BT-Drucksache 18/906

Bedrohungen und Gewalttaten gegen Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter durch Neonazis

Vom 21. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/906
18. Wahlperiode 21.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Ulla Jelpke, Petra Pau, Harald Petzold
(Havelland), Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Bedrohungen und Gewalttaten gegen Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter
durch Neonazis

Immer wieder kommt es im Rahmen von Strafverfahren gegen Neonazis zu Be-
drohungen der extremen Rechten gegen Polizisten, Staatsanwälte und Juristen.
Die Strafverfolger und die Juristen werden dabei als Vertreter des demokrati-
schen Rechtsstaats zur Zielscheibe von persönlichen Bedrohungen über Inter-
net-Hetzartikel bis hin zu Gewalttaten und Tötungsdelikten – wie dem Mord an
dem Polizeibeamten Stefan Grage durch den Berliner Neonazi K. D. am
23. Februar 1997 in Schleswig-Holstein (www.tagesspiegel.de/politik/rechts-
extremismus/toedlicher-hass-149-todesopfer-rechter-gewalt-seite-8/1934424-8.
html), den Morden an den Polizeibeamten Yvonne Hachtkemper, Thomas
Goretzky und Matthias Larisch von Woitowitz durch den Neonazi M. B. am
14. Juni 2000 in Dortmund (www.tagesspiegel.de/politik/ rechtsextremismus/
toedlicher-hass-149-todesopfer-rechter-gewalt-seite-11/1934424-11.html) und
dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter mutmaßlich durch den „Na-
tionalsozialistischen Untergrund“. Zuletzt berichtete das „Göttinger Tageblatt“
unter der Überschrift „Richter zweifelt an Rechtsstaat: Verfassungsschutz finan-
zierte mehrfach verurteilten Neonazi“ vom 2. März 2014 über die Bedrohung
des Direktors des Amtsgerichts von Hannoversch Münden durch den mehrfach
verurteilten Neonazi M. v. D. (ehemals M. S.) im April 2002 (www.goettinger-
tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Verfassungsschutz-finanzierte-
mehrfach-verurteilten-Muendener-Neonazi).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Gewalttaten von polizeibekannten und/oder bei den Verfassungs-

schutzämtern bekannten Neonazis wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung gegen Polizistinnen und Polizisten, Staatsanwältinnen und Staatsan-
wälte sowie Richterinnen und Richter im Zeitraum vom Januar 2000 bis zum
Dezember 2013 verübt (bitte nach Bundesländern, Ort, Datum, Delikt, Poli-
zeibeamte, Staatsanwälte und Richter aufschlüsseln)?

2. Wie viele vollendete und versuchte Tötungsdelikte gegen Polizeibeamte
durch polizeibekannte und/oder den Verfassungsschutzämtern bekannte Neo-
nazis hat die Bundesregierung seit 1990 registriert (bitte nach Bundeslän-
dern, Ort, Datum, Delikt aufschlüsseln)?

3. Welche der vollendeten und versuchten Tötungsdelikte gegen Polizeibeamte
durch polizeibekannte und/oder Verfassungsschutzämtern bekannte Neona-
zis hat die Bundesregierung als „politisch motiviert rechts“ eingestuft (bitte
nach Bundesländern, Ort, Datum, Delikt aufschlüsseln)?

Drucksache 18/906 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie viele Bedrohungen und Körperverletzungsdelikte gegen Staatsanwäl-
tinnen und Staatsanwälte durch polizeibekannte und/oder den Verfassungs-
schutzämtern bekannte Neonazis hat das Bundeskriminalamt (BKA)
bzw. das Bundesministerium des Innern (BMI) seit dem Jahr 2000 bis Ende
des Jahres 2013 registriert (bitte nach Bundesländern, Ort, Datum, Delikt
aufschlüsseln)?

5. Wie viele Bedrohungen und Körperverletzungsdelikte gegen Staatsanwäl-
tinnen und Staatsanwälte durch polizeibekannte und/oder den Verfassungs-
schutzämtern bekannte Neonazis hat das BKA bzw. das BMI seit dem Jahr
2000 bis Ende des Jahres 2013 als „politisch rechts motiviert“ bewertet
(bitte nach Bundesländern, Ort, Datum, Delikt aufschlüsseln)?

6. In wie vielen Fällen waren nach Kenntnis des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz (BfV) seit dem Jahr 1998 neonazistische V-Leute des BfV bzw.
der Landesämter an Bedrohungen, Körperverletzungs- und anderen Gewalt-
delikten gegen Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter beteiligt bzw. ha-
ben dazu aufgerufen (bitte nach Bundesländern, Ort, Datum, Delikt auf-
schlüsseln)?

7. Wann hatte das BfV erstmals Kenntnis davon, dass M. v. D. wegen der Er-
stellung eines antisemitischen Hetzartikels gegen die damalige US-Außen-
ministerin Madeleine Albright im Herbst des Jahres 2000 in erster Instanz
vom Amtsgericht Hannoversch Münden zu einer dreimonatigen Freiheits-
strafe verurteilt wurde, da er ein Bewährungsversager war?

8. Wann hatte das BfV erstmals Kenntnis davon, dass der beim BfV unter dem
Decknamen „Tarif“ geführte Neonazi und V-Mann M. v. D. (früher: M. S.)
im April des Jahres 2002 im Internet und per Handzetteln zu einer Kundge-
bung „Schluss mit der DNA-Feststellung von Nationalisten – Weg mit Rich-
ter Dr. Kraft“ am 20. April 2002 u. a. vor dem Amtsgericht Hannoversch
Münden und dem Privathaus des Amtsgerichtsdirektors aufgerufen hatte
und gemeinsam mit einem weiteren polizeibekannten Neonazi eine entspre-
chende Kundgebung angemeldet hatte?

9. Hat das BfV Kenntnis davon, dass und inwiefern der V-Mann Führer von
M. v. D. Kenntnis über die von M. v. D. organisierte Kundgebung im Vor-
feld unterrichtet wurde, ob der V-Mann-Führer darüber berichtet hat, und
welche Maßnahmen er daraufhin unternommen hat?

10. Hat das BfV die Anwaltskosten für M. v. D. im Strafverfahren wegen Volks-
verhetzung vor dem Amtsgericht Hannoversch Münden und im Berufungs-
verfahren vor dem Landgericht Göttingen übernommen, unter welchem Ti-
tel werden solche Ausgaben abgerechnet, und wurden diese Ausgaben ge-
gebenenfalls mit den Zuwendungen an den V-Mann verrechnet?

11. Gibt es für die Frage der Übernahme von Anwalts- und Verfahrenskosten
bis hin zu den Geldstrafen selbst Regelungen in den einschlägigen Vor-
schriften zum Führen von V-Leuten?

12. Hat das BfV bei der Zusammenstellung der Akten für den Zweiten Parla-
mentarischen Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages zum NSU physische und auf Datenträgern gespeicherte Akten-
teile und -vermerke zu der Bedrohung des Amtsgerichtsdirektors des Amts-
gerichts Hannoversch Münden durch den V-Mann „Tarif“ aufgefunden, und
wenn ja, wurden diese Akten an das BMI und den Untersuchungsausschuss
übermittelt (bitte unter Angabe des Datums der Aktenübermittlung)?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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