BT-Drucksache 18/8688

Schaffung eines EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystems mit sachdienlichen Angaben über geplante Reisen

Vom 31. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8688
18. Wahlperiode 31.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Heike Hänsel,
Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Jan Korte,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Alexander Ulrich und der
Fraktion DIE LINKE.

Schaffung eines EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystems mit
sachdienlichen Angaben über geplante Reisen

Die Europäische Kommission prüft die Schaffung eines EU-weiten Reiseinfor-
mations- und -genehmigungssystems („EU Travel Information and Authorisation
System“ – ETIAS –, siehe das Ratsdokument 7644/16). Es geht dabei um von der
Visumpflicht befreite Reisende aus EU-Drittstaaten. Vor ihrer Einreise sollen sie
„sachdienliche Angaben über geplante Reisen“ in ein Onlineformular eingeben.
Die Informationen würden „automatisch“ verarbeitet. Dadurch sollen Grenz-
schutzbeamte „bei der Bewertung von aus Drittländern stammenden Besuchern“
unterstützt werden. Nach Erteilung einer Genehmigung zur Einreise verliefen die
Grenzverfahren bei der Ankunft laut der Kommission „schneller und reibungslo-
ser“. Das ETIAS habe demnach nicht nur Vorteile für die Sicherheit und das
Grenzmanagement, sondern könnte „somit auch als Instrument für die Reiseer-
leichterung dienen“. Als Vorbild werden ähnliche Systeme in den USA, Kanada
und Australien genannt, die auch für EU-Bürger gelten. Die dortigen „Reisege-
nehmigungssysteme“ beruhen auf Onlineanträgen, in denen der Antragsteller vor
Reiseantritt Angaben zu seiner Person, zu Kontaktdaten, zum Zweck der Reise,
zur Reiseroute usw. macht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit zur Schaffung eines

EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS), und
aus welchem Grund hält sie die Verarbeitung bereits bestehender Systeme
zur Vorab-Unterrichtung von Reisenden (etwa PNR und API) für nicht aus-
reichend?

2. Welche bestehenden Systeme könnten aus Sicht der Bundesregierung von
einem EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystem ergänzt
werden?

3. Was ist der Bundesregierung über Zeitraum, Durchführende und Teilneh-
mende einer entsprechenden Machbarkeitsstudie der Kommission bekannt?

4. Welche „sachdienlichen Angaben über geplante Reisen“ sollte ein solches
System aus Sicht der Bundesregierung unbedingt vorab erheben?

5. Welche Vorteile hätte es, wenn etwa die Bundespolizei vor der Einreise einer
Person zum Zweck der Reise und zur Reiseroute informiert würde?

Drucksache 18/8688 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

6. Auf welche Weise könnten die von den Reisenden eingegebenen Informati-
onen aus Sicht der Bundesregierung „automatisch“ verarbeitet werden?

7. Mit welchen Datenbanken sollten diese aus Sicht der Bundesregierung In-
formationen „automatisch“ abgeglichen werden?

8. In welchen Verfahren werden derzeit API- und zukünftig PNR-Daten von
deutschen Grenzbehörden mit dem SIS II (Schengener Informationssystem
der zweiten Generation) und dem Interpol SLTD abgeglichen, und inwiefern
ist dieses Verfahren automatisiert?

9. Was ist der Bundesregierung über die enthaltenen Informationen der Inter-
pol-Datenbank „Travel Documents Associated with Notices“ (TDAWN) be-
kannt, und inwiefern werden dort auch Dokumente gespeichert, die nicht als
gestohlen oder verloren gemeldet wurden, deren Inhaber jedoch wegen (nicht
strafrechtlich relevantem) Verhalten (etwa: „Hassprediger“) auffällig wur-
den?

10. Inwiefern hält es die Bundesregierung für sinnvoll, wenn auch die EU-Agen-
tur Frontex und Europol auf die Daten eines EU-weiten Reiseinformations-
und -genehmigungssystems zugreifen dürfen oder dort geführte Datenban-
ken abgefragt werden?

11. Inwiefern hält auch die Bundesregierung ein solches System für geeignet,
Grenzverfahren bei der Ankunft der Reisenden „schneller und reibungsloser“
vornehmen zu können (bitte erläutern)?

12. Inwiefern könnten die Reisenden beim Grenzübertritt aus Sicht der Bundes-
regierung von automatischen Kontrollsystemen profitieren?

13. Inwiefern hält es die Bundesregierung für sinnvoll oder notwendig, die in
einem EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystem erhobenen
Daten auch nach der Ausreise der betreffenden Person weiterhin zu spei-
chern?

14. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die An-
meldung in einem EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystem
auch eine garantierte Erlaubnis der Einreise bedeuten würde oder ob die Rei-
senden dennoch an der Grenze mit einer Einreiseverweigerung belegt wer-
den könnten?

15. Welche Kostenschätzungen zur Einrichtung eines EU-weiten Reiseinforma-
tions- und -genehmigungssystems sind der Bundesregierung bekannt?

16. Welche Funktionen des im „Paket Intelligente Grenzen“ der Europäischen
Union ursprünglich vorgesehenen „Registrierungsprogramm für Reisende“
(RTP) könnte ein EU-weites Reiseinformations- und -genehmigungssystem
aus Sicht der Bundesregierung übernehmen (Bundestagsdrucksache 18/7835)?

17. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche EU-Mitgliedstaaten in
der jüngeren Vergangenheit die Herausgabe von weiterführenden Informati-
onen nach einem DNA-Treffer im Prüm-Verfahren verweigerten und zuvor
formelle Rechtshilfeersuchen verlangen?

18. Welche Priorität räumt die Bundesregierung der Entwicklung eines „Single
Search Interface“ (SSI) zur Schaffung einer one-stop-shop-Lösung für die
Abfrage mehrerer Informationssysteme ein (Europäische Kommission vom
21. April 2016), und inwiefern sollten davon auch Interpol-Datenbanken er-
fasst werden?

19. Was ist der Bundesregierung über Pilotprojekte zur Einführung einer recher-
chierbaren Fingerabdruckfunktionalität (AFIS) im SIS II bekannt, welcher
Zweck wird damit verfolgt, wer führt diese durch und inwiefern werden da-
bei bereit vorhandene Fingerabdruckdaten im SIS II genutzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8688
 

20. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern das SIS II
auch DNA-Daten speichern und verarbeiten sollte (Ratsdokument 8437/16)?

21. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern Europol
Prüm-Partner werden und zur Kreuztreffersuche von DNA-Daten und Fin-
gerabdrücken ermächtigt werden sollte (Ratsdokument 8437/16)?

22. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern Aus-
schreibungen nach Artikel 36 SIS II auch die Festnahme ermöglichen sollten,
auch wenn kein Europäischer Haftbefehl vorliegt (Ratsdokument 8437/16)?

23. Auf welche Weise wollen die Bundesregierung und die zuständigen US-Be-
hörden den gegenseitigen Abgleich von „Reisenden und Asylsuchenden“
(„screening of travelers and asylum seekers“) in ihren Datenbanken umsetzen
(Pressemitteilung des US-Heimatschutzministeriums vom 17. Mai 2016)?
a) Welche Behörden wären von dieser neuen Zusammenarbeit begünstigt?
b) Welche Datenbanken bzw. Datensammlungen sollen bzw. könnten für ei-

nen solchen Abgleich (als Datenquelle und abzugleichende Informations-
systeme) genutzt werden?

c) Nach welcher Maßgabe werden die Datenquellen und abzufragenden Da-
ten ausgewählt?

d) Sofern die Abfragen einen Treffer ergeben, nach welcher Maßgabe könn-
ten anschließend auch DNA-, Fingerabdruckdaten oder Gesichtsbilder
ausgetauscht werden?

e) Welcher Zeitplan zur Umsetzung des Vorhabens wurde beim Besuch des
Bundesministers des Innern in den USA vereinbart?

Berlin, den 30. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.