BT-Drucksache 18/8859

Sachstand der Verhandlungen zum Versöhnungsprozess mit Namibia und zur Aufarbeitung des Völkermordes an den Herero und Nama

Vom 14. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8859
18. Wahlperiode 14.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Katrin Kunert,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Sachstand der Verhandlungen zum Versöhnungsprozess mit Namibia und zur
Aufarbeitung des Völkermordes an den Herero und Nama

Zwischen 1904 und 1908 führte das deutsche Kaiserreich in der damaligen Kolo-
nie „Deutsch-Südwestafrika“, der heutigen Republik Namibia, durch ihre
„Schutztruppe“ einen menschenverachtenden Vernichtungskrieg gegen Herero
und Nama, der von der wissenschaftlichen Fachwelt eindeutig als Völkermord
bewertet wird. Im Jahr 2014 wurde ein politischer Dialogprozess zu dessen Auf-
arbeitung zwischen der Bundesregierung und der namibischen Regierung in Gang
gesetzt. In diesem verhandeln beide Länder über eine gemeinsame Erklärung zu
den damaligen Gräueltaten. Weitere Ziele des Prozesses sind das Finden einer
würdigen Form des Gedenkens und Erinnerns und die Überwindung der bis heute
spürbaren Folgen der Kolonialzeit in Namibia.
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution aus dem Jahr 2006 fordert
die namibische Nationalversammlung ihre Regierung auf, sich der Bundesrepub-
lik Deutschland gegenüber für die Anerkennung des Völkermordes und für Re-
parationen einzusetzen (www.deutschlandfunk.de/voelkermord-deutschland-ver-
handelt-ueber-entschaedigung-der.724.de.html?dram:article_id=345814; Reso-
lution: http://genocide-namibia.net/wp-content/uploads/2015/02/2006_09_Motion_
Genocide_nam_parliament-1.pdf).
Im Gegensatz dazu bestehen weiter Unklarheiten, welche Bewertung die Bundes-
regierung für die damaligen Ereignisse vornimmt. Einerseits benannte
der Sprecher des Auswärtigen Amts Dr. Martin Schäfer auf der Bundespresse-
konferenz vom 10. Juli 2015 den Vernichtungskrieg als Völkermord und betonte
folgenden Satz als Haltung der Bundesregierung: „Der Vernichtungskrieg in
Namibia von 1904 bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord.“
(www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/07/
2015-07-10-regpk.html). Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert nahm
wenige Tage zuvor die gleiche Bewertung vor (http://www.zeit.de/politik/
deutschland/2015-07/herero-nama-voelkermord-deutschland-norbert-lammert-
joachim-gauck-kolonialzeit). In der ersten Lesung des Antrags der Fraktion DIE
LINKE. „Versöhnung mit Namibia – Gedenken an und Entschuldigung für den
Völkermord in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika“ (Bundestags-
drucksache 18/5407) vom 24. September 2015 sprachen Redner aller Fraktionen
von Völkermord. Andererseits gibt es weiterhin keinen offiziellen Beschluss des
Deutschen Bundestages, welcher den Genozid anerkennt. Der erwähnte Antrag
wurde am 17. März 2016 abgelehnt. Auch wird die Bezeichnung als „Völker-
mord“ von der Bundesregierung öffentlich derzeit vermieden.

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Aktuell rückt das Thema im Zuge der Anerkennung des Völkermordes (Bundes-
tagsdrucksache 18/8613) an den Armeniern durch das Osmanische Reich, den
Vorläufer der heutigen Türkei, wieder vermehrt in den Blickpunkt der Öffentlich-
keit.
Im deutsch-namibischen Dialogprozess gibt es viel Veränderungsbedarf. So kri-
tisieren die Opferverbände der Herero und Nama ihre Einbindung als unzu-
reichend (www.lelamobile.com/content/62838/Rukoro-adamant-to-be-included-
in-genocide-negotiations). Der Herero-Paramount-Chief Vekuii Rukoro stellt in
einem Presse-Statement vom 03. Oktober 2015 jedoch klar: „Nothing can be
about us, yet without us; anything about us, but without us is necessarily against
us!“ (http://genocide-namibia.net/wp-content/uploads/2015/10/Statement-delivered-
to-the-Press-by-Paramount-Chief-Adv-Rukoro.pdf). Es scheint daher fraglich, ob
der aktuelle Versöhnungsprozess überhaupt in der Lage sein wird, eine dauerhafte
zufriedenstellende Lösung, die auch von allen Parteien anerkannt wird, zu brin-
gen.
Anstelle geheimer Regierungsverhandlungen fordert Vekuii Rukoro einen
Trialog zwischen Vertretern der Herero- und Nama-Völker, der namibischen und
der deutschen Regierung (www.deutschlandfunk.de/voelkermord-deutschland-
verhandelt-ueber-entschaedigung-der.724.de.html?dram:article_id=345814).
Opferverbände der Herero und Nama haben in einer Pressemitteilung vom 17 Mai
2016 auf die Einreichung einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland
am Ständigen Schiedshof (Permanent Court of Arbitration) in Den Haag aufmerk-
sam gemacht (http://genocide-namibia.net/wp-content/uploads/2016/05/nama-
and-ovaherero-leaders-put-german-goverment-on-terms.pdf).
Weiterhin ist nicht geklärt, in welcher Form in Deutschland postkoloniale Erin-
nerungskultur betrieben werden soll oder was die Frage der Rückgabe geraubter
Gebeine angeht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Entspricht die vom 10. Juli 2015 durch den Sprecher des Auswärtigen Amts

Dr. Martin Schäfer in der Bundespressekonferenz getätigte Aussage, dass es
sich bei den damaligen Ereignissen um einen Völkermord handelte der offi-
ziellen Position der Bundesregierung?
a) Falls ja, inwiefern gilt derzeit die Bezeichnung des Vernichtungskrieges

als Völkermord als offizielle Sprachregelung für deutsche Regierungsver-
treter und Beamte, insbesondere in den deutschen Auslandsvertretungen?

b) Falls offiziell derzeit seitens der Vertreter der Bundesregierung nicht klar
von Völkermord gesprochen wird oder gesprochen werden darf, warum
nicht?
Inwiefern sieht die Bundesregierung in diesem Fall hierin einen Wider-
spruch zu der von Dr. Martin Schäfer am 10. Juli 2015 öffentlich getätig-
ten Aussage, dass es sich sehr wohl um einen Völkermord handelte?

2. Ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, die UN-Völkermordkon-
vention aus dem Jahr 1948 könne nicht rückwirkend angewendet werden
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/10481, Antwort zu Frage 1)?

Wenn ja, wieso?
3. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass man bei dem Vernichtungskrieg

gegen die Herero und Nama nicht von Völkermord sprechen kann, da die
UN-Völkermordkonvention erst im Jahr 1948 in Kraft getreten ist?

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4. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich bereits durch die Ver-
wendung des Völkermordbegriffs für die Wertung und Umschreibung eines
historischen Sachverhalts Rechtsfolgen für die Bundesrepublik Deutschland
ergeben könnten?
Wenn ja, mit welchen Rechtsfolgen rechnet die Bundesregierung?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Anerkennung
des Völkermordes an den Armeniern (Bundestagsdrucksache 18/8613) für
die Aufarbeitung der Herero- und Nama-Frage?

6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage von
Esther Muinjangue, Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation, ge-
genüber der Zeitung „Die Welt“ vom 8. Juni 2016 („Der Völkermord an den
Armeniern fand nur sieben Jahre nach dem an den Herero statt, hier sprechen
die Deutschen plötzlich wie selbstverständlich von Völkermord […] Was ist
der Unterschied? Die Herero sind schwarz, die Deutschen glauben, dass sie
Schwarze nicht ernst nehmen müssen. Das ist für mich die einzige Schluss-
folgerung.“, www.welt.de/156078534)?

7. Inwieweit sieht die Bundesregierung in dem Umstand, dass das Gedenken an
den Armeniergenozid in Deutschland im Gegensatz zum Völkermord in
Deutsch-Südwestafrika inzwischen eine größere Aufmerksamkeit erfährt,
möglicherweise auch in einem strukturellen Rassismus begründet, weil es
sich bei der Türkei um einen muslimischen und bei Deutschland um einen
christlichen „Täterstaat“ und bei den Opfern bei den Armeniern um „Weiße“
und „Christen“ im Gegensatz zu „Schwarzen“ und „Wilden“ handelt (Frank-
furter Rundschau vom 6. Mai 2015, S. 19)?
Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass der Istanbuler Abgeordnete
Metin Külünk von der Regierungspartei AKP nach der Völkermord-Resolution
des Deutschen Bundestages zu den Massakern an den Armeniern im Osmani-
schen Reich, den deutschen Völkermord an den Herero und Nama im Parlament
mit einer Initiative in Ankara zum Thema machen will, in der es heißen soll:
„Das koloniale Deutschland hat zwischen den Jahren 1904 und 1907 in Süd-
westafrika eine organisierte Vernichtungspolitik gegen das Volk eines Landes
betrieben, das heute als Namibia bekannt ist.“ (www.deutschlandfunk.de/
tuerkei-akp-will-ueber-deutschen-voelkermord-an-herero.1818.de.html?
dram:article_id=356368)?
Wie hat die die Bundesregierung hierauf öffentlich oder über diplomatische
Kanäle reagiert bzw. wie wird sie darauf reagieren, wenn solch ein Beschluss
im türkischen Parlament gefasst werden sollte?

8. Welche Treffen haben seit dem Jahr 2014 zu welchen Zeitpunkten und auf
welchen Ebenen zwischen welchen Vertretern der Bundesregierung und na-
mibischen Vertretern stattgefunden?

9. Gibt es einen konkreten Zeitplan für den deutsch-namibischen Versöhnungs-
dialog und die damit verbundenen Verhandlungen?
a) Wenn ja, wie ist dieser?
b) Bis wann plant die Bundesregierung einen Abschluss des Dialogprozes-

ses?
c) Inwiefern gibt es im Rahmen der Verhandlungen bereits konkrete Ver-

handlungsergebnisse und Beschlüsse (bitte in diesem Fall die (Teil-)Er-
gebnisse auflisten)?

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10. War oder ist es ein besonderes Anliegen der Bundesregierung, die Opferver-
bände von Herero und Nama in die derzeit zwischen den beiden Regierungen
laufenden Verhandlungen miteinzubeziehen?
a) Wenn ja, wie, und wann wurde dieser Wunsch der Bundesregierung ge-

genüber der namibischen Regierung geäußert?
b) Wenn nein, warum nicht?

11. Betrachtet die Bundesregierung die Einbeziehung der Opferverbände von
Herero und Nama im Zuge der Verhandlungen als ausreichend?
Wenn ja, mit welcher Begründung?
Wenn nein, warum nicht?

12. Hat die Bundesregierung zu einem Zeitpunkt vor oder schon während der
Verhandlungen konkrete Vorschläge an die namibische Regierung unterbrei-
tet, wie die Einbindung der Herero und Nama in den Prozess aussehen
könnte?
Wenn ja, zu welchen genauen Zeitpunkten wurden diese Vorschläge von
welchen Akteuren auf der deutschen Seite an welche Akteure auf der nami-
bischen Seite unterbreitet?

13. Welche Kritik von Herero- und Nama-Verbänden am derzeit laufenden Dia-
logprozess sind der Bundesregierung bekannt?

14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Kritik verschiedener Herero- und Nama-Verbände, dass sie nicht aus-
reichend in den Versöhnungsprozess miteinbezogen seien?
Teilt die Bundesregierung diese Auffassung?
Wie beurteilt die Bundesregierung ihre Möglichkeiten, sich für eine ver-
stärkte Einbeziehung der Nachfahren der Opfer einzusetzen?

15. Was entgegnet die Bundesregierung der Aussage des namibischen Sonder-
beauftragten Dr. Zed Ngavirue vom 18. Mai 2016 in der Tageszeitung „Na-
mibian Sun“, dass die deutsche Bundesregierung von Anfang an auf einen
Ausschluss der Herero und Nama bestanden habe (http://m.sun.com.na/
history/genocide-no-cloak-secrecy)?

16. Welche Delegationsreisen nach Deutschland hat der namibische Sonderbe-
auftragte Dr. Zed Ngavirue seit dem Jahr 2015 nach Kenntnis der Bundesre-
gierung unternommen, und wer hat ihn auf diesen Delegationsreisen beglei-
tet (bitte mit Name, Funktion und Organisation auflisten)?
a) Was war das genaue Programm während der Reisen?
b) Welche Organisationen, Vertreter oder Personen und Gruppen wurden

getroffen?
c) War die Bundesregierung in die Planung der Dienstreise eingebunden?

Wenn ja, inwiefern (z. B. bei der Auswahl der Gesprächspartnerinnen und
Gesprächspartner)?

d) Wurde das zivilgesellschaftliche Bündnis „Völkermord verjährt nicht! –
No Amnesty on Genocide!“ getroffen?
Wenn ja, was waren die Inhalte der Gespräche?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8859
 

e) Wurden andere zivilgesellschaftliche Organisationen und staatliche Insti-
tutionen getroffen?
Wenn ja, wie kam es zu dieser Auswahl, und welches waren die Inhalte
der Gespräche?

17. Welche Delegationsreisen nach Namibia hat der deutsche Sonderbeauftragte
Ruprecht Polenz seit dem Jahr 2015 unternommen, und wer hat ihn auf die-
sen Delegationsreisen begleitet (bitte mit Name, Funktion und Organisation
auflisten)?
a) Was war das genaue Programm während der Reisen?
b) Welche Organisationen, Vertreter oder Personen und Gruppen wurden

getroffen?
c) Wurden Vertreter der namibischen Opposition getroffen?
d) Wurden Opferverbände der Herero und Nama getroffen?

Wenn ja, welche, und wann?
Wenn nein, warum nicht?

18. Welche weiteren Reisen des deutschen Sonderbeauftragten Ruprecht Polenz
nach Namibia sind künftig geplant, und welche Gespräche sind geplant (bitte
möglichst konkrete Auflistung des geplanten Programms)?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussicht auf einen erfolgreichen und
dauerhaften Versöhnungsprozess, wenn die Nachfahren der betroffenen
Volksgruppen nicht ausreichend eingebunden sind, insbesondere vor dem
Hintergrund der oben erwähnten Pressemitteilung des Herero-Paramount-
Chiefs Vekuii Rukoro vom 3. Oktober 2015 (http://genocide-namibia.net/
wp-content/uploads/2015/10/Statement-delivered-to-the-Press-by-Paramount-
Chief-Adv- Rukoro.pdf), sowie zahlreicher weiterer derartiger Äußerungen?

20. Wer sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Mitglieder des Technical
Committee der namibischen Regierung, welches die Erwartungen, Forderun-
gen und Wünsche der Herero und Nama und Fachleute im Rahmen der Re-
gierungsverhandlungen aufnehmen soll (bitte mit Namen, Funktion und Or-
ganisation auflisten)?
Inwiefern führt die Bundesregierung oder der Sonderbeauftragte der Bundes-
regierung direkte Gespräche mit dem Technical Committee oder einzelnen
Mitgliedern des Technical Committee?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass nach Kenntnis der Fra-
gesteller im Technical Committee lediglich ein Sitz für die Vertreter der
Nama vorgesehen ist, vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen ver-
schiedener Nama-Gruppen?

22. Wer sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Mitglieder des Political
Committee der namibischen Regierung, welches die Vorlagen und Eingaben
des Technical Committee für die Entscheidungsträgerinnen und Entschei-
dungsträger aufnehmen, einschätzen und bewerten soll (bitte mit Namen,
Funktion und Partei auflisten)?
Inwiefern führt die Bundesregierung oder der Sonderbeauftragte der Bundes-
regierung direkte Gespräche mit dem Political Committee oder einzelnen
Mitgliedern des Political Committee?

23. Plant die Bundesregierung zukünftig eine Aufstockung der Entwicklungsgel-
der für Namibia?
Falls ja, sollen diese als Reparationen oder Wiedergutmachung deklariert
werden?

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24. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass verstärkte bilaterale Zusammen-
arbeit für die Versöhnung zwischen Deutschland und Namibia ausreichend
ist?
Wenn ja, um welche Art der bilateralen Zusammenarbeit geht es hierbei?
Wenn nein, was braucht es aus Sicht der Bundesregierung noch für eine
nachhaltige Versöhnung?
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, eine Resolution wie die
zum Völkermord an den Armeniern sei erst dann glaubwürdig, wenn man
Taten wie eine symbolische oder materielle Anerkennung der armenischen
Opfer folgen lasse, da es sonst leere Worte blieben (www.spiegel.de/spiegel/
vorab/armenien-resolution-bundesregierung-mit-zweierlei-mass-a-109565
1.html)?

25. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem am 19. September 2006 von der namibischen Nationalversammlung
einstimmig angenommenen Antrag „Motion on the Ovaherero Genocide“,
welcher den deutschen Vernichtungskrieg gegen Herero und Nama 1904-
1908 klar als Völkermord benennt und Reparationen einfordert?
Inwiefern ist dieser Beschluss der Namibischen Nationalversammlung aus
dem Jahr 2006 handlungsleitend für die aktuellen Verhandlungen zwischen
den Regierungen Namibias und Deutschlands?

26. Welche Position vertritt die Bundesregierung in den Verhandlungen bezüg-
lich der Forderungen nach Reparationen durch die Opferverbände der Herero
und Nama?
a) Lehnt die Bundesregierung den Begriff der Reparation bzw. Kompensa-

tion oder Wiedergutmachung ab?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, inwiefern arbeitet die Bundesregierung mit einem dieser Be-
griffe?

b) Falls die Bundesregierung hier einen anderen Begriff vorzieht, welcher ist
dieser?

27. Inwiefern ist der Bundesregierung etwas über die Klage der Herero und
Nama vor dem Internationalen Schiedshof in Den Haag bekannt?
a) Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Inhalt der Klage, und auf

welcher Rechtsgrundlage basiert die Klage?
b) Wann hat die Bundesregierung von der Klage erfahren?
c) Hat die Bundesregierung Kontakt zu den Klägern oder den Anwälten der

Kanzlei, welche die Opfer vertreten, gehabt?
Wenn ja, zu welchen Zeitpunkten, und was war der Inhalt der Kommuni-
kation?

28. Gibt es einen Evaluationsbericht bzw. eine auswertende Analyse der im Jahr
2007 ins Leben gerufenen und mittlerweile abgeschlossenen „Sonderinitia-
tive der Versöhnung“ (falls ja, bitte zusenden)?
a) Was waren die konkreten Maßnahmen der Sonderinitiative, und wem

wurden die finanziellen Mittel zuteil?
Wer hat die Gelder umgesetzt (bitte auflisten)?

b) Über welchen partizipativen Prozess waren die Herero und Nama einge-
bunden?

c) Welche Probleme wurden in der Umsetzung festgestellt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8859
 

29. Ist eine Neuauflage der Sonderinitiative oder Vergleichbares geplant?
Wenn ja, wie soll diese ausgestaltet werden?

30. Wie ist die konkrete Ausgestaltung der geplanten „Zukunftsstiftung“ ge-
dacht?
a) Welche Ziele wird sie haben, und zu welchen Themen soll sie arbeiten?
b) In welchen Ländern soll sie ihre Arbeit durchführen?
c) Wer soll über die Gelder verfügen, wer wird Inhaber dieser Stiftung sein,

und wer soll in ihren Leitungs- und Entscheidungsgremien sitzen?
d) Inwiefern ist eine Einbeziehung der Herero und Nama geplant?
e) Inwiefern wird die Bundesregierung weiterhin Einfluss auf die Stiftung

und die Gelder behalten?
31. Welche konkreten Maßnahmen zur Erinnerung an den Völkermord und die

koloniale Vergangenheit plant die Bundesregierung in Deutschland?
a) Inwiefern ist die Errichtung eines Denkmals an einem zentralen Ort in

Berlin geplant?
b) Ist die Schaffung einer Stiftung oder Ähnliches geplant, die sich für post-

koloniale Erinnerungskultur in Deutschland einsetzen soll?
c) Wenn ja, wie soll diese Institution ausgestaltet sein, wer soll in den Ent-

scheidungs- und Leitungsgremien sitzen?
32. Inwiefern gedenkt die Bundesregierung, die Gruppen in den Prozess und die

zukünftigen Maßnahmen postkolonialer Erinnerungskultur miteinzubezie-
hen, die sich in Deutschland am stärksten für Versöhnung und eine Anerken-
nung des Genozids eingesetzt haben, wie beispielsweise ausgewiesene Ex-
perten unter den Historikern, sowie die Organisationen des zivilgesellschaft-
lichen Bündnisses „Völkermord verjährt nicht!“ und andere langjährig zur
Aufarbeitung dieses Völkermords arbeitende Menschrechtsaktivisten und
Vertreter der Herero und Nama selbst?
Hält die Bundesregierung es für möglich und wünschenswert, diese Personen
und Gruppen in die Leitungsstrukturen einer entsprechenden Stiftung oder
Förderorganisation für die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit in
Deutschland miteinzubeziehen bzw. künftig diese in die bilaterale Zusam-
menarbeit auf der Ebene der Bevölkerung einzubeziehen und von ihrer Ex-
pertise im Sinne einer nachhaltigen Versöhnung zu profitieren?
Wenn nein, warum nicht?
Welche anderen Personen oder Gruppen sind der Meinung der Bundesregie-
rung nach befähigt, eine solche Initiative zu leiten?

33. Welche Programme laufen derzeit schon auf dem Gebiet der Aufarbeitung
der kolonialen Vergangenheit und insbesondere der Versöhnungsarbeit mit
Namibia, die seitens der Bundesregierung, ihrer Institutionen und Durchfüh-
rungsorganisationen aus Mitteln aus dem Bundeshaushalt gefördert werden?

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34. Stimmt es, dass die Bundeszentrale für politische Bildung nun ein entspre-
chendes Projekt der Stiftung Partnerschaft mit Afrika (und vielleicht noch
andere Initiativen auf dem Gebiet der Versöhnung und des Austauschs mit
Namibia) fördert?
a) Wenn ja, welche Organisationen haben hier in welchem Umfang für wel-

che Projekte mit welchen Inhalten und Zielen Geld zur Verfügung gestellt
bekommen?

b) Wurden die zur Verfügung gestellten Mittel öffentlich ausgeschrieben?
Wenn nein, warum nicht?

35. Welche Pläne hat die Bundesregierung für die noch in Deutschland gelager-
ten Gebeine von Herero und Nama?
Plant die Bundesregierung die proaktive Erstellung eines Registers, welche
auch den Besitz an solchen Gebeinen privater Institutionen miteinbezieht,
sowie die Unterstützung der nötigen Provenienzforschung, um die Rückgabe
anbieten zu können?
Welche Aktivitäten und welcher Zeitplan sind hier vorgesehen?

Berlin, den 13. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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