juli 2016) reisten über den Flug-
hafen Frankfurt a. M. in den ersten drei Monaten des Jahres 2016 6 000 so ge-
nannte „illegale Einwanderer“ „freiwillig“ aus (15 000 seien es im Jahr 2016 ge-
wesen).
Sollten die Daten zu Abschiebungen für das erste Halbjahr 2016 noch nicht vor-
liegen, wird um eine entsprechend spätere Beantwortung gebeten.

Drucksache 18/9173 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Abschiebungen auf dem Luftweg wurden im ersten Halbjahr 2016

von deutschen Flughäfen aus durchgeführt (bitte nach Flughäfen, Ziellän-
dern und Staatsangehörigkeit der Betroffenen aufschlüsseln sowie noch ein-
mal gesondert die Zahl der Abschiebungen in EU-Mitgliedstaaten bzw.
Schengen-Staaten nennen)?

2. Wie viele Abschiebungen in welche Länder erfolgten im ersten Halbjahr
2016 auf dem Land- bzw. Seeweg (bitte nach Zielländern und Staatsangehö-
rigkeit der Betroffenen aufschlüsseln und gesondert die Zahl der Abschie-
bungen in EU-Mitgliedstaaten bzw. Schengen-Staaten nennen)?

3. Wie viele Überstellungen erfolgten im ersten Halbjahr 2016 in andere Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union bzw. Schengen-Staaten im Rahmen der
Dublin-Verordnung (bitte nach Zielstaaten und den zehn wichtigsten Staats-
angehörigkeiten differenzieren und die jeweilige Zahl der Minderjährigen
nennen)?

4. Wie viele Zurückweisungen und Zurückschiebungen fanden im ersten Halb-
jahr 2016 an deutschen Flughäfen statt (bitte nach Flughäfen, Zielstaaten und
Staatsangehörigkeit der Betroffenen aufschlüsseln)?

5. Wie viele Zurückweisungen und Zurückschiebungen fanden im ersten Halb-
jahr 2016 an den Land- bzw. Seegrenzen statt (bitte nach Landesgrenzen
bzw. Bundespolizeipräsidien und Herkunftsländern aufschlüsseln)?

6. Wie viele Minderjährige und wie viele unbegleitete Minderjährige waren von
Abschiebungen, Zurückschiebungen bzw. Zurückweisungen im ersten Halb-
jahr 2016 betroffen, und wie viele unbegleitete Minderjährige wurden an den
Außengrenzen festgestellt (bitte nach Feststellungen an Grenzen und Fest-
stellungen nach Staatsangehörigkeit auflisten), und wie viele von ihnen wur-
den in die Obhut der Jugendämter gegeben?

7. Was waren die Gründe der Einreiseverweigerungen/Zurückweisungen im
ersten Halbjahr 2016 (bitte nach Zurückweisungsgrund und den zehn wich-
tigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren und wie auf Bundestagsdruck-
sache 18/7588 zu Frage 8 darstellen)?

8. In welcher Zuständigkeit erfolgten die Abschiebungen, Zurückweisungen
und Zurückschiebungen im ersten Halbjahr 2016 bzw. wer hat sie veranlasst
(bitte jeweils nach Bund und den einzelnen Bundesländern differenzieren)?

9. In wie vielen Fällen wurden im ersten Halbjahr 2016 Zwangsgelder gegen
Beförderungsunternehmen nach § 63 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
verhängt, wie hoch war die Gesamtsumme, wie hoch die durchschnittliche
Summe pro Beförderungsunternehmen (bitte auch differenzieren nach: Flug-
gesellschaft, Bus- und Bahnunternehmen, Taxis usw.)?

10. Wie viele Personen wurden im ersten Halbjahr 2016 im Zuge von so genann-
ten Sammelabschiebungen entweder direkt in ihr Herkunftsland bzw. über
Flughäfen anderer Mitgliedstaaten in ihr Herkunftsland abgeschoben (bitte
nach Sammelabschiebungen der Europäischen Union bzw. in nationaler bzw.
Länderzuständigkeit differenzieren und einzeln aufführen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9173
 

 

11. An welchen gemeinsamen Abschiebemaßnahmen von FRONTEX hat sich
Deutschland im ersten Halbjahr 2016 beteiligt, welches Zielland hatten diese
Maßnahmen jeweils und
a) bei welchem Staat (für Deutschland: Behörde) lag jeweils die Federfüh-

rung für die Abschiebemaßnahme, welche Bundesländer waren von deut-
scher Seite darüber hinaus beteiligt,

b) welche Fluggesellschaften wurden mit der Durchführung der Flüge be-
auftragt, von welchen deutschen Flughäfen starteten sie bzw. machten sie
eine Zwischenlandung,

c) wie hoch waren die Kosten der Flüge jeweils, und wer hat die Kosten
getragen,

d) wie viele Personen aus welchen Herkunftsstaaten wurden bei den Ab-
schiebemaßnahmen aus Deutschland jeweils abgeschoben,

e) wie viele Bundesbeamte wurden als Begleitpersonal auf diesen Flügen
jeweils eingesetzt?

12. Wie viele der Abschiebungen im ersten Halbjahr 2016 erfolgten
a) unbegleitet,
b) in Begleitung von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei,
c) in Begleitung von Beamtinnen und Beamten der Länderpolizeien oder an-

derer Länderbehörden,
d) in Begleitung von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten anderer

Mitgliedstaaten,
e) in Begleitung von Sicherheitskräften der Zielstaaten (bitte nach Zielstaa-

ten aufschlüsseln),
f) in Begleitung von Sicherheitskräften der Luftverkehrsgesellschaften

(bitte nach Fluggesellschaften aufschlüsseln),
g) in Begleitung von medizinischem Personal?

13. Wie viele Abschiebungsversuche mussten im ersten Halbjahr 2016 aufgrund
von Widerstandshandlungen der/des Betroffenen abgebrochen werden (bitte
nach Flughafen und Staatsangehörigkeiten der Betroffenen aufschlüsseln)?

14. Wie viele Abschiebungen auf dem Luftweg mussten im ersten Halbjahr 2016
wegen medizinischer Bedenken abgebrochen werden (bitte nach Flughafen
und Staatsangehörigkeiten der Betroffenen und den medizinischen Gründen
aufschlüsseln)?

15. Wie viele Abschiebungsversuche mussten im ersten Halbjahr 2016 abgebro-
chen werden, weil sich die Fluggesellschaft oder der Flugzeugführer weiger-
ten, die Personen, die zur Abschiebung anstanden, zu transportieren (bitte
nach Datum, Flughafen und der jeweiligen Fluggesellschaft aufschlüsseln)?

16. Wie viele Abschiebungen scheiterten im ersten Halbjahr 2016 an der Weige-
rung der Zielstaaten, die Abgeschobenen aufzunehmen (bitte nach Zielstaa-
ten differenzieren)?

17. Welche Kosten sind dem Bund im ersten Halbjahr 2016 durch die Sicher-
heitsbegleitung entstanden (bitte so genau wie möglich differenzieren)?

Drucksache 18/9173 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

18. Wie viele Ausreiseentscheidungen gegenüber Drittstaatsangehörigen bzw.
EU-Angehörigen bzw. gegenüber abgelehnten Asylsuchenden (bitte diffe-
renzieren, auch nach den jeweils 15 wichtigsten Herkunftsländern und den
Bundesländern) wurden im ersten Halbjahr 2016 erlassen, und wie viele Aus-
reisen von Drittstaatsangehörigen bzw. EU-Angehörigen bzw. abgelehnten
Asylsuchenden gab es im ersten Halbjahr 2016 (bitte differenzieren, auch
nach den jeweils 15 wichtigsten Herkunftsländern und den Bundesländern
und jeweils angeben, wie viele der jeweils ausgereisten Personen abgescho-
ben wurden)?

19. Wie viele nichtaufhältige Personen mit abgelehntem Asylantrag und Aus-
reise im ersten Halbjahr 2016 sind im Ausländerzentralregister erfasst (bitte
nach Jahr der Asyl-Ablehnung, Bundesländern und den 15 wichtigsten Her-
kunftsländern differenzieren)?

20. Wie viele ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige haben Deutschland im
ersten Halbjahr 2016 freiwillig verlassen, wie viele Ausreisen davon wurden
finanziell gefördert, und welche Angaben kann die Bundesregierung zur Zahl
der von den Bundesländern (hier bitte auch Angaben für das Jahr 2015 ma-
chen) geförderten freiwilligen Ausreisen machen (bitte jeweils nach den 15
wichtigsten Herkunftsstaaten und den Bundesländern differenziert ange-
ben)?

21. Welche Angaben kann die Bundespolizei zu den freiwilligen Ausreisen „il-
legaler Einwanderer“ machen (dpa vom 6. Juli 2016), die über den Flughafen
Frankfurt a. M. oder auch über andere Flughäfen bislang im Jahr 2016
Deutschland verlassen haben, und auf welche Personengruppe genau bezieht
sich die Bezeichnung „illegale Einwanderer“?

Berlin, den 12. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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