BT-Drucksache 18/9007

Zeit für mehr - Damit Arbeit gut ins Leben passt

Vom 4. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9007
18. Wahlperiode 04.07.2016
Antrag
der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Elisabeth
Scharfenberg, Beate Walter-Rosenheimer, Ulle Schauws, Brigitte Pothmer,
Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink,
Tabea Rößner, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Doris Wagner,
Kerstin Andreae, Markus Kurth und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zeit für mehr ‒ Damit Arbeit gut ins Leben passt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gehetzt zu sein ist für viele Menschen ein alltägliches Gefühl – unabhängig vom
Alter und in fast jeder Lebenssituation. Die Beschleunigung und Verdichtung hat
unser Leben verändert – das berufliche wie das private. Ein einziges Arbeitszeitmo-
dell reicht unter diesen Bedingungen für eine lebenslange Erwerbsbiographie nicht
mehr aus. Immer wieder gibt es Zeiten im Leben, in denen man beruflich kürzer
treten will oder muss. Hierauf gibt die aktuelle Politik keine Antworten.
In Deutschland muss es Frauen und Männern möglich sein, freier über ihre Zeit ent-
scheiden zu können. Arbeitszeiten sollen so beweglich werden, dass Arbeit und Le-
ben besser zusammenpassen. Die Menschen sollen so leben können, wie sie es sich
wünschen. Wir brauchen eine Arbeitszeitkultur, die zum Familienleben im 21. Jahr-
hundert passt. Ein möglichst selbstbestimmter Umgang mit der eigenen Zeit darf
dabei keine Frage des Einkommens oder des Geschlechts sein.
Wir brauchen nach vorne gewandte, moderne Unternehmen und Betriebe, die für das
21. Jahrhundert aufgestellt sind. Die flexible Vollzeit, das Rückkehrrecht auf Voll-
zeit, mehr Mitbestimmung über Lage und Ort der Arbeit tragen dazu bei, dass Arbeit
über die gesamte Erwerbsbiographie gut ins Leben passt (vgl. BT-Drs. 18/8241).
Darüber hinaus gibt es jedoch Phasen im Leben, in denen mehr Zeitsouveränität al-
leine nicht ausreicht.
Vom Hamsterrad besonders betroffen sind Menschen, die sich um andere kümmern
wie Eltern und pflegende Angehörige. Die „gehetzte Generation“, die „geforderte
Generation“, die „Sandwich-Generation“, die „Rushhour des Lebens“ – das alles
sind geläufige Schlagworte für Menschen, die Pflege oder Sorge für ihre Eltern über-
nehmen oder für die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder verantwortlich sind –
und dies manchmal sogar gleichzeitig. Aber auch Menschen, die sich beruflich wei-
terentwickeln oder „neu erfinden“ möchten, können dies oft aufgrund fehlender Zeit
oder mangelnder Finanzierung nicht realisieren. In diesen Lebensphasen ist eine
zielgerichtete staatliche Unterstützung, die auf der einen Seite die zeitliche Flexibi-
lität ermöglicht und auf der anderen Seite Einkommensverluste abfedert.

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Bisher sorgt das Zusammenspiel von althergebrachter Rollenverteilung, Minijobs,
Ehegattensplitting, beitragsfreier Mitversicherung, nicht bedarfsgerechter Kinderbe-
treuung und zu wenig Tagesbetreuungsangeboten für Pflegebedürftige dafür, dass es
immer noch viel zu oft die Frauen sind, die erziehende und pflegende Tätigkeiten zu
Lasten ihrer eigenen Existenzsicherung übernehmen. Eine moderne Familien- und
Arbeitszeitpolitik ermöglicht Frauen, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten und Män-
nern, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. So könnten mehr Frauen ihre Existenz eigen-
ständig sichern, die Chancen für den beruflichen Aufstieg auch von Müttern würden
steigen und Frauen wären im Alter besser finanziell abgesichert. Außerdem trägt
dies zu einer gleichberechtigten Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen
Frauen und Männern bei.
Mehr Zeitsouveränität und flexiblere Arbeitszeitarrangements brauchen alle Men-
schen, um auf Veränderungen im Leben reagieren zu können. Wer Kinder beim
Großwerden begleitet, braucht eine darüber hinausgehende Unterstützung. Eine
Ausweitung, Verlängerung und Flexibilisierung von Elterngeld und ElterngeldPlus
hin zu einer KinderZeit Plus ist ein wirksames Instrument, Eltern mehr Zeitsouverä-
nität und eine faire Verteilung untereinander zu ermöglichen.
Die Unterstützung und Pflege alter und kranker Menschen ist keine private Aufgabe,
die zurzeit maßgeblich von Frauen geleistet wird, sondern eine gesellschaftliche
Aufgabe. Die Sorge für andere wird in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger.
Wer für Pflegebedürftige Verantwortung übernimmt, hat unsere Wertschätzung und
Unterstützung verdient. Mit der dreimonatigen PflegeZeit Plus, für die es erstmals
eine Lohnersatzleistung geben wird, wird die Übernahme von Verantwortung für
Pflegebedürftige anerkannt. Da die Lohnersatzleistung sich am Einkommen orien-
tiert, wird sie auch für Menschen mit höherem Einkommen – und damit auch für
Männer – zur Option.
Noch immer richten wir unser Arbeitsleben nach den Maßstäben der 60er- und
70er-Jahre des 20. Jahrhunderts ein: Ein Leben lang im gleichen Job, nahezu ohne
Unterbrechungen bis zur Rente. Aber: Statistisch werden wir heute älter als früher
und bleiben länger gesund. Gesellschaft und Arbeitswelt haben sich verändert. Des-
halb wird auch das lebensbegleitende Lernen immer wichtiger. Die BildungsZeit
Plus eröffnet die Kultur der zweiten und dritten Chance. Die meisten Menschen
brauchen Alternativen zum früher verbreiteten gradlinigen Ausbildungs- und Be-
rufsweg – und das soll möglich werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zu einem Gesetz für mehr Zeitsouve-
ränität für Mütter und Väter weiterzuentwickeln, das mehr Zeit für Kinder durch
eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die partnerschaftliche Auf-
teilung von Erwerbs- und Familienarbeit befördert und sich an folgenden Eck-
punkten orientiert:
• Das derzeitige Elterngeld und ElterngeldPlus gehen in der KinderZeit Plus

auf.
• Der Anspruch auf KinderZeit Plus wird auf 24 Monate erhöht – wovon jedem

Elternteil jeweils acht Monate zustehen. Die weiteren acht Monate können
sich die Eltern untereinander aufteilen. Die Eltern können unter Einhaltung
von Ankündigungsfristen die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder
gleichzeitig beziehen. Alleinerziehende haben Anspruch auf die vollen
24 Monate KinderZeit Plus.

• Der bestehende finanzielle „Schonraum“ für Familien im ersten Lebensjahr
soll erhalten bleiben. Daher kann die KinderZeit Plus – wie das bisherige El-
terngeld – im ersten Lebensjahr des Kindes für einen vollständigen Ausstieg
aus der Berufstätigkeit benutzt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9007

• Ab dem ersten Geburtstag des Kindes kann die KinderZeit Plus in Anspruch
genommen werden, wenn der vorherige Stellenumfang um mindestens
20 Prozent reduziert wird und dabei die Erwerbstätigkeit noch mindestens die
Hälfte der tariflichen oder branchenüblichen Wochenarbeitszeit umfasst. Die
Höhe der monatlichen Leistung und die Bezugszeit ändern sich entsprechend.

• Der Bezug der KinderZeit Plus kann unterbrochen werden und der Rahmen
des Bezugszeitraums wird bis zum 14. Geburtstag des Kindes verlängert;

2. das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz zu einem Gesetz für mehr
Zeitsouveränität für berufstätige Pflegende weiterzuentwickeln, das die Verein-
barkeit von Familie und Pflege befördert und sich an folgenden Eckpunkten ori-
entiert:
• Die Einführung einer dreimonatigen PflegeZeit Plus pro zu pflegender Per-

son, die eine Lohnersatzleistung enthält, die wie das Elterngeld berechnet und
aus Steuermitteln finanziert wird.

• Anspruchsberechtigt sind nicht nur Verwandte der Pflegebedürftigen, son-
dern auch Freundinnen/Freunde oder Nachbarinnen/Nachbarn, die Verant-
wortung übernehmen und sich kümmern wollen.

• Anspruchsberechtigt sind alle Erwerbstätigen, auch Selbständige usw.
• Der Anspruch ist nicht an die Betriebsgröße gebunden.
• Die PflegeZeit Plus muss – wie die derzeitige Pflegezeit – zehn Arbeitstage

im Voraus angekündigt werden.
• Zwei Personen können sich die Pflegezeit untereinander aufteilen.
• Das bereits existierende Pflegeunterstützungsgeld wird zukünftig jährlich ge-

währt, kann auch anteilig/tageweise genommen werden;
3. das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz zu einem Gesetz für lebenslanges

Lernen weiterzuentwickeln, das die Vereinbarkeit von Bildung und Beruf für alle
Menschen befördert und sich an folgenden Eckpunkten orientiert:
• Es wird eine BildungsZeit Plus eingeführt.
• Die BildungsZeit Plus wird für alle zertifizierten Fort- und Weiterbildungen

geöffnet, die zu einem anerkannten Abschluss führen.
• Es wird ein individueller Mix aus Darlehen und Zuschuss verankert, mit dem

Menschen, die sich weiterbilden, bei Maßnahmekosten und Lebensunterhalt
sozial gestaffelt unterstützt werden. Dabei gilt der Grundsatz: wer weniger
hat, bekommt mehr.

• Zugangsvoraussetzung ist die Inanspruchnahme einer zertifizierten Bildungs-
beratung.

Berlin, den 7. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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Begründung

Zu 1) KinderZeit Plus – mehr Zeit für Kinder
Jeder Dritte (34 %) hat Probleme, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Das gilt vor allem für Vä-
ter (57 %) sowie in Vollzeit erwerbstätige Mütter (61 %)1. Zudem wünschen sich gut 60 Prozent der Eltern eine
partnerschaftliche Aufteilung der Sorgearbeit. Dies können jedoch nur 14 Prozent der Eltern in ihrem Alltag
auch realisieren2. 48 % der Mütter wünschen sich eine längere Arbeitszeit und 79 % der Väter wünschen sich
mehr Zeit für die Familie. Diese Zahlen machen deutlich, dass die derzeitige Familienpolitik in vielen Bereichen
an den Bedürfnissen der Familien vorbeigeht.
Die Zahlen zeigen auch: Immer mehr Eltern wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Dabei ist es ihnen wichtig,
Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich untereinander aufzuteilen. Diese Ziele unterstützt die KinderZeit
Plus: Das bestehende Elterngeld, der finanzielle „Schonraum“ im ersten Lebensjahr, soll weiterentwickelt und
verlängert werden. Denn die Zeitbedarfe junger Eltern sind nach dem 1. Geburtstag des Kindes keineswegs
verschwunden. Nichtsdestotrotz wollen oder müssen in vielen Familien beide Elternteile wieder berufstätig
sein. Mit der KinderZeit Plus haben Eltern die Möglichkeit zum Beispiel auch wegen der 13-jährigen Tochter
im Job zeitweise kürzerzutreten.
Jedes Elternteil erhält acht Monate Unterstützung – weitere acht Monate können sie sich frei untereinander
aufteilen. Alleinerziehenden stehen die 24 Monate selbstverständlich auch zur Verfügung. Im ersten aufregen-
den und anstrengenden Lebensjahr des Kindes können beide Elternteile – nacheinander oder gleichzeitig – voll-
ständig aus dem Beruf aussteigen. Danach federt die KinderZeit Plus eine Arbeitszeitreduzierung finanziell ab,
damit alle – auch Menschen mit niedrigerem Einkommen – sich eine solche Reduzierung leisten können. Nutzen
Eltern die KinderZeit Plus, um sozialversicherungspflichtig Teilzeit zu arbeiten, verlängert sich die Bezugszeit
entsprechend. Die KinderZeit Plus hilft Eltern zudem, wenn das Kind bei der Ein- oder Umschulung mehr
Aufmerksamkeit braucht. Denn sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes in Anspruch genommen werden.
Die KinderZeit Plus gibt Eltern größere Entscheidungsspielräume, erleichtert Müttern einen schnellen Wieder-
einstieg in den Job oder die Ausbildung und unterstützt eine vollzeitnahe Teilzeit beider Eltern nach dem ersten
Lebensjahr eines Kindes.
Damit Eltern gut mit ihren Kindern leben können, ist neben mehr Zeitsouveränität und einer gezielten finanzi-
ellen Unterstützung auch ein dichteres und v. a. besseres Netz an Betreuungsmöglichkeiten erforderlich, sonst
sind eine Berufstätigkeit und die Sorge für Kinder fast nicht vereinbar. Schon lange ist ein Rechtsanspruch auf
einen Ganztagsplatz in Kita und Tagespflege für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr überfällig.
Außerdem soll durch eine bundesgesetzliche Festschreibung, wie viele Kinder eine Fachkraft betreuen darf,
dafür gesorgt werden, dass Eltern ihre Kinder in Kitas und Kindergärten gut aufgehoben wissen können, weil
die Qualität stimmt. Bei Kindern unter drei Jahren soll eine Fachkraft für höchstens vier Kinder da sein. Für
über Dreijährige soll mindestens eine ausgebildete Bezugsperson für zehn Kinder zur Verfügung stehen. Er-
gänzt werden muss dies durch einen signifikanten Ausbau von Ganztagsschulen, damit die Zeitarrangements
nicht mit der Einschulung zusammenbrechen.

Zu 2) PflegeZeit Plus – mehr Zeit für alte und kranke Menschen
Von den aktuell 2,5 Mio. Pflegebedürftigen mit einer Pflegestufe werden mehr als zwei Drittel (68 Prozent) in
häuslicher Pflege versorgt, in neun von zehn dieser Fälle (92 Prozent, ca. 1,6 Mio. Haushalte) durch die Ange-
hörigen. Zwei Drittel der Pflege wird von Frauen geleistet. Die typische Pflegende ist 61 Jahre alt, verheiratet,
hat zwei erwachsene Kinder, ist nicht berufstätig und pflegt länger als drei Jahre. Die bestehenden Angebote
der Bundesregierung – Pflegezeit und Familienpflegezeit – werden kaum in Anspruch genommen. Im Jahr 2015
wurden lediglich an 242 Personen Darlehen ausgezahlt (vgl. BT-Drs. 18/7322, Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Stand der Umsetzung des Gesetzes zur
besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“).
Wer sich heute entscheidet, pflegebedürftige Angehörige, Nachbarn oder Freunde zu unterstützen, muss dafür
oft für längere Zeit die Berufstätigkeit unterbrechen. Oft ist ein Wiedereinstieg auf demselben Niveau danach
meistens nur schwer möglich. Die Folgen sind Verdienstausfall während der Pflege, ein langfristig geringerer
1 IfD Allensbach 2011: Zweite Akzeptanzanalyse
2 DIW Wochenbericht 46/2013

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Verdienst, geringere Rentenansprüche. Davon sind überwiegend Frauen betroffen. Es muss in Zukunft leichter
werden, die Sorge für einen alten Menschen mit einer Berufstätigkeit zu vereinbaren und Phasen des Komplett-
ausstiegs kurz zu halten.
Die PflegeZeit Plus ermöglicht eine bis zu dreimonatige Freistellung für Menschen, die Verantwortung für
pflegebedürftige Angehörige, Nachbarn oder Freundinnen und Freunde übernehmen: Damit wird ihnen die
Möglichkeit gegeben, sich um die Organisation der Pflege zu kümmern, den Pflegebedarf einzuschätzen, sich
über Leistungsangebote und -ansprüche zu informieren, diese zu beantragen und die jeweils notwendigen Hilfen
zu organisieren. Zum anderen soll die PflegeZeit Plus ausreichend Zeit geben, um einen sterbenden Menschen
in seinen letzten Wochen begleiten und pflegen zu können. Mit einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung –
ähnlich wie beim Elterngeld – soll dies für alle Erwerbstätigen finanziell abgesichert werden, auch für Selbst-
ständige und Beamte. Diese Leistung müssen die Angehörigen – im Gegensatz zu den Darlehen, die das jetzige
(Familien)Pflegezeitgesetz vorsieht – nicht zurückzahlen.
Auch wenn alles gut organisiert ist, kann es für pflegende Angehörige, Nachbarn, Freundinnen oder Freunde,
die berufstätig sind, nötig sein, kurzfristig zu reagieren. Dafür sollen Pflegende sich über die gesamte Dauer der
Pflegedürftigkeit hinweg jährlich bis zu zehn Arbeitstage freistellen lassen können, bei Zahlung einer Lohner-
satzleistung – ähnlich wie Eltern, deren Kind krank ist.
Zur Entlastung pflegender Angehöriger sollen darüber hinaus die Angebote für die Pflegebedürftigen – also
z. B. Beratung und Information, flexible Tages- und Nachtpflege sowie Hol- und Bringdienste – flächendeckend
ausgebaut und kleinteilige Vernetzungsstrukturen in der Beratung und der Pflege selbst gefördert werden. Denn
nur wenn es ausreichend unterstützende und entlastende Angebote für die häusliche Pflege sowie für die Ange-
hörigen gibt, ist es für Menschen möglich, berufstätig zu bleiben, während sie sich um einen pflegebedürftigen
Menschen kümmern.

Zu 3) BildungsZeit Plus – mehr Zeit für Bildung
Für ein erfolgreiches und erfüllendes Arbeitsleben werden auch Weiterbildung und lebenslanges Lernen immer
wichtiger. Digitalisierung, technischer und gesellschaftlicher Fortschritt verändern die Anforderungen im Ar-
beitsalltag rasant. Nur wer sich weiterbildet, hält Schritt, kann beruflich aufsteigen und sich persönlich weiter-
entwickeln. Von Weiterbildung profitieren aber nicht nur die Menschen, sondern auch Gesellschaft und Wirt-
schaft. Eine möglichst hohe Weiterbildungsbeteiligung ist vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft
auch volkswirtschaftlich notwendig, um heute die Fachkräfte von morgen zu sichern und die sozialen Siche-
rungssysteme zukunftsfest zu machen.
Trotz dieser absehbaren positiven Effekte bilden sich längst nicht alle weiter. Die Abhängigkeit des Bildungs-
zugangs in Deutschland von sozialer Herkunft und Status setzt sich bei der Weiterbildung fort. Während Gut-
verdienende und Hochqualifizierte oft Zugang zu betrieblichen Angeboten haben oder die Kosten für ihre Wei-
terbildung selbst tragen können, bleiben andere noch immer außen vor. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer, Geringqualifizierte, Frauen in typischen „Frauenberufen“ mit niedrigem gewerkschaftlichen Organi-
sationsgrad, Alleinerziehende und Menschen mit Einwanderungsgeschichte nehmen bis heute nur sehr selten
am lebenslangen Lernen teil. Nach Schule und Ausbildung bleiben sie aus individuellen und strukturellen Grün-
den von weiterführenden Bildungsangeboten weitgehend ausgeschlossen. Die mangelnden Zugangschancen zu
Weiterbildungsangeboten schwächen ihre Arbeitsmarktchancen dauerhaft und verhindern berufliches Fortkom-
men und persönliche Entwicklung. „Aufstieg durch Bildung“ bleibt in der „Bildungsrepublik Deutschland“ da-
mit immer noch viel zu wenigen vorbehalten. Geht es um die betriebliche Weiterbildung, so wollen wir die
Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Unternehmen müssen in Sachen Weiterbildung ihren
Fokus endlich auch auf ältere Beschäftigte und Frauen richten und diese gezielt dabei unterstützen, an betrieb-
lichen Fort- und Weiterbildungen teilzunehmen
Des Weiteren sind flankierende Maßnahmen notwendig – z. B. im Rahmen der flexiblen Vollzeit –, damit Be-
schäftigte unter anderem für eine Fort- und Weiterbildung leichter als bisher ihren Arbeitszeitumfang vorüber-
gehend bedarfsgerecht reduzieren können, damit die Teilnahme an Bildungsangeboten nicht aus Sorge um spä-
tere Nachteile scheitert.

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