BT-Drucksache 18/9018

Jugendaustausch, Zivilgesellschaft und Visa-Fragen in der deutsch-russischen Zusammenarbeit

Vom 28. Juni 2016


 

Deutscher Bundestag Drucksache 18/9018
18. Wahlperiode 28.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Sevim Dağdelen,
Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Andrej Hunko, Katrin Kunert,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Jugendaustausch, Zivilgesellschaft und Visa-Fragen in der deutsch-russischen
Zusammenarbeit

2012/2013 fand unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ das Deutsch-
landjahr in Russland und parallel das „Russlandjahr in Deutschland“ statt.
2014/2015 folgten das „Jahr der Russischen Sprache und Literatur in Deutsch-
land“ und parallel das „Jahr der Deutschen Sprache und Literatur in Russland“
(siehe auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion
DIE LINKE. „Die deutsch-russischen Kreuzjahre 2012/13 und 2014/15“ vom
16. Juli 2014 auf Bundestagsdrucksache 18/2177 sowie „Entwicklung der
deutsch-russischen Zusammenarbeit“ vom 9. September 2015 auf Bundestags-
drucksache 18/5975).
Am 9. Juni 2016 wurde im Rahmen eines Festaktes in Moskau das Jahr des
deutsch-russischen Jugendaustausches 2016/2017 eröffnet. Zugleich feierten die
Koordinierungsbüros des Jugendaustausches in Deutschland und Russland
ihr zehnjähriges Bestehen. Laut dem am Festakt teilnehmenden Staatssekretär im
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ralf
Kleindiek, gab es im Jahr 2015 insgesamt 600 Begegnungen mit etwa 17 000
Teilnehmern. Die Teilnehmerzahlen seien allerdings rückläufig, da Eltern in
Russland und Deutschland durch die negative Berichterstattung des jeweils ande-
ren Landes verunsichert seien und sich häufig nicht trauten, ihre Kinder an Aus-
tauschprogrammen teilnehmen zu lassen. „Auch das strikte Visaregime behindere
eine Vertiefung zivilgesellschaftlicher Begegnungen“ (siehe HAUPTSTADT-
INSIDER, Ausgabe 20 vom 17. Juni 2016). Aufgerufen wurde, „sozial benach-
teiligte Jugendliche stärker in den Austausch einzubinden sowie Austauschpro-
gramme mit Fokus im Bereich Bildung, Handwerk und Sport zu stärken“
(ebenda).
Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek lobte die Arbeit der Koordinierungsbüros. „Der
deutsch-russische Jugendaustausch ist Gegenwarts- und Zukunftsprojekt zu-
gleich. Was die jungen Menschen heute denken, welches Verständnis sie von der
Welt und vom Miteinander der Staaten, Kulturen und Religionen haben, prägt in
Zukunft unsere Gesellschaften“. In Anbetracht der aktuellen Schwierigkeiten, mit
denen der deutsch-russische Jugendaustausch zu kämpfen habe, versprach er,
dass man an den Problemen intensiv arbeiten werde und prüfen wolle, ob von
Seiten der Bundesregierung mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden können
(siehe www.stiftung-drja.de/de/aktuelles/neuigkeiten/meldungen/2016/6/jubilaeum-
der-koordinierungsbueros.html).

Drucksache 18/9018 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

In der von den Außenministern beider Länder, Sergei Lawrow und Dr. Frank-
Walter Steinmeier, am 23. März 2016 in Moskau unterzeichneten Erklärung heißt
es dazu: „Nur dort, wo Menschen einander kennen und verstehen, können Stere-
otype überwunden werden und Vertrauen und Partnerschaft wachsen.“
Verständigung und Verstehen setzt auch Kenntnisse der Sprache des jeweiligen
Partners voraus. Die Förderung des Spracherwerbs für junge russische und deut-
sche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger stellt eine nicht zu unterschätzende Her-
ausforderung für den Jugendaustausch 2016/2017 dar.
Die seit dem 14. September 2015 für Russland geltende Visa-Informationssystem
(VIS)-Regelung der Europäischen Union für die Einreise ist jedoch ein reales
Hindernis für die Reisefreiheit und Mobilität, insbesondere der russischen Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer am Jugendaustausch und anderer Begegnungen der
Zivilgesellschaft. Dies wurde auch auf der Konferenz zum Thema „Deutsch-Rus-
sische kommunale Partnerschaften – Auf dem Weg von Karlsruhe 2015 nach
Krasnodar 2017“ am 7. Juni 2016 in Moskau deutlich, zu der das Deutsch-Russi-
sche Forum e. V., die Gesellschaftskammer der Russischen Föderation, die Stif-
tung West-Östliche Begegnungen sowie der Bundesverband Deutscher West-
Ost-Gesellschaften e. V. einluden.
Diskussionen und unterschiedliche Berichte in den Medien gibt es auch zu den
Arbeitsmöglichkeiten für Nichtregierungsorganisationen in Russland im Zusam-
menhang mit dem Gesetz zu unerwünschten ausländischen Organisationen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche politisch bedeutsamen Veranstaltungen und Höhepunkte sind im

Jahr des Jugendaustausches 2016/2017 in beiden Ländern geplant, und bei
welchen dieser Veranstaltungen ist auch die Teilnahme von Vertretern der
Bundesregierung bzw. der Russischen Föderation vorgesehen (bitte einzeln
auflisten)?

2. In welchem finanziellen Umfang unterstützen die Bundesregierung sowie die
Regierung der Russischen Föderation das deutsch-russische Jahr des Jugend-
austausches 2016/2017 (bitte hinsichtlich des Bundes nach Jahren und Bun-
desbehörden aufschlüsseln), und inwieweit wurden dafür im Vergleich zu
den Vorjahren und den bestehenden Programmen zusätzliche Mittel zur Ver-
fügung gestellt?

3. Wie ist der jeweilige Anteil bei der Finanzierung zwischen russischer und
deutscher Seite geregelt?

4. Welche Nichtregierungsorganisationen und Institutionen sind nach Kenntnis
der Bundesregierung in die Organisation des deutsch-russischen Jahres des
Jugendaustausches 2016/2017 einbezogen?

5. In welcher Weise sind nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen mit
Behinderungen und ihre Organisationen aus beiden Staaten in die Planung
und Durchführung des Jahres des Jugendaustausches einbezogen, und inwie-
weit werden behindertenbedingte Mehrkosten (zum Beispiel durch Assis-
tenzbedarf) auch bei der Förderung der einzelnen Austauschmaßnahmen be-
rücksichtigt?

6. Welche konkreten Projekte unterstützt bzw. fördert der Bund im Rahmen des
deutsch-russischen Jahres des Jugendaustausches 2016/2017 (bitte einzeln
mit der jeweils zuständigen Bundesbehörde und den zur Verfügung stehen-
den Mitteln des Bundes auflisten)?

7. Inwieweit erfolgten diesbezüglich öffentliche Ausschreibungen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9018
 

 

8. Inwieweit nimmt die Bundesregierung durch ihre Förderpraxis darauf Ein-
fluss, dass mehr sozial benachteiligte Jugendliche stärker in den Austausch
eingebunden und Austauschprogramme mit Fokus im Bereich Bildung,
Handwerk und Sport stärker berücksichtigt werden?

9. Wie haben sich seit dem Jahr 2013 qualitativ und quantitativ der Kinder- und
Jugendaustausch zwischen beiden Staaten und dazu im Vergleich auch der
Jugendaustausch der Bundesrepublik Deutschland mit Tschechien, Polen,
Frankreich sowie den USA entwickelt (bitte die Zahl der Reisenden in beide
Richtungen in den einzelnen Jahren und die dafür vom Bund bereitgestellten
Mittel nennen)?

10. Mit welchen weiteren Staaten findet ein Kinder- und Jugendaustausch mit
Förderung des Bundes statt (bitte die Staaten und die dafür bereitgestellten
Mittel in den Jahren 2015 und 2016 nennen)?

11. Wie viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland haben sich nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 für
Russisch als Fremdsprache entschieden (siehe auch die Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 18/5975), und wie stellen
sich diese Zahlen im Vergleich zu anderen Fremdsprachen dar?

12. Welche Konzepte und Aktivitäten gibt es bei der Bundesregierung zur För-
derung des Interesses am deutschen bzw. russischen Spracherwerb für Schü-
ler und Studierende beider Länder?

13. Schließt das deutsch-russische Jahr des Jugendaustausches 2016/2017 auch
Aktivitäten zur Förderung der deutschen bzw. russischen Sprache als Fremd-
sprache in Russland und Deutschland ein, und wenn ja, welche?

14. Wie viele Schengen-Visa wurden für russische Jugendliche im Alter von 12
bis 17 Jahren seit der VIS-Einführung für Russland am 14. September 2015
ausgestellt, und inwieweit gibt es hier signifikante Veränderungen gegenüber
der Zeit vor dem 14. September 2015?

15. Wie hat sich die VIS-Einführung auf die Visabeantragung und die Visaertei-
lung durch die Bundesrepublik Deutschland bei russischen Staatsbürgerin-
nen und Staatsbürgern ausgewirkt?

16. Wie wirkt sich die VIS-Einführung auf die Zahl der Schul- bzw. Gruppen-
reisen der russischen Jugendlichen nach Deutschland aus?

17. Inwieweit haben die Aktivitäten der Bundesregierung, den Kinder- und Ju-
gendaustausch sowie andere Formen des zivilgesellschaftlichen Austausches
durch Ausschöpfung aller rechtlich möglichen Visaerleichterungen zu ver-
einfachen, gewirkt (siehe auch Antworten der Bundesregierung zu den Fra-
gen 4 bis 6 auf Bundestagsdrucksache 18/5975)?

18. Welche weiteren Aktivitäten zu Erleichterungen der Visaverfahren plant die
Bundesregierung diesbezüglich?
Inwieweit sind Pauschal-Visa bei Gruppenreisen nach französischem Mus-
ter, eine Visafreiheit analog den Regeln für Bürgerinnen und Bürger aus
Moldau oder eine Visafreiheit für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ju-
gendaustausches denkbar und möglich?

19. Gibt es im Zusammenhang mit dem Jahr des deutsch-russischen Jugendaus-
tausches Verhandlungen bzw. Absprachen zwischen beiden Regierungen zur
Erleichterung der Visaverfahren für diese Personengruppen, und wenn ja, mit
welchem Ergebnis?

Drucksache 18/9018 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

20. Wie viele reale Fälle eines „Identitätsdiebstahls“ und/oder einer „fehlerhaf-
ten Identitätsfeststellung“ seitens russischer Jugendlicher im Alter von 12 bis
17 Jahren gab es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010
(bitte nach den einzelnen Jahren aufschlüsseln)?

21. Inwieweit hat die Russische Föderation das Visa-Verfahren für Bürgerinnen
und Bürger der Bundesrepublik Deutschland im Gegenzug gleichermaßen
verschärft?

22. Inwieweit können an dem deutsch-russischen Jahr des Jugendaustausches
2016/2017 und den damit zusammenhängenden deutsch-russischen Aktivi-
täten auch Bürgerinnen und Bürger der Halbinsel Krim als Gastgeber oder
als Gäste in Deutschland teilnehmen?

23. Welche NGO aus Deutschland sind seit Inkrafttreten des „Gesetzes über un-
erwünschte ausländische Organisationen“ in ihrer Tätigkeit eingeschränkt
bzw. wurden für „unerwünscht“ erklärt und mussten ihre Tätigkeit beenden
(bitte die jeweilige NGO nennen)?
Wie hat in diesen Fällen die Bundesregierung darauf reagiert?

24. In welchem Umfang wurden nachfolgende deutsche NGO, Vereine und Stif-
tungen vom Bund in den Jahren 2014, 2015 und 2016 gefördert: das Deutsch-
Russische Forum e. V., die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch
gGmbH, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die Deut-
sche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e. V., die Stiftung
West-Östliche Begegnungen, die Robert Bosch Stiftung GmbH, der Bundes-
verband Deutscher West-Ost-Gesellschaften e. V., der Deutsch-Russische
Austausch e. V., die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V., die
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e. V., das Osteuropa-Institut, die
Stiftung Wissenschaft und Politik, MEMORIAL Deutschland e. V. (bitte
aufgeschlüsselt nach Jahren und NGO die Höhe der Förderung und die je-
weils fördernden Bundesbehörden nennen)?

25. Welche weiteren in Russland tätigen NGO aus Deutschland haben in den
Jahren 2014, 2015 und 2016 Mittel (ab 50 000 Euro) für Projekte und andere
Aktivitäten vom Bund erhalten (bitte die jeweilige NGO, die Maßnahmen
und inhaltlichen Schwerpunkte, die Höhe der Förderung und die jeweilige
Bundesbehörde nennen)?

26. Welche Ergebnisse brachten die Gespräche der Deutsch-Russischen Regie-
rungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen im
Mai 2016 in Omsk?

Berlin, den 28. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.