BT-Drucksache 18/9126

Kalte Enteignung der Sparer stoppen

Vom 8. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9126
18. Wahlperiode 08.07.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte,
Heike Hänsel, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Sevim Dağdelen, Michael
Leutert, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Kalte Enteignung der Sparer stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), maßgeblich
umgesetzt durch den regelmäßigen Ankauf von Anleihen sowie die Absenkung des
Hauptrefinanzierungssatzes auf 0 Prozent und des Einlagesatzes auf -0,4 Prozent,
führt dazu, dass insbesondere Kleinsparer fast keine Zinsen mehr auf ihre Spargut-
haben erhalten. Oft liegt inzwischen der Zinssatz auf Sparguthaben unter der Infla-
tionsrate. Im Ergebnis sinkt dann der reale Wert der Sparguthaben.
Eine Berechnung der DZ Bank kommt zu dem Ergebnis, dass Sparerinnen und Spa-
rer in Deutschland durch die Niedrigzinspolitik seit 2010 rund 200 Milliarden Euro
eingebüßt haben. Demnach hätten deutsche Haushalte seit 2010 geringere Zinsein-
nahmen bei Tagesgeldkonten, Wertpapieren und Versicherungen in Höhe von
343 Milliarden Euro gehabt. Diesen Einbußen stünden lediglich geringere Zinsaus-
gaben in der Höhe von 144 Milliarden Euro gegenüber, wie zum Beispiel durch
niedrigere Zinsen auf Immobilienkredite (vgl. Die Welt vom 10.04.2016).
Die Niedrigzinspolitik der EZB kommt daher einer regelrechten Enteignung von
Sparern in Deutschland gleich. Insbesondere Kleinsparer sind von den Verlusten be-
troffen, weil sie überproportional häufig das sichere Sparbuch als Anlageform wäh-
len und mit ihren geringen Sparbeträgen nicht an den Finanzmärkten spekulieren.
Potentiell betroffen sind ebenfalls die Lebensversicherungen in Deutschland. Die am
Ende der Laufzeit ausgezahlten Summen liegen teilweise jetzt schon um bis zur
Hälfte niedriger als die bei Vertragsabschluss kalkulierten Beträge (vgl. Pressemit-
teilung Stiftung Warentest vom 18.01.2016).
Dagegen profitieren die Vermögenden überproportional von der Niedrigzinspolitik,
weil Börsenkurse, Immobilien- und Mietpreise künstlich in die Höhe getrieben wer-
den. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schreibt über die Verteilungs-
wirkung der Anleihekäufe: „Das Anleihekaufprogramm führt mutmaßlich zu stei-
genden Vermögenspreisen, von denen vor allem wohlhabende Haushalte profitieren.
Dies dürfte unmittelbar zu einer Zunahme der Vermögensungleichheit führen“
(DIW, Wochenbericht 7-2016). Die Niedrigzinspolitik der EZB verstärkt damit die
seit Jahren laufende massive Umverteilungspolitik von unten nach oben. Und durch
den Kauf von Unternehmensanleihen durch die EZB werden nun sogar auch noch
die Profite privater Großkonzerne durch eine künstliche Senkung ihrer Finanzie-
rungskosten gesteigert.

Drucksache 18/9126 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Gleichzeitig ist die EZB nicht in der Lage, mit ihrer Politik ihr selbstgesetztes Ziel,
eine Zunahme der Verbraucherpreise knapp unter zwei Prozent pro Jahr zu errei-
chen. Die deflationäre Krise kann nicht durch eine von der EZB initiierte Geld-
schwemme bei Banken und auf den Finanzmärkten beendet werden. Um der Defla-
tion erfolgreich entgegen zu wirken, müssen stattdessen Investitionen, Löhne und
Renten stärker steigen, damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Massenkauf-
kraft ausreichend zunimmt. Notwendig ist dafür ein öffentliches Investitions- und
Ausgabenprogramm für den sozial-ökologischen Umbau. Würde mithilfe der ge-
nannten Maßnahmen die deflationäre Krise überwunden werden, wäre auch der
Grund für die Niedrigzinspolitik der EZB entfallen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) sich für ein Ende der Kürzungs- und Austeritätspolitik und stattdessen für eine
Steigerung von Löhnen und Renten in Europa einzusetzen;

b) sich für ein EU-weit koordiniertes öffentliches, sozial-ökologisches Investiti-
onsprogramm und eine Stärkung des Sozialstaates in allen Ländern einzusetzen,
um Armut und Erwerbslosigkeit abzubauen;

c) sich dafür einzusetzen, dass dafür zur Anschubfinanzierung EZB-Kredite zum
Hauptrefinanzierungssatz von zur Zeit Null Prozent eingesetzt werden, anstatt
Zentralbankgeld wie aktuell zum Kauf von Kreditderivaten, Unternehmensan-
leihen und anderen Wertpapieren auszugeben und damit immer größere Blasen
auf den Finanzmärkten zu erzeugen;

d) sich dafür einzusetzen, dass mittelfristig die öffentlichen, sozial-ökologischen
Investitionsprogramme und die Stärkung des Sozialstaates in den EU-Ländern
durch Millionärssteuern finanziert werden, in Deutschland maßgeblich durch
die Einführung einer fünfprozentigen Steuer auf Vermögen oberhalb von ei-
ner Million Euro.

Berlin, den 8. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.