BT-Drucksache 18/8806

Andauernde Probleme beim Familiennachzug zu anerkannten syrischen Flüchtlingen

Vom 6. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8806
18. Wahlperiode 06.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Jan Korte, Katrin Kunert,
Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke, Halina Wawzyniak, Birgit Wöllert
und der Fraktion DIE LINKE.

Andauernde Probleme beim Familiennachzug zu anerkannten syrischen
Flüchtlingen

Viele Angehörige von anerkannten Flüchtlingen müssen in Kriegs- und Krisen-
gebieten oder in Flüchtlingslagern nahe ihrer Herkunftsländer zurückbleiben,
etwa weil das Geld für die Flucht nicht für alle Familienmitglieder reicht oder die
Kinder noch zu klein sind, um ihnen eine gefährliche und lange Flucht zuzumu-
ten. Für diese Menschen ist der Familiennachzug zumeist die einzige sichere und
legale Möglichkeit, um Schutz und Asyl in der Europäischen Union zu erhalten
und die Familieneinheit wiederherzustellen.
In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben einen Anspruch auf erleichterten
Nachzug ihrer Kernfamilie, unabhängig von einer – sonst üblichen – Prüfung der
konkreten Wohnraum- und Einkommenssituation. Ein diesbezüglicher Antrag
muss nach § 29 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) innerhalb von drei
Monaten nach ihrer Anerkennung in Deutschland gestellt werden.
Beim Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen gelten geringere Anforde-
rungen an Nachweise der Identität und der Familienbeziehung (vgl. Artikel 11
Absatz 2 der Richtlinie 2003/86/EG vom 22. September 2003), denn häufig feh-
len kriegs- und fluchtbedingt entsprechende amtliche Dokumente oder sie können
in der besonderen Situation nicht in zumutbarer Weise beschafft werden.
Trotz dieses klaren Rechtsanspruchs kommt es beim Familiennachzug – insbe-
sondere zu syrischen Flüchtlingen – zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen. Im
Herbst 2015 betrugen die Wartezeiten auf einen ersten Termin im Visumverfah-
ren in Istanbul bis zu 16 Monate, in Ankara bis zu 13 Monate und in Izmir bis zu
acht Monate (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5914). Die Bearbeitung der Visum-
anträge nimmt dann in der Regel noch einmal mehrere Wochen, teilweise Monate
in Anspruch.
Seitdem haben sich nach Kenntnis der Fragesteller die Wartezeiten nicht wesent-
lich verbessert. Zwar betrug Anfang 2016 die Wartezeit auf Termine zur Visum-
beantragung für die Familienzusammenführung etwa in der deutschen Botschaft
in Beirut neun bis zehn Monate. Doch nach Berichten von Beratungsstellen soll
die Wartezeit inzwischen bei 15 Monaten liegen. Vor diesem Hintergrund beklag-
ten PRO ASYL e. V. und der Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V. Anfang April
2016 einen „permanenten Verfassungsbruch“ durch die „systematische Behinde-
rung“ des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen (www.proasyl.de/
pressemitteilung/familiennachzug-wird-systematisch-behindert/). Während in den
Jahren 2014 und 2015 rund 127 000 syrischen Flüchtlingen ein Flüchtlingsstatus
gewährt worden sei, hätten von Anfang 2014 bis Oktober 2015 nur rund 18 400

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syrische Familienangehörige ein Visum zum Familiennachzug erhalten. Mit ent-
sprechendem politischem Willen könnten bürokratische Hürden gezielt abgebaut
und der Familiennachzug erheblich erleichtert werden.
In einigen Auslandsvertretungen werden zeitweise nur im Ausnahmefall oder gar
keine Visa zur Familienzusammenführung ausgestellt, was zumeist mit mangeln-
den räumlichen oder Personalkapazitäten begründet wird. So werden etwa im
deutschen Generalkonsulat im irakischen Erbil erst seit Mai 2016 Anträge auf
Familienzusammenführung regulär bearbeitet (www.irak.diplo.de/Vertretung/
irak/de/08/__GK__Erbil__Startseite.html).
Zudem treten weitere Probleme auf. Viele Flüchtlinge, insbesondere aus Syrien,
verfügen über keine oder keine gültigen Pass- oder Ausweispapiere mehr. Für
eine Verlängerung oder Neuausstellung fallen jedoch sowohl in Syrien als auch
in syrischen Auslandvertretungen zum Teil sehr hohe Gebühren an, weil die Pass-
ausstellung für die syrische Regierung zu einer wichtigen Einnahmequelle gewor-
den ist. Teilweise wird Syrern, die von den Behörden mit der Opposition in Ver-
bindung gebracht werden, die Ausstellung der Papiere auch komplett verweigert
(www.deutschlandradiokultur.de/zwischen-zwei-welten-welche-botschaft-ist-fuer-
die.976.de.html?dram:article_id=342172). Die deutschen Auslandsvertretungen
wiederum stellen nach § 5 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) nur solchen
Flüchtlingen Ersatzpapiere aus, die keinen Pass besitzen und „ihn nicht auf zu-
mutbare Weise erlangen“ können. Für die Annahme einer solchen Unzumutbar-
keit reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn keine ausreichenden finanziellen Mit-
tel vorhanden sind. In einigen den Fragestellern bekannten Fällen wurde von al-
leinstehenden Frauen mit Kindern erwartet, aus einer relativen Sicherheit – etwa
einem Flüchtlingslager in der Türkei – wieder in das Bürgerkriegsland Syrien zu
reisen und dort die Papiere zu beantragen.
Seit Anfang des Jahres 2016 verlangen die türkischen Grenzbehörden von syri-
schen Staatsangehörigen zudem ein Visum für den Grenzübertritt. Nur in Aus-
nahmefällen behalten sich die türkischen Behörden vor, von einem solchen Vi-
sum abzusehen, etwa aus humanitären Gründen, bei Krankheit oder Ähnlichem
(Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 12 auf Bundestags-
drucksache 18/8020, 23. März 2016). Viele Schutzsuchende, die einen Termin
bei einer deutschen Auslandsvertretung in der Türkei haben, sich aber noch in
Syrien aufhalten, können weder diesen Termin noch kurzfristig von den deut-
schen Auslandsvertretungen vergebene Ersatztermine wahrnehmen, weil sie nicht
über die Grenze gelassen werden. In Einzelfällen wurde nach Kenntnis der Fra-
gesteller von den türkischen Grenzbehörden eine Art offizielle „Einladung“ der
deutschen Auslandsvertretung verlangt. Auf Nachfrage hierzu führte die Bundes-
regierung aus, sie habe nicht die Möglichkeit, den Grenzübergang zwischen zwei
souveränen Drittstaaten zu erleichtern, da Ein- und Ausreisevorschriften der Sou-
veränität und der Gesetzgebung des jeweiligen Staates unterliegen (Schreiben des
Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, vom 26. April
2016). Gerade im Fall Syriens kommt die Tatsache dazu, dass fast alle infrage
kommenden Grenzübergänge nicht mehr unter Kontrolle der syrischen Regie-
rung, sondern von Oppositionsgruppen einschließlich von der Europäischen
Union als terroristisch eingestufter Gruppierungen befinden.
Zusätzlich zu den Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Anspru-
ches auf Familiennachzug wurde dieser durch gesetzliche Änderungen einge-
schränkt. Während zum 1. August 2015 die gesetzlichen Regelungen des Famili-
ennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten den günstigeren Regeln des Nach-
zugs zu anerkannten Flüchtlingen angepasst wurden, wurde diese Regelung mit
dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zum 17. März 2016 für
zwei Jahre ausgesetzt. Auch syrische Flüchtlinge und der Elternnachzug zu un-
begleiteten Minderjährigen mit subsidiärem Schutzstatus sind von der Ausset-

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zung betroffen. Die Aufnahme von Familienmitgliedern minderjähriger Flücht-
lingskinder soll nur noch aus dringenden humanitären Gründen im Rahmen einer
Einzelfallprüfung nach Maßgabe von § 22 AufenthG möglich sein. Eine Ausar-
beitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages stellte in
diesem Zusammenhang fest: „Die konsequente Anwendung des (neuen) § 104
Absatz 13 AufenthG widerspricht für sich genommen den Bestimmungen der
KRK [Kinderrechtskonvention], da die Norm das konventionsrechtlich gefor-
derte Verwaltungsermessen auf Null reduziert und damit der Behörde für eine
Dauer von zwei Jahren die Möglichkeit verwehrt, bei der Entscheidung über ei-
nen Antrag auf Familienzusammenführung Aspekte des Kindeswohls konventi-
onskonform zu berücksichtigen“ (Ausarbeitung vom 19. Februar 2016, WD 2 –
3000 – 026/16).
Seitdem der Familiennachzug zu subsidiären Flüchtlingen für zwei Jahre ausge-
setzt wurde, erteilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in im-
mer mehr Fällen nur noch einen subsidiären Schutzstatus – und nimmt den Be-
troffenen damit für einen langen Zeitraum die Möglichkeit, ihre Familien nach-
zuholen. Im April 2016 erhielten 4 116 Schutzsuchende nur diesen abgesenkten
Schutzstatus, anstatt einer Flüchtlingsanerkennung nach der Genfer Flüchtlings-
konvention. Das sind mehr als doppelt so viele Fälle wie im gesamten Jahr 2015,
wo in insgesamt 1 707 Fällen der subsidiäre Schutzstatus ausgesprochen wurde.
Im Jahr 2015 machte der subsidiäre Schutz gerade einmal 1,2 Prozent des insge-
samt gewährten Flüchtlingsschutzes aus. Im Monat April 2016 waren es dagegen
16 Prozent (vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 9. Mai
2016).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie lang sind derzeit (bitte Stichtag angeben) in den deutschen Auslandsver-

tretungen in der Region um Syrien die Wartezeiten auf einen Termin zur
Vorsprache zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung
mit in Deutschland lebenden, anerkannten syrischen Flüchtlingen, wie viele
Termine sind aktuell gebucht (bitte nach Visastellen differenzieren), und wie
lang sind die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten der entsprechenden An-
träge bis zur Visumerteilung (falls zu Letzterem keine konkreten Daten vor-
liegen sollten, bitte Einschätzungen fachkundiger Bediensteter angeben)?

2. Bei welchen deutschen Auslandsvertretungen werden Visaanträge zum Fa-
miliennachzug von Menschen aus Syrien, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in Syrien haben, entgegengenommen und bearbeitet?

3. Wie viele Visa für syrische Staatsangehörige zum Familiennachzug zu
Schutzberechtigten wurden bislang erteilt (soweit möglich bitte nach Visa-
stellen und Jahren differenzieren)?

4. Wie viele Personen aus Syrien sind inzwischen im Rahmen der Bundes- bzw.
Länderaufnahmeprogramme nach Deutschland eingereist, bzw. wie viele
entsprechende Visa wurden erteilt (bitte nach Programmen und Bundeslän-
dern differenziert auflisten), wie viele von ihnen haben bislang einen Asyl-
antrag gestellt (bitte wie zuvor differenzieren), und wie ist zu erklären, dass
die Angaben der Bundesregierung zur Zahl dieser Asylanträge in ihrer Ant-
wort auf die Mündliche Frage 31 (Plenarprotokoll 18/169, S. 16684, An-
lage 24) mit 377 (Bundesprogramme) bzw. 3 126 (Landesprogramme) nied-
riger sind als die zuvor auf Bundestagsdrucksache 18/5799 angegebenen
Zahlen (733 bzw. 4 508)?

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5. Inwiefern und unter welchen genauen Bedingungen werden für welche Per-
sonengruppen im deutschen Generalkonsulat in Erbil seit Mitte Mai 2016
wieder Anträge auf Familienzusammenführung bearbeitet?
a) Wird die Bearbeitung der Anträge vom gewöhnlichen Aufenthalt in der

Region Irak-Kurdistan abhängig gemacht, und wenn ja, welche Nach-
weise müssen für einen gewöhnlichen Aufenthalt erbracht werden?

b) Wie viele Anträge auf Visaerteilung für den Familiennachzug zu in
Deutschland anerkannten syrischen Flüchtlingen wurden im Generalkon-
sulat Erbil seit Mitte Mai 2016 bearbeitet, bzw. mit welchem Ergebnis
entschieden?

c) Aus welchen Gründen erfolgt die Terminvergabe für das Generalkonsulat
in Erbil über den türkischen Service-Dienstleister iDATA, und welche Er-
fahrungen wurden diesbezüglich bislang gemacht?

6. Wie viele der syrischen Antragsteller, die in den deutschen Visastellen im
Zeitraum seit dem Jahr 2015 ein Visum zur Familienzusammenführung mit
in Deutschland anerkannten Flüchtlingen beantragt haben, verfügten zu die-
sem Zeitpunkt über einen gültigen syrischen Reisepass, bzw. wie viele ent-
sprechende Visa wurden in einen gültigen syrischen Reisepass bzw. in deut-
sche Reiseausweise eingetragen (bitte Anzahl in Prozent im Verhältnis zu
der Gesamtzahl der Antragsteller sowie absolute Zahlen angeben, nach Vi-
sastellen und für die Jahre 2015 und 2016 differenzieren)?

7. Welche Kenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu der
Frage vor, ob und unter welchen Bedingungen von den zuständigen syrischen
Stellen neue syrische Reisepässe ausgestellt und bereits vorliegende Reise-
pässe verlängert werden?
a) Welche syrischen Auslandvertretungen (an welchen Standorten innerhalb

der Europäischen Union, in der Türkei, im Irak, in Jordanien und im Li-
banon) stellen Reisepässe für syrische Staatsbürger nach Kenntnis der
Bundesregierung für welche Personengruppen aus?

b) Welche Probleme sind der Bundesregierung in diesem Zusammenhang
bekannt?

c) Welche Informationen liegen der Bundesregierung dazu vor, wie lange
die Ausstellung eines syrischen Reisepasses derzeit dauern kann (in Sy-
rien bzw. in syrischen Botschaften und Konsulaten sowie im Durchschnitt
bzw. in problematischen Fällen)?

8. Welche aktuellen Erkenntnisse aus welchen Quellen liegen der Bundesregie-
rung zu den anfallenden Kosten pro Ausstellung bzw. Verlängerung eines
syrischen Reisepasses bei den zuständigen syrischen Behörden und Aus-
landsvertretungen (insbesondere Höhe, Variabilität und Angemessenheit der
Kosten) vor?
a) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass die in der Pra-

xis gezahlten Gebühren aufgrund von Korruption oder anderer Miss-
stände über den offiziellen Gebühren liegen?

b) Inwiefern wurde die Auffassung der Bundesregierung (vgl. Bundestags-
drucksache 18/5914, Antwort zu Frage 5d), dass sich aus einer Gesamt-
schau von finanziellen und zeitlichen Aufwendungen für die Erlangung
eines Reisepasses und der Lebens- und Einkommenssituation der Be-
troffenen eine Unzumutbarkeit i. S. d. § 5 Absatz 2 Nummer 4 AufentV
ergeben kann, an die deutschen Auslandsvertretungen kommuniziert bzw.
wurden diese zu einer solchen Gesamtschau angehalten?

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c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Art und Anzahl
der Fälle, in denen sich aus einer solchen Gesamtschau des Einzelfalls
eine Unzumutbarkeit i. S. d. § 5 Absatz 2 Nummer 4 AufentV ergeben
hat?

9. Inwiefern sieht die Bundesregierung welche Gefahren oder Risiken für An-
gehörige anerkannter Flüchtlinge, die im Rahmen des Familiennachzugs bei
syrischen Behörden oder Auslandsvertretungen Passpapiere beantragen oder
verlängern?
a) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch für Fami-

lienangehörige von anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzbe-
rechtigten der Schutzgedanke gelten sollte, nachdem stets eine Einzelfall-
betrachtung erforderlich ist, ob die Vorsprache bei der Heimatvertretung
einem Asylberechtigten oder einem Abschiebungsschutz genießenden
Ausländer zugemutet werden darf (VG Würzburg, Gerichtsbescheid
vom 26. Januar 2015 – 7 K 14.1220 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss
vom 15. Juni 2006 – 1 B 54/06 und BayVGH, Urteil vom 18. Januar 2011
– 19 B 10.2157), und es den Betroffenen grundsätzlich nicht zugemutet
werden darf, den Schutz des Verfolgerstaates in Anspruch zu nehmen,
sich der Ordnung des Verfolgerstaates zu unterwerfen und mit ihrem Han-
deln diese Ordnung anzuerkennen, die sie gleichzeitig in menschenrechts-
widriger Weise aus der staatlichen Friedensordnung ausgrenzt?

b) Inwiefern wäre nach Auffassung der Bundesregierung in entsprechenden
Einzelfällen von einer Unzumutbarkeit der Beantragung oder Verlänge-
rung von Passpapieren in Behörden und Auslandsvertretungen der Her-
kunftsstaaten für Angehörige auszugehen, die im Rahmen des Familien-
nachzuges zu anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten
nach Deutschland nachziehen wollen?

10. Wie viele Reiseausweise wurden als Ersatzdokumente (Reiseausweise für
Ausländer/RAfA) seit dem Jahr 2015 von den deutschen Auslandsvertretun-
gen für syrische Flüchtlinge bzw. deren Familienangehörige ausgestellt (bitte
ausführen, in wie vielen Fällen von jeweils welchen Auslandsvertretungen
neue Reisedokumente ausgestellt wurden, falls möglich unter Angabe des
Monats der Ausstellung)?

11. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu möglichen Ein- und
Ausreiseschwierigkeiten syrischer Staatsangehöriger an der türkisch-syri-
schen Grenze vor, insbesondere auch solchen mit einem Termin zur Vorspra-
che in einer deutschen Visumstelle, und welche Maßnahmen ergreift die
Bundesregierung aktuell oder zukünftig, um zu gewährleisten, dass Flücht-
linge, die einen Termin bei einer deutschen Auslandsvertretung in der Türkei
haben, diesen auch wahrnehmen und zu diesem Zweck in die Türkei einrei-
sen können, und warum macht sie diesbezüglich gegenüber der Türkei nicht
ihren Einfluss geltend (bitte bisherige Maßnahmen im Einzelnen auflisten)?

12. Worauf stützte sich die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim
Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, in der Sitzung des Innenaus-
schusses des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 2016 zum Tagesord-
nungspunkt 8, es gebe überhaupt keine Probleme für syrische Flüchtlinge an
der syrisch-türkischen Grenze, wie er aus Gesprächen mit Flüchtlingen
wisse, und bezog sich diese Äußerung auf den Zeitpunkt vor oder nach der
Schließung der türkischen Grenze für syrische Flüchtlinge?

13. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu Problemen bei der Ein-
reise von syrischen Flüchtlingen nach Jordanien vor, um dort einen Antrag
auf Familiennachzug bei der deutschen Botschaft in Amman stellen zu kön-
nen?

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14. Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung dagegen, die Zuständig-
keit für die Bearbeitung von Visaanträgen von Menschen aus Syrien ange-
sichts der bekannten Probleme mit den Wartezeiten und Hürden bei der Ein-
reise in Bezug auf den Libanon, die Türkei und Jordanien auf deutsche Aus-
landsvertretungen in anderen Ländern oder weltweit auszuweiten, um die
Wartezeiten zu verkürzen und den Zugang zum Visumsverfahren zu verein-
fachen, und wenn nichts dagegen spricht, warum wurde diese Ausweitung
bislang nicht vorgenommen?
a) Wurde die Ausweitung der Zuständigkeit auf andere Auslandsvertretun-

gen geprüft, und wenn ja, in Bezug auf welche Länder, mit welchen kon-
kreten Erwägungen, und welchem jeweiligen Ergebnis?

b) Wenn die mangelnden Kapazitäten an der jeweiligen Auslandsvertretung
der Grund sein sollten, warum eine Ausweitung der Zuständigkeit auf
diese Vertretung verneint wurde, warum wurden diesbezüglich nicht aus-
reichende Kapazitäten geschaffen, um den betroffenen Familien den Zu-
gang zum Verfahren innerhalb einer zumutbaren Wartezeit zu ermögli-
chen?

15. Wie hat sich die personelle Besetzung der deutschen Visastellen in der Tür-
kei und in den Anrainerstaaten Syriens gegenüber dem Stand vom 6. Au-
gust 2015 entwickelt (bitte nach Visastellen, eingesetztem Personal – Orts-
kräfte/Entsandte – und Jahr differenzieren), und wie viele dieser Kräfte wa-
ren im Bereich der Visumbearbeitung für den Familiennachzug zu anerkann-
ten Flüchtlingen eingesetzt?
a) Inwiefern bedarf die personelle Besetzung in welchen Auslandsvertretun-

gen in der Region nach Auffassung der Bundesregierung einer weiteren
personellen oder die räumlichen Kapazitäten betreffenden Aufstockung
(bitte Aufstockungsbedarf möglichst konkret benennen)?

b) Erwägt die Bundesregierung, im Libanon und in der Türkei weitere Stand-
orte der deutschen Auslandsvertretungen zu eröffnen, um die Bearbei-
tungskapazitäten für Visaanträge zu steigern, und wenn nein, warum
nicht?

c) Inwiefern sind wann und wo welche Aufstockungen bereits konkret ge-
plant?

16. In wie vielen Fällen wurden seit Anfang 2015 Visa zum Elternnachzug zu
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gemäß § 36 Absatz 1 AufenthG
erteilt (bitte möglichst auch nach den jeweiligen Auslandsvertretungen dif-
ferenzieren)?
a) Wie oft wurden im gleichen Zeitraum Visa für minderjährige Geschwister

von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erteilt (bitte möglichst
auch nach den jeweiligen Auslandsvertretungen differenzieren)?

b) Wie oft wurden Visaanträge von minderjährigen Geschwistern unbeglei-
teter minderjähriger Flüchtlinge abgelehnt, obwohl ihre Eltern einen
Rechtsanspruch auf Elternnachzug nach § 36 Absatz 1 AufenthG hatten,
und inwiefern hält die Bundesregierung solche Entscheidungen mit dem
Recht der Kinder auf Zusammenleben mit ihrer Familie für vereinbar
(bitte möglichst auch nach den jeweiligen Auslandsvertretungen differen-
zieren)?

c) In wie vielen Fällen wurde seit dem 17. März 2016 der Familiennachzug
zu minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzsta-
tus im Rahmen einer Härtefallentscheidung zugelassen, und was sind die
maßgeblichen Erwägungen, die einer solchen Härtefallentscheidung zu
Grunde gelegt werden (bitte möglichst auch nach den jeweiligen Aus-
landsvertretungen differenzieren)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8806
 

17. Wie viele Visa nach § 36 Absatz 2 AufenthG zur Vermeidung einer außer-
gewöhnlichen Härte wurden seit Anfang 2015 an den deutschen Auslands-
vertretungen im Libanon, in der Türkei und in Jordanien an Menschen aus
Syrien erteilt (bitte differenziert darstellen)?
a) Wie viele Visaanträge nach § 36 Absatz 2 AufenthG wurden im gleichen

Zeitraum abgelehnt (bitte möglichst auch nach den jeweiligen Auslands-
vertretungen differenzieren)?

b) Wie viele Termine werden vor dem Hintergrund von Berichten von Bera-
tungsstellen, wonach das Online-Terminvergabesystem, auf das „son-
stige Familienangehörige“, die einen Visumsantrag nach § 36 Absatz 2
AufenthG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte stellen möch-
ten, für die Betroffenen de facto nicht zugänglich ist, da über Wochen und
Monate keine freien Termine verfügbar sind, wöchentlich bzw. monatlich
freigeschaltet?
Wie viele Vorsprachetermine zur Beantragung von Visa wurden „sonsti-
gen Familienangehörigen“ über das Online-Terminvergabesystem seit Ja-
nuar 2015 ermöglicht (bitte nach Monaten und Visastellen differenzie-
ren)?

18. In wie vielen Fällen wurde volljährigen Kindern aufgrund einer humanitären
Härtefallentscheidung der Nachzug zu ihren als Flüchtlinge anerkannten El-
tern ermöglicht (bitte möglichst nach Jahren, Visastellen und Staatsangehö-
rigkeiten differenzieren)?
a) Wie beurteilt die Bundesregierung, die sich in vielen Fällen darstellende

Problematik, dass Familien in Kriegs- und Krisengebieten zum Teil jah-
relang auf die Ausstellung ihrer Visa warten müssen und minderjährige
Flüchtlinge in der Zeit des laufenden Familiennachzugsverfahrens voll-
jährig werden?
Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung mit diesen Fällen umge-
gangen werden, um das Auseinanderreißen von Familien zu verhindern
und den Elternnachzug zu unbegleiteten, (bei Ankunft in Deutschland)
minderjährigen Flüchtlingen zu gewährleisten?

b) Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, dass nach
den Fragestellern vorliegenden Informationen beispielsweise an der deut-
schen Auslandsvertretung in Beirut volljährige Kinder, die einen Härte-
fallantrag nach § 36 Absatz 2 AufenthG stellen möchten, keine Möglich-
keit eines gemeinsamen Vorsprachetermins mit ihren Familienangehöri-
gen haben, sondern auf das Online-Vergabesystem verwiesen werden und
nur nach sehr langen Wartezeiten einen Termin zur Vorsprache erhalten,
weswegen es ihnen in vielen Fällen trotz bestehender besonderer Hilfsbe-
dürftigkeit nicht möglich ist, zusammen mit ihren Familien auszureisen?

c) Was sind die maßgeblichen Erwägungen, die einer Entscheidung über ei-
nen solchen Härtefallantrag zu Grunde gelegt werden?

19. Nach welchen Kriterien werden kurzfristig frei werdende Termine an deut-
schen Auslandsvertretungen in Visaverfahren, und insbesondere beim Fami-
liennachzug zu anerkannten Flüchtlingen, vergeben, welche Vorgaben oder
Hinweise hierzu gibt es, und wie wird dies in den Visastellen konkret ge-
handhabt (soweit nötig, differenziert nach Visastellen beantworten)?

20. Unter welchen Umständen können bei welchen Auslandsvertretungen vor-
zeitige Termine beantragt werden, z. B. in medizinischen Eilfällen oder sons-
tigen Härtefällen, und welches Verfahren gilt dabei jeweils konkret (wie kön-
nen diese Termine jenseits des regulären Terminvergabesystems beantragt
werden, ohne z. B. von Bediensteten oder dem Wachpersonal von Visastel-
len zurückgewiesen zu werden)?

Drucksache 18/8806 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

21. Für welche deutschen Auslandsvertretungen sind für welche Flüchtlingsgrup-
pen weitere sogenannte Umbuchungsaktionen geplant (vgl. www.tuerkei.
diplo.de/Vertretung/tuerkei/de/02-visa/08-visa-fuer-syrien/0-visa-fuer-buerger-
aus-syrien.html), bei denen bereits gebuchte Termine vorverlegt werden?

22. Wie lang sind derzeit die Wartezeiten im sogenannten E-Mail-Verfahren im
Libanon, und welche Überlegungen gab es in letzter Zeit, ein solches Ver-
fahren auch in anderen Ländern zu ermöglichen (bitte auch die Gründe an-
geben, die nach Ansicht der Bundesregierung für oder gegen eine solche
Ausweitung des E-Mail-Verfahrens sprechen)?

23. Was hat die Prüfung ergeben, weitere Arbeitsschritte in verschiedenen Vi-
sakategorien mit dem Ziel eines Effizienzgewinns nach Deutschland zu ver-
lagern (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5914, Antwort zu Frage 17), und wel-
che konkreten Schritte wurden diesbezüglich unternommen?

24. Was hat die Bundesregierung seit August 2015 konkret unternommen, um
die Bearbeitung von Anträgen auf Familienzusammenführung mit hier le-
benden anerkannten Flüchtlingen wirksam zu beschleunigen (bitte differen-
ziert und mit Datum auflisten), auch angesichts der verfassungsrechtlich ge-
schützten Ansprüche der Betroffenen, und welche konkreten Probleme und
Schwierigkeiten sieht sie diesbezüglich?

25. Welche Bedeutung hat die Familienzusammenführung für die Integration der
in Deutschland lebenden, anerkannten Flüchtlinge nach Auffassung der Bun-
desregierung, und inwieweit sieht sie das Ziel einer schnellen Integration der
anerkannten Flüchtlinge durch eine verzögerte Familienzusammenführung
gefährdet, da viele Betroffene den Fragestellern davon berichten, dass ihnen
eine Integration (Spracherwerb usw.) aufgrund der Sorge um die von ihnen
getrennten Familienangehörigen nicht oder nur erschwert möglich ist (bitte
ausführen)?

26. Ist es ein Ziel der Bundesregierung, die Nachzugsansprüche von Familien-
angehörigen anerkannter Flüchtlinge so schnell wie möglich in der Praxis zu
realisieren, oder beabsichtigt die Bundesregierung aktuell auch eine indirekte
Begrenzung des Familiennachzugs durch verzögerte Einreisen und einen da-
mit verbundenen abschreckenden Effekt zu erreichen oder nimmt sie dies in
Kauf (bitte darlegen)?

27. Was entgegnet die Bundesregierung der Kritik von PRO ASYL e. V. und
vom Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V., wonach der Familiennachzug zu in
Deutschland anerkannten syrischen Flüchtlingen „systematisch untergraben
und auf die lange Bank geschoben“ würde (www.proasyl.de/pressemitteilung/
familiennachzug-wird-systematisch-behindert/)?
a) Wie steht die Bundesregierung zu den Forderungen von PRO ASYL e. V.

und dem Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V., wonach sie „endlich ernst-
haft handeln“ und den Familienangehörigen von in Deutschland aner-
kannten Flüchtlingen schnell und unbürokratisch einen Termin zur Visa-
beantragung einräumen soll?

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b) Wie steht die Bundesregierung, insbesondere zu den konkreten Forderun-
gen von PRO ASYL e. V. und vom Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V.,
Familienzusammenführungen zu syrischen Flüchtlingen zentral in Berlin
zu bearbeiten und entsprechende Visabeantragungen zumindest in allen
rund 30 Staaten zu ermöglichen, in die syrische Staatsangehörige visafrei
einreisen können (in welchen Ländern außerhalb der Region um Syrien
ist dies derzeit möglich)?

Berlin, den 3. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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