BT-Drucksache 18/9118

Atomtransporte mit Plutonium in die USA über Nordenham

Vom 27. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9118
18. Wahlperiode 27.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Herbert Behrens,
Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Jutta Krellmann, Birgit Menz, Niema Movassat,
Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler, Pia Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Atomtransporte mit Plutonium in die USA über Nordenham

Ende Januar 2016 haben laut Medienberichten Atomtransporte mit Plutonium aus
der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland über den Hafen von Norden-
ham in die USA stattgefunden. Demnach wurde Plutonium in zwei Transportern
auf der Straße aus der Schweiz und ein weiterer Transport auf der Straße aus
Deutschland nach Nordenham zum Weitertransport per Schiff in die USA ge-
bracht.
Die Transporte fanden offenbar unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt,
wie den Medienberichten zu entnehmen ist. Am 11. Mai 2016 berichtete die
„Kreiszeitung Wesermarsch“ davon, dass offenbar „Bewohner im Bereich Deich-
gräfenstraße und Hafenstraße in Nordenham während des Transports am Verlas-
sen der Wohnung gehindert wurden“.
In den USA wird dieses Plutonium offenbar zur Savannah River Site (SRS) ge-
bracht und soll nach Informationen der Fragesteller später entweder in sogenann-
ten Mischoxid-Brennelementen (Mischoxid – MOX) in den Atomkraftwerken in
den USA eingesetzt oder endgelagert werden.
Allerdings ist derzeit offenbar unklar, ob und wann die im Bau befindliche MOX-
Fertigungsanlage fertiggestellt wird. Außerdem sollen die Atomkraftwerke be-
treibenden Unternehmen in den USA kein Interesse am Einsatz dieser besonderen
Brennelemente haben, da dies mit zusätzlichem Aufwand und auch technischen
Anforderungen verbunden wäre.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wer waren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Ablieferer des

Plutoniums (bitte genauen Ort und Unternehmen angeben)?
2. Welche exakte Menge (in Gramm) welcher Kernbrennstoffe in welchem ge-

nauen Zustand (Pulver, Pallets etc.) ist nach Kenntnis der Bundesregierung
jeweils aus der Schweiz und aus Deutschland transportiert worden?

3. Auf welche Weise und wo ist der jetzt transportierte Kernbrennstoff nach
Kenntnis der Bundesregierung jeweils in der Schweiz und in Deutschland
ursprünglich erzeugt worden (bitte genaue Angabe, wie sich die Gesamt-
menge bei unterschiedlicher Herkunft jeweils zusammensetzt)?

Drucksache 18/9118 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Wann sind die jetzt transportierten Kernbrennstoffe nach Kenntnis der Bun-
desregierung entstanden, und seit wann lagerten sie jeweils am Ort des aktu-
ellen Ablieferers?

5. Wo haben diese Kernbrennstoffe nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils
möglicherweise schon vorher gelagert?

6. Welche Forschungsarbeiten aus welchem Anlass und zu welchen Zwecken
haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Einzelnen mit diesen jetzt
transportierten Materialien bei den Ablieferern oder in (welchen) Anlagen
zuvor jeweils stattgefunden oder resultieren aus ihnen (bitte die jeweiligen
Forschungsprojekte jeweils einzeln mit Titel und Datum auflisten)?

7. Aus welchen Gründen wurde dieses Material nach Kenntnis der Bundesre-
gierung aus der Schweiz und Deutschland jeweils in die USA transportiert?

8. Wann und unter Beteiligung welcher Akteure (Behörden, Staaten) haben
nach Kenntnis der Bundesregierung Gespräche über einen Transport dieser
Materialien in die USA jeweils stattgefunden?

9. Von welcher Seite ging nach Kenntnis der Bundesregierung die Initiative
aus, diese Kernbrennstoffe aus der Schweiz und aus Deutschland in die USA
zu bringen?

10. Wann sind nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Genehmigungs-
anträge bei welchen Stellen beantragt worden, und wann erfolgte die Geneh-
migung mit welchen Auflagen und Besonderheiten gegenüber niedrig ange-
reichertem Uran?

11. Welche Behälter und welche Fahrzeuge von welchem Unternehmen bzw.
Dienstleister sind für die Transporte nach Kenntnis der Bundesregierung je-
weils eingesetzt worden, und wodurch unterscheiden sich sowohl die Behäl-
ter als auch die eingesetzten Transporter in ihrer Art gegenüber denen bei
Transport von niedrig angereichertem Uran?

12. Welche Besonderheiten gegenüber Transporten mit niedrig angereichertem
Uran sind bei diesen Plutonium-Transporten chemisch, radiologisch und un-
ter Sicherungsaspekten bedeutsam?

13. Wann genau erfolgte nach Kenntnis der Bundesregierung der Transport je-
weils ab der Anlage in Deutschland und der Schweiz (bitte Datum und Uhr-
zeit angeben)?

14. Wo und wann haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die beiden
Transporte in Deutschland zur gemeinsamen Weiterfahrt getroffen?

15. Wann trafen die Transporte nach Kenntnis der Bundesregierung in Norden-
ham ein?
Hatten sie dort einen Aufenthalt?
Wenn ja, wie lange?
Wann fand mit welchem Schiff der Weitertransport statt?

16. Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung Besonderheiten beim Transport-
ablauf gegeben, wenn ja, welche, und welcher der Transporte war davon be-
troffen (technische Probleme, andere Ereignisse)?

17. Wie viele Polizeibeamte waren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils
in den durchfahrenen Bundesländern im Zusammenhang mit der Sicherung
dieser Transporte beteiligt (bitte getrennt nach Landespolizei und Bundespo-
lizei angeben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9118
 

18. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Angaben der „Kreiszeitung
Wesermarsch“ vom 11. Mai 2016 zu, dass Anwohnern der Transportstrecke
das Verlassen der Wohnung verweigert wurde?
Wenn ja, wer hat das nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils auf welcher
rechtlichen Grundlage angeordnet?
Warum war das nach Kenntnis der Bundesregierung erforderlich, und in wie
vielen Fällen, und an welchen Orten?

19. Wurde außerdem Personen der Zugang zu ihren Wohnungen bzw. in den Be-
reich der Transportstrecken nach Kenntnis der Bundesregierung verweigert?
Wenn ja, wer hat das nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils auf welcher
rechtlichen Grundlage angeordnet, warum war das jeweils erforderlich, und
in wie vielen Fällen, und an welchen Orten?

20. Welchen zeitlichen Umfang hatten die in den Fragen 18 und 19 genannten
Beschränkungen nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils?

21. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass bei der Durchfüh-
rung dieser Atomtransporte die sonst übliche „48-Stunden-Vorabmeldung“
nicht erfolgte?
Wenn ja, warum ist diese Meldung unterblieben?

22. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Informationen von Radio
Bremen (www.radiobremen.de, „Gefahrenguttransport auf der Weser – Ra-
dioaktives Material in Nordenham verladen“) zu, dass es zu einem „techni-
schen Defekt an einem Lastwagen“ kam und deshalb die „Bundestraße zwi-
schen Oldenburg und Brake vorübergehend gesperrt“ wurde?
Wenn ja, was genau war dieser Defekt?
Wo genau erfolgte die Sperrung?
Wie und mit welcher Unterstützung von Dritten wurde dieser Defekt besei-
tigt?
Wie lange dauerte diese Unterbrechung des Transports?

23. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Informationen von „Mittel-
hessen.de“ (www.mittelhessen.de, „Atomtransport auf der A 45 – VER-
KEHR – Großes Polizeiaufgebot sichert ‚Wagenburg‘ auf der Raststätte Sie-
gerland Ost“) zu, dass „drei gepanzerte Atomtransporter“ auf einem Park-
platz der Autobahnrastanlage Siegerland Ost an der A 45 haltgemacht haben
und dabei „30 Einsatztransporter und eine zweistellige Zahl an Zivilfahrzeu-
gen“ beteiligt waren, die die Transportfahrzeuge mit einer Art „Wagenburg“
aus Polizeiautos abgeschirmt haben und dabei die „Annäherung an die die
Fahrzeuge […] von Einsatzkräften der Polizei mit Nachdruck unterbunden“
wurde?

24. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für die
Durchführung der Atomtransporte insgesamt und je anteilig für die beiden
Transporte aus der Schweiz und aus Karlsruhe bis zur Ablieferung in die
USA, und wer hat diese jeweils zu tragen?

25. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für die Si-
cherung dieser Atomtransporte in der Bundesrepublik Deutschland?
Wer sind jeweils die Kostenträger?

26. Wohin genau ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Material in den
USA transportiert worden?
Welche Institution resp. Behörde ist in den USA nach Kenntnis der Bundes-
regierung dafür nun verantwortlich?

Drucksache 18/9118 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

27. Was genau soll mit dem Material nach Kenntnis der Bundesregierung in den
USA geschehen, und wie ist dabei sichergestellt, dass es in den USA nicht
im Atomwaffenprogramm eingesetzt wird?

28. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den weiteren Umgang in
den USA mit den angelieferten Materialien hinsichtlich des MOX-Pfades
oder einer „Endlagerung“?

29. Lagert in der Bundesrepublik Deutschland derzeit noch Plutonium in der
Verfügung der Bundesrepublik Deutschland oder anderer Staaten?
Wenn ja, wo, aus welchen Gründen, und wer genau verfügt darüber, und was
soll mit diesem Material künftig geschehen?

Berlin, den 24. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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